MAX UND MORITZ PREIS 2002 |
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Bester internationaler Comic-Strip
Liberty Meadows von Frank Cho (Salleck Publications). Desweiteren waren nominiert: "Doonesbury" (Garry Trudeau), "Sherman's Lagoon" (J. P. Toomey)
Bester deutschsprachiger Comic-Strip oder Cartoon-Serie
Abgründe von Martin Perscheid (Lappan Verlag). Desweiteren waren nominiert: "Der große Max" (Dieter Hanitzsch/Herbert Riehl-Heyse), "Die Loge" (Alex Macartney), "Oh, Schlagsahne! Hier müssen Menschen sein" (Katz/Max Goldt)
Bester deutschsprachiger Comic-Künstler
Peter Puck. Desweiteren waren nominiert: Isabel Kreitz, Dirk Schulz, Reinhard Kleist, Ulf K.
Beste deutschsprachige Comic-Publikationen - Eigenproduktion
Meisterwerke der Weltliteratur von diversen Zeichnern (Moga Mobo/Bostel Produktion). Desweiteren waren nominiert: "Alltagsspionage" (diverse), monogatari; "Alte Frauen" (Tim Dinter/Kai Pfeiffer), Zwerchfell Verlag; "Mein Bruder Flo" (José-Luis Bocquet/Andreas Gefe), Arrache Coeur; "Tango de la mort" (Ulf K.), Edition 52; "Hunde über Berlin" (Atak), Reprodukt.
Beste deutschsprachige Comic-Publikation - Import
Lost Girl von Nabiel Kanan (Lost Comix). Desweiteren waren nominiert: "Die Geschichte von einer bösen Ratte" (Bryan Talbot), comicplus+; "Berlin 1931" (Raúl/Felipe H. Cava), avant-verlag; "Little Lit" (diverse), Carlsen Verlag; "Zehn Gebote" (diverse/Frank Giroud), comicplus+; "From Hell" (Eddie Campbell/Alan Moore), Speed.
Beste deutschsprachige Comic-Publikation - Sekundärliteratur
Reddition Volker Hamann Hg. (Edition Alfons). Desweiteren wurden nominiert: "Lexikon der Comics" (Marcus Czerwionka Hg.), Corian Verlag; "Asterix, Barbarella & Co." (Thierry Groensteen), Somogy/CNBDI; "Geschichte im Comic" (Gerald Munier), Unser Verlag; "Comics neu erfinden" (Scott McCloud), Carlsen Verlag
Beste deutschsprachige Comic-Publikation für Kinder
Doktor Dodo schreibt ein Buch von Ole Könnecke (Carlsen Verlag). Desweiteren wurden nominiert: "Gnome von Troy" (Scotch Arleston/Didier Tarquin), Carlsen Verlag; "Norbert die Eidechse" (Régis Loisel/Patrick Cothias), Egmont Ehapa; "Käpt'n Blaubär" (HONK Studios), Carlsen Verlag; "Die Abfrafaxe: Congo" (Thorsten Kiecker/Andreas Pasda/Schulze/Hubertus Rufledt), Mosaik - Steinchen für Steinchen
Beste deutschsprachige Comic-Publikation für Jugendliche
Wie im richtigen Leben: Herzstolpern von Carlos Trillo/Laura Scarpa (Schwarzer Klecks). Desweiteren wurden nominiert: "Ranma 1/2" (Rumiko Takahashi), Egmont Manga & Anime; "Malika" (Tehem), Carlsen Verlag; "Futurama" (Matt Groening u. a.), Dino
Bester internationaler Szenarist
Frank Giroud. Desweiteren wurden nominiert: Tiziano Sclavi, Yann, Brian Michael Bendis, Philippe Tome
Sonderpreis für das Lebenswerk
José Antonio Muñoz. Dieser Preis wird ohne vorherige Nominierung vergeben.
Spezialpreis der Jury
Karl Manfred Fischer. Dieser Preis wird ohne vorherige Nominierung vergeben.
Und hier die Begründungen der Jury
"Perscheids Abgründe" von Martin Perscheid. Männer mit Übergewicht, Eierkopf und einer Nase, die wie eine fette Zigarre im Gesicht klebt, machen gewöhnlich keine Karriere. Es sei denn, sie spielen eine gewichtige Rolle in einer Cartoonserie, die in unzähligen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht wird. Der namenlose Herr hat Probleme beim Computerkauf, beim Braten von Fischstäbchen und mit Frauen sowieso. Vor allem aber weiß er nicht, wie man sich wäscht, was uns den wunderbaren Cartoon "Wenn Deppen duschen" beschert hat, den man in deutschen Badezimmern nicht mehr missen möchte. Geradezu boshaft reduziert Martin Perscheid das Äußere seiner Figuren auf die denkbar negativsten Merkmale und stattet sie mit den gröbsten menschlichen Unzulänglichkeiten aus, die wir alle kennen - aber natürlich nur bei anderen. Aus dem Kontrast dieser Reduzierung einerseits und der grotesken Überhöhung andererseits ergeben sich skurrile Alltagsdramen, die den Leser Tränen lachen lassen. "Abgründe" ist denn auch ein treffender Titel für all die dargestellten Dummheiten und Eitelkeiten. Von Martin Perscheid, der den Vergleich mit Gary Larson zwar nicht sonderlich liebt, ihn aber auch nicht zu scheuen braucht, sind mittlerweile auch mehrere Bücher erschienen. (Petra Lakner)
"Die Loge" von Alex Macartney
Alex Macartney, trotz seines anglophonen Namens Schweizer, gehört zu der im ganzen deutschsprachigen Raum seltenen Gattung veritabler Comicstrip-Zeichner. Also jene, die der amerikanischen Urform folgend einzeilige Gagstrips mit kontinuierlichem Personal und auf Situations- und Charakterwitz aufbauender Handlung über einen langen Zeitraum hinweg produzieren. Gerade mit seiner Serie "Die Loge" (entstanden für die Züricher Tageszeitung "Metropol"), ein Einblick in eine Schweizer Jung-Männer-WG, bestehend aus dem kleinen Brillenträger Roy, dem Elvis-Lookalike Elvis und dem blondbezopften Schweden Nils, zeigt Macartney, daß es auch im deutschen Sprachraum möglich ist, Comicstrips auf kontinuierlich hohem Niveau zu schaffen. Macartney, der unter anderem auch One-Pager für die Heftserie "Horst" (Schwarzer Turm) beisteuert, gewann mit seiner WG-Sitcom vor zwei Jahren den Wettbewerb des Comic-Channels auf orf.at und ist dort seitdem wöchentlich online mit einem neuen Strip vertreten (http://comics.orf.at). Außerdem sind bereits zwei Bücher mit den gesammelten Erlebnissen seiner "Helden" erschienen (Cartoon Pool). Optisch ein wenig dem amerikanischen Underground à la Crumb verwandt, überzeugt "Die Loge" vor allem durch coolen Witz, Kontinuität und scharfer Beobachtungsgabe für das Großstadt-Single-Leben am Beginn des neuen Millenniums. (Harald Havas)
Peter Puck
Wenn man es eine Leistung nennen will, daß jemand gegen alle ästhetischen Moden seinen eigenen Stil verfolgt, dann ist Peter Puck ein Hochleistungssportler. Seit der 1960 geborene Heidenheimer Zeichner vor siebzehn Jahren seine Serie "Rudi" begründete, hat er nichts anderes getan, als seine persönliche Sicht auf die Funnies zu perfektionieren - und dabei ein Werk geschaffen, das wie ein Monolith in der deutschen Comicwelt steht. Denn Puck ist kein Epigone, so sehr man seinem dynamischen Strich den Einfluß der Marcinelle-Schule auch ansieht und so sehr seine Erzählweise sich an den Gepflogenheiten französischsprachiger Comic-Klassiker wie "Achille Talon" oder "Gaston" orientiert. Doch man müßte darüber hinaus ein ganzes Panoptikum von Einflüssen benennen, das von Carl Barks bis Robert Crumb reicht, um seinen Satiren inhaltlich und formal gerecht zu werden, und man hätte damit noch nicht annähernd deutlich gemacht, was die eigentliche Meisterschaft von Puck ausmacht: sein Timing, seine Sensibilität für genau die richtige Pose seiner Figuren und ein Textgespür, das ganz ohne Beispiel ist. Denn Pucks "Rudi" ist nicht weniger als ein deutsches Sittenbild der letzten zwanzig Jahre. Wer jemals in der Zukunft lesen und sehen möchte, wie wir gelebt haben, mit all unseren Marotten, Lastern und Liebenswürdigkeiten, dem steht mit den gerade einmal sechs "Rudi"-Bänden eine Enzyklopädie des Alltags bereit. Und in Peter Puck gilt es einen Chronisten zu feiern, der sich mit allem messen kann, was das Genre hierzulande hervorgebracht hat. (Andreas Platthaus)
Moga Mobo, "100 Meisterwerke der Weltliteratur", Bostel Produktion
Bücher lesen lohnt nicht, das weiß inzwischen jeder vernünftige Mensch. In unserer schnelllebigen Zeit hat man gar keine Zeit, sich durch einen 400-Seiten-Roman zu kämpfen. Gute Bücher werden sowieso verfilmt, dann bekommt man eine praktische und zeitsparende zwei-Stunden-Instant-Version. Und sehr gute Bücher werden zum Comic, auch dann geht das Lesen unvergleichlich zügiger vonstatten. Das haben sich wohl auch die Macher von Moga Mobo gedacht und präsentieren in der neuesten Ausgabe ihres sympathischen Magazins 100 Meisterwerke der Weltliteratur, von "Faust" über "Betty Blue", dem "Herrn der Ringe" (ganz aktuell!) und "Moby Dick" bis hin zu "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo". Auf jeweils einer Seite sollten die beteiligten Comiczeichner ihre Version des Buches präsentieren und dabei nicht mehr als acht Panels und nach Möglichkeit keine Sprechblasen benutzen. Und dazu wurde durchaus die Elite der deutschen Comicszene verpflichtet: Unter anderem wirken die Berliner Fil, OL, Reinhard Kleist und Andreas Michalke mit, die Laskas aus München, Naomi Fearn aus Stuttgart und die Wiener Nicolas Mahler und Heinz Wolf. Das Ganze kommt in Form eines veritablen Taschenbuchs daher, finanziert sich jedoch ausschließlich aus den Werbeanzeigen. Alles in allem: Ein großer Wurf der Moga Moboianer, die seit inzwischen sieben Jahren jeden Comic-Salon mit ihren schrägen Ideen aufgepeppt haben. (Lutz Göllner)
Volker Hamann (Hg.), "Reddition", Edition Alfons
Bei ihrer Gründung im Jahr 1984 war die "Reddition" ein Schülerstreich dreier comic-begeisterter Jugendlicher. Mittlerweile hat sie fast zwanzig Jahre auf dem Buckel und wird als eines der profiliertesten deutschsprachigen Fachmagazine geschätzt. Sie gilt als "Fels in der Brandung" der oft schnell wechselnden Modetrends, deren Autoren sachlich und kenntnisreich berichten, ohne sich den jeweiligen Marktanforderungen unterzuordnen. Dabei werden die aktuellen Entwicklungen keineswegs ignoriert. Die zwei- bis dreimal pro Jahr erscheinenden Hefte konzentrieren sich in maximal drei Dossiers auf jeweils ein Thema oder einen Autoren/Zeichner. Dabei kommen ganz unterschiedliche Aspekte zur Sprache, wodurch sich eine große Vielfalt in der Berichterstattung ergibt. Zu ihr trägt auch der vorbildliche Blick über den Tellerrand auf benachbarte Medien wie Bildende Kunst, Film und Literatur bei. Ergänzt durch sorgfältig zusammengestellte Werkübersichten bilden die fundiert recherchierten und gut lesbaren Artikel ein umfangreiches Archiv an Sekundärliteratur, das sowohl für Profis als auch für Liebhaber eine reiche Informationsquelle darstellt. (Petra Lakner)
Ole Könnecke, "Doktor Dodo schreibt ein Buch", Carlsen Comics
Es gilt, eine der größtanzunehmenden Überraschungen zu preisen. Nicht die Qualität von Ole Könneckes Zeichnungen - die konnte niemanden mehr überraschen, der seine wunderbaren Kinderbücher kannte. Auch nicht die liebevolle Aufmachung des Bandes, denn der Carlsen Verlag hat mit "Little Lit" schon ein ähnlich schönes Buch im Programm, und irgendwohin müssen die "Harry Potter"-Gelder ja fließen. Aber was geradezu unglaublich ist, das ist der aberwitzige Humor von "Doktor Dodo schreibt ein Buch", der Kinder wie Erwachsene gleichermaßen begeistern wird, die grandiose Lakonie, mit der Könnecke seine Hauptfigur erzählen läßt, die Liebe zum Detail (etwa die alte Schreibmaschinen-Typografie), die Farbgebung, die klar zwischen Rahmen- und erzählter Handlung unterscheidet, die virtuose Variation des Seitenschemas, die Eleganz der Sprache, die zahlreichen Reminiszenzen an Vorbilder und ja, und noch viel mehr. Aber das muß man einfach selbst lesen. (apl)
Johann (Hansi) Kiefersauer/HONK Studios, "Käpt'n Blaubär", Carlsen Verlag
Käpt'n Blaubär ist einer der wenigen Fälle, in denen es eine eigenständige deutsche Figur für Kinder geschafft hat, sich auf Dauer über alle Medien hinweg ein breites Publikum zu schaffen. Nach den ersten drei "Blaubär"-Bilderbüchern (1990) entstanden für das Flaggschiff deutscher Kinderunterhaltung "Die Sendung mit der Maus" zahllose Fernsehfolgen von "Käpt'n Blaubärs Seemannsgarn" als Mischung aus Zeichentrick und Puppenspiel. Seit 1994 werden auch Comics um die Erlebnisse des Seemannsgarn spinnenden blauen Kapitäns und seiner nicht weniger bunten Enkel gemacht. Allerdings nicht von ihrem eigentlichen Schöpfer, Walter Moers, selber ein absoluter Top-Star der deutschsprachigen Comic-Szene, sondern vom Studio Honk und dessen Chefzeichner Hansi Kiefersauer, deutsches Comic-Urgestein mit Wurzeln in der Zeit der Underground-Comix. Explizit auf die Bedürfnisse von Kindern abgezielt, machen die teilweise haarsträubenden Geschichten um den Käpt'n und die Kids (sowie natürlich Hein Blöd!) dem Zielpublikum und dessen Eltern auch in dieser Inkarnation großen Spaß. Ein hoch sympathisches Beispiel dafür, wie es gelingen kann, auch aus heimischen Ressourcen zu schöpfen, um am Kindersektor kommerziell erfolgreich tätig zu sein. (Harald Havas) |