Nur manchmal komisch
Das 23. Internationale Trickfilm-Festival Stuttgart
Von Burkhard Ihme
Das Internationale Trickfilm Festival fand in diesem Jahr vom 26. April bis zum 1. Mai und damit neun Tage früher als im Vorjahr statt. Für die Besucher der zahlreichen Veranstaltungen in den verschiedenen Kinos, Cafés, Museen, Bibliotheken, Akademien, Vereinen, Jugendhäusern, Banken, Kaufhäusern, Klubs und Theatern spielten die unerwartet kühlen Temperaturen keine Rolle, aber beim mittlerweile "Festival Garden" getauften Open-Air-Screening auf dem Schloßplatz, bei dem sich zu Filmen wie "Home ein smektakulärer Trip" und "Der kleine Prinz" die meisten Zuschauer einfanden, wurde es in den ersten Tagen doch sehr ungemütlich. Auch beim Besuch der Workshops im Zoologisch-Botanischen Garten Wilhelma ("Kinder lernen, selbst Tier-Trickfilme zu machen") war vermutlich das Mitbringen von Regenkleidung für den Rundgang zu den Freigehegen kein Fehlgriff.
Der Internationale Wettbewerb, die Programme mit Studentenfilmen, das Panorama (aktuelle Filme, die es nicht in den Wettbewerb schafften) und Künstlerpräsentationen sind seit der ersten, noch "Trickfilmtage" genannten Veranstaltung ein wesentlicher Bestandteil des Festivals, Kinder- und Länderprogramme, Ausstellungen, Schulpräsentationen und Best-of-Zusammenstellungen kamen bald und seit einigen Jahren teils mit poppigen englischen Bezeichnungen dazu ("Young Animation", "Tricks for Kids", "Animovie", aber immer noch "Internationaler Wettbewerb"). Aktuellere Neuerungen sind die "Game Zone" (seit 2014) im Württembergischen Kunstverein und das "Spotlight Festival" (mit vollem Namen "Spotlight Festival für Bewegtbildkommunikation"), das seit 1998 durch Baden-Württemberg vagabundiert und seit 2015 in Kooperation mit dem "Animated Com Award" in Stuttgart parallel zum ITFS an hochkulturell vorbelasteten Orten wie dem Literaturhaus oder der Staatsgalerie stattfindet.
Mittlerweile ist die Anzahl der Veranstaltungen, insbesondere der außerhalb der Innenstadtkinos, völlig unüberschaubar geworden, zumal die Internationale Konferenz für Animation, Effekte, Games und Transmedia oder kurz FMX, die jährlich vom Institut für Animation, Visual Effects und digitale Postproduktion der Filmakademie Baden-Württemberg veranstaltet wird, nicht, wie in den Anfangsjahren erst im Anschluß terminiert ist. Sie fand erstmals 1994 als "Film- und Medienbörse" im Haus der Wirtschaft in Stuttgart statt, seit 1996 jährlich als FMX, und lockt mehr Prominenz aus der Branche an als das Festival selber. Während letzteres Preise in Höhe von 60.000 € zu vergeben hat, verspricht die FMX geldwerte Vorteile durch Kontakte, Kooperationen, Vertriebsmöglichkeiten und Jobbörsen.
Comics, im vergangenen Jahr erstmals thematisiert, waren in diesem Jahr kein hervorgehobener Programmpunkt, aber auch nicht völlig aus dem ITFS verschwunden. So gab es ein Konzert zu Hans Hillmanns Comicadaption von Dashiell Hammetts "Fliegenpapier" von 1982, 2015 im avant verlag neu aufgelegt und 2016 vom israelischen Komponisten Itay Dvori vertont, mehrere Workshops zu Comics und Graphic Novels, die deutsche Produktion "Petzi: Schildkröteninsel" nach den Comics des dänischen Autorenehepaars Carla und Vilhelm Hansen gewann den Preis für die beste Animationsserie für Kinder (National) und im Programm Animovie Spezial/Kids lief der 77minütige Film "Mumins an der Riviera". Und aus den ausgewählten Filmen lassen sich Comicbezüge eh nicht völlig heraushalten. Nur Preise gewinnen sie dann nur in den seltensten Fällen. Überhaupt scheint sich eine internationale Jury leichter auf inhaltsschwere Dramatik oder anscheinend originelle Ideen wie das Animieren eines Films auf Häuserwänden ("Muto", Gewinner des Grand Prix 2009) verständigen zu können, als darauf, daß ein komischer Film durchaus den Hauptpreis gewinnen darf, und was überhaupt komisch ist (1988 gewann der 28minütige jugoslawische Film "Versuch zweimal zu wackeln" in der damals noch existierenden, aber spärlich dotierten Kategorie "Witzigster Film", bei dem ich kein einziges Mal lachen mußte und einmal in 28 Minuten ist doch wahrlich nicht zuviel verlangt!).
Diesmal einigte sich die Jury auf "Kaputt" von Alexander Lahl und Volker Schlecht, ein Kurzfilm, der die Haftbedingungen des Frauengefängnisses Hoheneck thematisiert und Zeitzeuginnen zu Wort kommen läßt. Das Thema und die Erzählungen der Betroffenen berühren den Zuschauer, die Frage, warum er ein Trickfilm ist und nicht mit Archivmaterial bebildert wurde, beantwortet der Film nicht. Eine Lobende Erwähnung beim Lotte Reiniger Förderpreis für Animationsfilm erhielt der über 11-minütige Film "Rhizome" von Boris Labbé, der eine unglaubliche Fleißarbeit vermuten läßt, aber totlangweilig ist. Ebenfalls einschläfernd ist der Gewinnerfilm in dieser Kategorie, "Afternoon Class von Seoro Oh, aber dies deshalb, weil darin eine ganze Schulklasse vor den Augen des Publikums einpennt, und da ist das Gähnen direkt ansteckend.
Meist setzt der Publikumspreis einen starken Gegenakzent zu den Juryentscheidungen, so auch in diesem Jahr mit "Paniek!" von Joost Lieuwma und Daan Velsink. "Hab ich Gas und Wasser abgedreht und die Fenster geschlossen?" Kaum hat Marja das Haus verlassen, überfallen sie irrationale Ängste. Kurzentschlossen dreht sie um, doch alles ist viel schlimmer. Aber auch sehr, sehr komisch. Aber nicht immer gewinnen nur komische Filme die Herzen der Zuschauer: Letztes Jahr vergaben sie an "Light Motif" von Frédéric Bonpapa, basierend auf Steve Reichs Musik "18 Musicians: Section II.", eine Lobende Erwähnung.
Nun muß man natürlich einräumen, daß das ITFS seit Gründung ein Festival für den künstlerischen Animationsfilm ist, und die Juroren picken sich nicht mutwillig die weniger komischen Beiträge raus. Aber man wird ja mal darüber reden können. Und für das Festival ist eigentlich nur wichtig, daß am Ende einige Filme Preise gewinnen, nicht welche. Trotzdem verraten wir es Ihnen nun.