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COMIC!-JAHRBUCH 2017

Sonderpreis der Jury für eine besondere Leistung oder Publikation:
"www.dreimalalles.info"
Interview mit Christian Maiwald

von Clemens Heydenreich


COMIC!: Als auf der ICOM-Preisverleihung am 26 . Mai verkündet wurde, daß der Sonderpreis der Jury an dreimalalles.info geht, warst du zwar vor Ort in Erlangen, aber nicht im Saal, sondern anderenorts beschäftigt – man rief dich telefonisch hinzu. Was war da los?

Christian Maiwald: Das war ganz lustig: Ich war im "Gummi Wörner" und habe Musik aufgelegt, schon seit einer Stunde. Ich hatte schon früher beim Comic-Salon abends aufgelegt, als ich noch für Reprodukt gearbeitet habe und wir da Party machten. Und ich hatte in diesem Jahr wieder Lust darauf, so etwas zu machen, und hatte beim Salon angerufen und gefragt, ob es dafür an irgendeinem Abend noch die Möglichkeit geben würde, ohne daß ich eine Party-Konkurrenz für andere sein würde. Und dann stellte sich heraus: Nö, am Donnerstagabend macht keiner was. Die vom "Gummi Wörner" haben gesagt: Komm um 19 Uhr vorbei. Dann habe ich sogar noch beim ICOM angefragt, ob man mir nicht die Preisträger schon vorher sagen könnte, damit ich einen Blogeintrag vorbereiten und damit dann um 20 oder 21 Uhr einfach online gehen kann. Ging dann aber aus erklärlichen Gründen nicht. Und während ich alleine mit einer einzigen "Barfly" im "Gummi Wörner" stand, habe ich die Zeit genutzt, die Preisverleihung über Twitter zu verfolgen – und sah auf einmal meinen Namen. Das war natürlich eine gehörige Überraschung. Und da klingelte auch schon das Telefon, Christopher Tauber war dran, und es kam zu dieser etwas mißlungenen Vermittlung in den Saal hinein.

COMIC!: Zwölf Wochen nach der Preisverleihung, am 11. August, kam dann das überraschende Abschiedsposting: Du hast dreimalalles beendet. Zur Begründung hieß es u. a.: "Zwei Jahre hat diese Motivation gereicht, nun ist sie einfach weg. Es fällt schwer, einen Anlaß zu nennen, einen Vorfall oder Auslöser, denn den gab es eben nicht." Das ist zwar natürlich so lapidar wie respektierenswert, und jeder kann es nachfühlen. Kannst du gleichwohl dieser Erklärung heute – nachdem du ja sicher von tausend Seiten darauf angesprochen worden bist – noch etwas hinzufügen?

Christian Maiwald: Einerseits ist es genau so, wie ich geschrieben habe. Ich habe mir nicht groß blumige Worte abgerungen, um das hübsch zu verpacken – es war tatsächlich einfach so, daß die Motivation, die mich über zwei Jahre getragen hatte, einfach weg war. Daß ich mich überwinden mußte, Beiträge zu schreiben, zu recherchieren, was passiert. Ich bin dann relativ entscheidungsstark oder -schnell, wenn man so will, und habe das dann schnell für mich herausgefunden, daß es unter diesen Umständen kaum noch Sinn macht. Der Hintergrund ist: Im Comicbereich sind die meisten Leute ja Hochstapler, wenn man so will. Nur wenige Leute haben das, was sie machen, gelernt, auch ich nicht; und man landet eher zufällig in irgendwelchen Positionen, und das klappt meistens auch ganz gut. Aber ich bin z. B. von Haus aus kein Journalist. Ich habe mich aber vor über zwei Jahren umgesehen, welche neue Richtung ich einschlagen wollte, nachdem ich bei Reprodukt aufgehört hatte, und das Bedürfnis gehabt, so eine Seite aufzuziehen. Nicht aus einem intrinsischem Grund wie "Ich bin jetzt doch ein Journalist und möchte solche Sachen recherchieren und ein Angebot schaffen", sondern eher von der anderen Seite aus gedacht: "So eine Seite gibt es in der Art nicht, und ich möchte gerne, daß sie existiert. Es macht sie keiner, also mach ich sie selber." Das war natürlich etwas hochmütig, davon auszugehen, daß es eine Leserschaft gibt, die ein ähnliches Interesse an aufbereiteter Information und inhaltlicher Ausrichtung hat wie ich, aber es hat dann ja einigermaßen funktioniert, also ganz falsch lag ich da ja nicht.

COMIC!: Das klingt ja ganz nach dem Verlegergeiste des "Independent": "Ich möchte, daß es da etwas gibt, also mache ich es". Das ist zunächst einmal nicht sehr marktorientiert. Hattest du nicht vielleicht doch eine existierende Zielgruppe im Auge, die auf ein solches Angebot wartet?

Christian Maiwald: Wie gesagt, ich bin erst mal nur von mir ausgegangen. Es gab zwar schon Informationsportale, aber die richteten sich meiner Ansicht nach doch eher an ein Spezialistenpublikum, an Szeneteilnehmer. Und ich dachte mir, das ist einerseits gut, aber andererseits: So erreicht man ja keine neuen Leute. Ich wollte gern etwas Niederschwelligeres haben, auch Leute erreichen, die nicht unbedingt schon wissen, wer Mitte der 70er Jahre Spider-Man gezeichnet hat, und die nicht ihre Twitterfeeds mit Comic-Verlagsnews füllen oder sich die ganzen Informationen sonstwie heranschaffen. Und ich denke weiterhin: In Deutschland gibt es für egal was, worüber man sich informieren will, Portale, die relativ breit aufgestellt berichten. Für Comics aber fehlte das in der Form, wie ich’s mir dachte.

COMIC!: Hat dir denn das Feedback in jenen bewußten zwei Jahren – oder dasjenige auf deine Abschiedsmeldung hin – gezeigt, daß dreimalalles eben auch die eher "unbeleckten" Leute erreicht hat und nicht nur die Nerds?

Christian Maiwald: Wenn ich schlau gewesen wäre und mir daran gelegen gewesen wäre, zwischendrin noch mehr Feedback zu bekommen, dann hätte ich meinen Abschied zwischendurch häufiger angekündigt. Die Resonanz auf die Abschiedsmeldung – so ironisch das vielleicht klingt – war super. Also, nicht daß die Leute sich gefreut hätten, daß die Seite endlich verschwindet, sondern es wurde schon in einem für mich überraschenden Maß häufig gesagt, wie schade es sei, daß ich nicht weitermachen werde, und daß die Seite vorher ganz gut angenommen wurde. Das war schön zu hören, hat aber keine Auswirkung auf meine Entscheidung gehabt.

COMIC!: Was läßt sich denn aus diesem Feedback lernen – für dich oder für potentielle Nachfolger? Haben bestimmte User konkret gesagt, was sie an dreimalalles vermissen werden, wenn es nicht mehr da sein wird?

Christian Maiwald: Konkret weniger, es ging mehr um das Gesamtpaket, das vermißt werden wird. Also um die aktuellen Meldungen, wo ich versucht habe, schnell aufzugreifen, was passiert, ob das nun Preisverleihungen waren, der Pressespiegel oder der Terminkalender. Da gab es keine Präferenz, sondern es hieß eher ganz allgemein, daß die Seite eine Lücke hinterlassen würde. Es gab auch Leute, die sich erkundigt haben, ob man sie irgendwie weiterbetreiben könnte, aber daraus hat sich meines Wissens bislang nichts ergeben.

COMIC!: Du hattest doch auch Gastautoren. Ist da keiner darunter, der zu 100 Prozent einsteigen würde?

Christian Maiwald: Das waren keine Leute, die direkt an der Seitengestaltung beteiligt waren. Sondern das ergab sich immer entweder dadurch, daß es zuvor schon Texte gab, die ich gerne übernehmen wollte, oder dadurch, daß jemand mich angesprochen hat mit einem Text oder einer Idee für die Seite, und dann haben wir das diskutiert und einzelne Beiträge entwickelt. Aber da ging es nie um die gesamte Seite oder eine weitere Beteiligung.

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November 2016
Format: DIN A4
Umfang: 224 Seiten, davon 60 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25
ISBN 978–3–88834-947-8
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