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COMIC!-JAHRBUCH 2017

Digitale Expansion?
Eine Kurzanalyse zum Mangamarkt in Japan 2015

Von Enno Berndt


Wer in gewohnter Weise auf die Daten der All Japan Magazine and Book Publishers and Editors Association (AJPEA) bzw. des ihr angegliederten Research Institute for Publications schaut und sich über die Auflagen, Titel, Ab- und Umsätze gedruckter Manga in Japan im Jahr 2015 informieren will, wird zunächst die meisten Trends bestätigt finden, wie sie im COMIC!-Jahrbuch 2015 bereits dargestellt worden sind: Der Umsatz (verkaufte Exemplare x Marktpreis je verkauftes Exemplar) für gedruckte Manga in Form von Magazinen wie Büchern (tankôbon) schrumpfte weiter und zwar von 357 Mrd. Yen (2,5 Mrd. Euro) 2014 auf 327 Mrd. Yen (2,4 Mrd. Euro) 2015, also um 8,4 %. Noch stärker ist der Absatz (d.h. die Anzahl der verkauften Exemplare) von gedruckten Manga gefallen: 2015 wurden 750 Millionen Exemplare gedruckter Manga und damit 10,4 % weniger abgesetzt als 2014, als es 838 Millionen Exemplare waren. Der seit Mitte der 1990er Jahre anhaltende Rückgang des Um- und Absatzes von gedruckten Manga-Magazinen hat sich beschleunigt: Betrug 2014 der Umsatz hier noch 131 Mrd. Yen, so waren es 2015 117 Mrd. Yen bzw. 11,2 % weniger Umsatz. Der Absatz fiel von 398 Millionen Exemplaren um 12,5% auf 348 Millionen Exemplare. Erstmals seit 2012 sank auch der Umsatz gedruckter Manga-Bücher, und zwar von 226 Mrd. Yen 2014 auf 210 Mrd. Yen 2015, also um 6,8 %, womit er wieder im Einklang mit dem seit 2005 zu verzeichnenden mittelfristigen Abwärtstrend in diesem Marktsegment steht.
Bekanntlich beruht das Manga-Geschäftsmodell der vier Großverlage Kôdansha, Shôgakukan, Shûeisha und Kadokawa bzw. ihrer Tochtergesellschaften darauf, daß man mit Manga-Magazinen den Lesern Folgen von mehr als einem Dutzend Serien pro Woche für gewöhnlich unter dem Kostenpreis anbietet, die Rechte besonders beliebter Titel und Charaktere zur Verwertung als Anime, Spielfilm oder Videospiel weiterverkauft oder selbst nutzt sowie die populären Geschichten als Manga-Bücher, oft kombiniert mit DVDs, profitabel verkauft. 2014 und 2015 wurden neue 9.937 bzw. 9.701 Ausgaben von Manga-Magazinen aufgelegt, in Buchform waren es 2.763 bzw. 2.861 neue Titel. 190 bzw. 180 davon wurden als Anime bzw. Spielfilm kommerzialisiert. Der anhaltende Rückgang des Umsatzes gedruckter Manga-Bücher ist nicht nur einem Mangel an populären und transmedial verwertbaren Titeln geschuldet. Auch der Rückgang der Anzahl gedruckter Manga-Magazine von 252 im Jahre 2014 auf 237 im Jahre 2015, also um 6 %, der Rückgang der von ihnen aufgelegten und verkauften Exemplare um 10,7 % bzw. 11,2 % und der dort publizierten Titel um 3,4 % zwischen 2014 und 2015 wird dafür verantwortlich gemacht. Insofern ist der Kern der kommerziellen Verwertung von Manga überhaupt betroffen, über alle alters- und geschlechtsspezifischen Zielgruppen und Genres hinweg. Der allgemeine Rückgang des Marktvolumens gedruckter Manga müßte eigentlich als weitere Verschärfung der Krise des Manga-Geschäfts verstanden und als Signal dafür begriffen werden, daß bei Strafe des Absinkens in die Bedeutungslosigkeit eine grundlegende Reform des bisherige Geschäftsmodells unausweichlich geworden ist. Insbesondere die Großverlage können und wollen ein solches Absinken nicht zulassen. Schließlich macht der Umsatz von Manga-Büchern etwa 30 % des gesamten Büchermarktes in Japan aus.
Gleichwohl ist die Stimmung bei den Großverlagen und Marktbeobachtern nicht schlecht. Interviews und Nachrichten zeugen von vorsichtigem Optimismus und reger Geschäftigkeit. Ein zweiter Blick auf die besagten Statistiken offenbart den Grund dafür: Inzwischen hat die AJPEA Schätzungen über den Umsatz digitaler Manga (Magazine und Bücher) in ihre jährliche Marktanalyse aufgenommen und diesen für die Jahre 2014 und 2015 mit 89 Mrd. Yen bzw. 117 Mrd. Yen ausgewiesen. Das entspricht einem Anteil von 20 % bzw. 26 % am Manga-Gesamtumsatz.
Das Impress Research Institute veröffentlicht schon seit einiger Zeit Schätzungen zum Umsatz digitaler Manga. Diese zeigen für den Zeitraum von 2006 bis 2015 eine Steigerung des entsprechenden Umsatzes von 10 Mrd. auf 128 Mrd.Yen und eine Steigerung des Anteils digitaler Manga am Umsatz aller digitalen Buchpublikationen von 55 % auf 81 %. Ferner nimmt man an, daß der mit kostenlosen digitalen Manga-Magazinen erzeugte Werbeumsatz von 1,4 Mrd.Yen im Jahre 2014 auf 4,1 Mrd. Yen im Jahre 2015 angewachsen ist. Schon 2016 soll er 8,5 Mrd. Yen erreichen.
Rechnet man die Umsätze gedruckter und digitaler Manga im Jahr 2015 so zusammen, wie sie die AJPEA ausweist, die konservativer als das Impress-Institut ist, dann verwandelt sich die beschleunigte Schrumpfung des Mangamarktes in eine Stagnation bzw. für Manga-Bücher sogar in ein leichtes Wachstum von 3,6 % im Vergleich zum Vorjahr. Das allein bedeutet jedoch erst einmal nur Zeitgewinn und keine grundlegende Wende.

Auf den Geschmack gekommen?
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Fußnoten

10 zitiert nach: Dentsû 2016: 79
13 Neben BookLive Co., Ltd. mit «Handy Comic» und «Live Comic» sowie Beaglee Inc. mit «Manga Ôkoku» sind hier auch die Mobiltelefon-Netzbetreiber mit umfassenden Abonnements zu relativ niedrigen Festpreisen von 300–700 Yen aktiv: NTT Docomo mit «Cmoa», Softbank mit «Bookhôdai» und KDDI mit «Bookbus».
14 Kôdansha, Shûeisha, Shôgakukan, Kadokawa
19 http://ebook.itmedia.co.jp/ebook/articles/ 1102/15/news047.html


Literatur

Impress Research Institute
Takekuma, Kentar , & Akamatsu, Ken: Denshi shuppan jidai ni okeru manga hensh sha no arubeki sugata (Diskussion zum Rollenverständnis von Manga-Lektoren im Zeitalter elektronischer Publikation), 27.01.2011, online veröffentlicht in: «ITmedia eBook USER» in fünf Teilen ab dem 14.02.2011.
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November 2016
Format: DIN A4
Umfang: 224 Seiten, davon 60 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25
ISBN 978–3–88834-947-8
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