Bester Kurzcomic:
"Insel Karkínos" von Tim Gaedke
Interview von Thomas Kögel
COMIC!: Zweimal in Folge "Bester Kurzcomic" beim ICOM Independent Comic Preis. Täuscht der Eindruck oder ist der Kurzcomic "dein" Format?
Tim Gaedke: Der Kurzcomic ist einfach das Format, das ich mache. Ich habe zwar schon längere Geschichten gezeichnet, aber in letzter Zeit sind es kürzere Storys, die ich angehe. Ich mag das Format aber tatsächlich gerne, weil man sich da ausprobieren kann. Selbst wenn einem der Stil, den man gewählt hat, zu anstrengend sein sollte, ist es ja nur eine kurze Geschichte, in der man ihn durchhalten muß.
COMIC!: Daß kurze Comics schneller fertig gestellt sind als lange, liegt auf der Hand. Haben sie für dich auch andere Vorzüge, z. B. aus erzählerischer Sicht? Magst du auch als Leser gerne kurze Geschichten?
Tim Gaedke: Ich mag als Leser vor allem gern abgeschlossene Geschichten. Was ich nicht mag, sind Fortset-zungscomics oder episch erzählte Webcomics, die nicht auserzählt sind. Ich lese gern etwas am Stück aber auch lange Sachen, sofern ich weiß, daß sie ein Ende haben.
COMIC!: Einige deiner Comics sind ja bei den 24-Stunden-Comic-Sessions entstanden, an denen du regelmäßig teilnimmst. Für "Insel Karkínos" gilt das aber nicht, oder? Kannst du ein bißchen was zur Entstehung dieser Geschichte erzählen?
Tim Gaedke: Doch, "Insel Karkínos" ist auch auf einem 24-Stunden-Comic-Tag entstanden. Wie auch schon "Tesserakt" damals. Koloriert habe ich dann nachträglich, aber die Story und die Lineart sind ein Produkt dieses Events.
COMIC!: "Insel Karkínos" ist eine ziemlich klare, eindeutig verständliche Geschichte. Viele andere Storys von dir sind offener, interpretierbarer und rätselhafter, oft auch ganz schön düster. "Äquinoktium", dein Beitrag in MONDO Nr. 2, hat z. B. einen ganz anderen Tonfall. Sind diese unterschiedlichen Ansätze von Anfang an gewollt, oder entwickelt sich das erst während der Arbeit an der Geschichte?
Mich würde interessieren, was als erstes da war und wie sich der Comic von da aus entwickelt hat. Vielleicht kannst du das am Beispiel dieser beiden Comics ein bißchen beschreiben?
Tim Gaedke: Das ist immer unterschiedlich. Bei "Karkínos" war die Grundidee von Anfang an klar: Ein Junge wacht in einem Verlies auf einer Insel auf und muß fliehen. Aber wovor eigentlich? Und warum ist er da? Das kam dann erst als zweite Idee, und ich mußte das dann in dieses Szenario einbauen.
Bei "Äquinoktium" war es anders, ich hatte das Bild von diesem gebrochenen alten Mann im Kopf, der nichts mehr zu verlieren hat. Darum habe ich dann die Geschichte aufgebaut.
COMIC!: Bei der Anthologie MONDO, deren zweite Ausgabe beim ICOM-Preis eine lobende Erwähnung erhalten hat, gehörst du ja zu den treibenden Kräften. Was unterscheidet Mondo von anderen Anthologien? Welche Aspekte waren euch wichtig, als ihr das Magazin ins Leben gerufen habt?
Tim Gaedke: Ich weiß nicht, ob MONDO sich von ande-ren Anthologien abhebt. Wichtig war uns vor allem, daß es unsere Anthologie ist, unser Forum, um die Geschichten zu erzählen, die wir erzählen wollten. Und um uns die Gastzeichner einzuladen, die wir gerne im Buch sehen würden. Das waren über die letzten drei Jahre zum Beispiel Mawil, Flix, Karoline Pietrowski und Luke Pearson.
COMIC!: Bei MONDO fungierst du laut Impressum als "Herausgeber". Heißt das, das bei dir die organisatorischen Fäden zusammenlaufen? Fungierst du auch als eine Art Redakteur, oder wie muß man sich die Abläufe bei der Entstehung eines MONDO-Bandes vorstellen?
Tim Gaedke: Ja, das heißt, daß ich mich darum kümmere, daß alle Geschichten rechtzeitig fertig werden und daß wir die Gastzeichner bekommen, die wir wollen. Außerdem liegt das komplette Layout des Buchs bei mir. Redaktionell möchte ich mich nicht in den Vordergrund spielen, da sind wir alle gleichberechtigt. Wir entscheiden gemeinsam über die Themen und besprechen intern die Geschichten der anderen Teilnehmer.
COMIC!: Zeigt ihr euch dann eure Beiträge schon während der Entstehung und nehmt gegenseitig Einfluß? Oder werkelt jeder selbständig und gibt den fertigen Comic ab?
Tim Gaedke: Das kommt immer darauf an, wie viel Zeit die Zeichner haben. Im Idealfall zeigen wir uns schon die Seitenentwürfe, Skizzen oder auch nur die grobe Idee einer Geschichte. Dann wird gelobt und kritisiert, und oft geändert. Manchmal ist aber auch weniger Zeit und die Geschichte ist schon nahe an der Fertigstellung, da kann man dann natürlich nichts mehr groß hin- und herschieben. Wir versuchen aber immer, das beste Buch zu machen, das uns möglich ist.