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COMIC!-JAHRBUCH 2016

Illustrierte Beatlemania
Interview mit Horst Berner

von Stefan Svik


COMIC!: Welche Comics hast du für dein Buch «Die Beatles im Comic» gelesen?

Horst Berner: Fast alle, die im Buch erwähnt sind, mit Ausnahme der frühen US-Comics wie «My Little Margie» oder «Summer Love», die sich nicht in meiner Sammlung befinden.

COMIC!: Was unterscheidet, was verbindet diese Comics?

Horst Berner: Sie haben gemeinsam, daß sie das Phänomen Beatles reflektieren, wenngleich auf unterschiedliche Weise. So geht es etwa in den eben genannten US-Heften schlicht um die Verherrlichung von Stars aus der Sicht von teenage girls. Andere Titel, Kurzgeschichten oder Darstellungen parodieren gewisse modische Verhalten – das typischste Beispiel dafür waren die langen Haare, die bei uns als «Pilzköpfe» verulkt wurden –, oder sie bieten Hommagen auf Aspekte im Werk der Liverpooler Musiker wie bestimmte Begebenheiten, einzelne Songs oder Alben etc. Etliche andere Comics versuchen schließlich in Form einer Biographie die Karriere der Beatles nachzuzeichnen. Das reicht dann von der ersten «Complete Life Story» bei Dell aus dem Jahr 1964 bis zur Neuauflage der Graphic Novel «The Beatles» aus der Feder der beiden Engländer Angus Allan und Arthur Ranson bei Boiselle & Ellert.

COMIC!: In welchem dieser Comics wird die Musik der Band deiner Meinung nach am treffendsten dargestellt?

Horst Berner: Schwer zu sagen, denn eigentlich läßt sich der Zauber von Musik nur bedingt in Illustrationen überführen. Ich denke aber, am besten transportieren Arne Bellstorf in «Baby’s in black» und Andrew C. Robinson in «Der fünfte Beatle» diese besondere Stimmung, die bei den Liveauftritten der Band geboten war. Bellstorfs Szenen vom Hamburger Kiez und Robinsons Darstellungen von den Beatles im Liverpooler Cavern Club tragen, obwohl graphisch in völlig unterschiedlichen Stilen ausgeführt, eine Dynamik in sich, die etwas Betörendes haben. Da kann man den Lärmpegel von Rock’n’Roll und Beat förmlich spüren.

COMIC!: Was bedeuten die Beatles für dich?

Horst Berner: Die Beatles sind die Band, die die Musik gemacht hat, die mein Leben begleitet. Ich hörte ihre Songs als Jugendlicher in den frühen 60er Jahren, und heute höre ich sie noch immer gern. Außerdem haben die Kompositionen der Beatles meine Neugierde auf Musik und die Liebe zu ihr geweckt. Sie waren eine Art Türöffner für andere Stile, die ich dadurch entdeckt habe: Blues, Country, Folk, Rhythm’n’Blues, Rockabilly, Rock’n’Roll, Surf Sound und all das Zeugs, was die Popmusik bis heute mehr oder weniger beeinflußt.

COMIC!: Wie kam es zu dem Buch?

Horst Berner: Die Idee zur Beschäftigung mit dem Thema «Illustrierte Beatlemania» trug ich schon vor einigen Jahren mit mir herum. Angeregt durch diverse Comicnovitäten zu und über die Beatles schrieb ich dann 2011 zu dem Thema einen längeren Artikel für das Musikmagazin GoodTimes. 2014 kontaktierte mich der Verleger Steffen Boiselle und schlug vor, daß er diesen Text gern in Form eines DIN-A5-Büchleins nachdrucken möchte, das er parallel beziehungsweise zusammen mit dem bereits erwähnten Beatles-Comic von Allan und Ranson in den Verkauf bringen wolle. Ich war von der Idee begeistert und habe die Abhandlung darauf etwas aktualisiert. Bedingt durch die Verlagsvorgabe und die Kürze der Zeit war jedoch eine komplette inhaltliche Überarbeitung nicht leistbar. Insgeheim träume ich davon, daß die vorliegende Version in naher Zukunft durch ein richtig schönes, fettes Buch ersetzt werden kann, das sich dann mit verändertem Konzept und ergänzt um viele weitere, bislang ungenannte Informationen präsentiert. Wo ist der Verlag, der daran Interesse hat?

COMIC!: Wie erklärst du dir die relativ große Zahl von Beatles-Comics? Die Rolling Stones oder Depeche Mode etwa würden doch sicher auch sehr viele Fans zum Kauf anregen, oder?

Horst Berner: Die Beatles waren wie ein Naturereignis – unglaublich begabte Musiker, als Einheit unschlagbar, im Resultat total neu, die über ihre aktive Zeit hinaus die Musikszene tiefgreifend geprägt haben. Zudem waren und sind sie noch immer unfaßbar erfolgreich, eben «die berühmteste Popgruppe aller Zeiten», wie es im Untertitel zu «Die Beatles im Comic» heißt. Und dann sind Paul McCartney und Ringo Starr sowie die bereits verstorbenen John Lennon und George Harrison vier gewichtige Individuen, die auch nach der Trennung der Beatles allerhand gute Kreativarbeit abgeliefert haben. Außergewöhnlich ist, daß sie nicht nur als Band sondern selbst als Solokünstler alle in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen wurden. Kurzum, über jeden einzelnen Beatle kannst du locker ein Buch schreiben oder eine Comicstory machen. Von den Stones – eine phantastische Rockband – gibt es zwar den einen oder anderen Comic, aber mal ehrlich, wer giert nach einer Bildergeschichte mit Charlie Watts oder Bill Wyman in den Hauptrollen? Und die Synthie-Pop-Gruppe Depeche Mode? Dave Gahan, Martin Gore und – wie heißt der andere noch mal – Andrew Fletcher wären als «Die Fantastischen Drei» wohl auch eher ein Flop.

COMIC!: Was verbindet und was unterscheidet Comics und Musik?

Horst Berner: Der Unterschied liegt auf der Hand: Comics sind zunächst einmal ein visuelles, Musik ein akustisches Phänomen. Aber wer weiß, vielleicht kommt es ja gelegentlich vor, daß das Lesen von Comics in dem einen oder anderen Gehirn Klangwelten erzeugt und das Hören von Musik Bilder hervorruft ... Wie auch immer, Querverbindungen zwischen den beiden Medien gibt es allein schon deshalb, weil sich viele Zeichner für Musik interessieren und viele Musiker begeisterte Comicleser sind. So gibt es beispielsweise unzählige Comickünstler, die Covers für Vinylscheiben oder CDs realisiert haben; das französische Magazin Métal Hurlant wurde in seiner Blütezeit Ende der 70er bis Mitte der 80er Jahre von den BD- und Rock-Enthusiasten Jean-Pierre Dionnet und Philippe Manœuvre herausgegeben, und in den Geschichten von Frank Margerin, Serge Clerc, Dodo und Ben Radis, Tramber und Jano, Yves Chaland oder Loustal ging es stets auch um Musik; in der vierbändigen Serie «Love Song» von Christopher aus dem Eckart Schott Verlag dreht sich nahezu alles um Popmusik; Reinhard Kleist hat mit «I see a darkness» bei Carlsen eine großartige Biographie von Johnny Cash verfaßt und arbeitet nun an einem Buch über Nick Cave. Das sind einige Beispiele von vielen denkbaren, die eine Verbindung von Comics und Musik belegen. Wahrscheinlich schafft einen gewissen Zusammenhalt auch die Tatsache, daß beide Medien zunächst als Trash, als Trivialität abgetan wurden, bis dann die «banalen Stricheleien» zum Ausstellungsstück im Museum und die «infantilen Lärmlawinen» zur hehren Musik erhoben wurden – das alte Wechselspiel von Sub- und Hochkultur eben.

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Artikel, Interviews, Analysen, Porträts...
Dezember 2015
Format: DIN A4
Umfang: 264 Seiten, davon 24 redaktionelle Farbseiten
Preis: EUR 15,25
ISBN 978–3–88834-946-1
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