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COMIC!-JAHRBUCH 2015

«Wir orientieren uns sehr eng an den Buchvorlagen von Janosch.» Zu Besuch bei «Papa Löwe Filmproduktion»

von Heiner Lünstedt

Am Telefon erzählte mir Irina Probost, die Gründerin und alleinige geschäftsführende Gesellschafterin von «Papa Löwe Filmproduktion», daß man bei ihr in der Firma auch nett einen Kaffee trinken könne. Ich war dann überrascht, daß das Foyer der Filmproduktion in München ein richtiges sich auch in Betrieb befindliches Café namens KÜSSDIEHAND mit Wiener Charme ist, inklusive Hirsch-Figuren und einem riesigen «Sissi»-Filmplakat aus den fünziger Jahren.    


COMIC!: Wie sind Sie zum Trickfilm gekommen?

Irina Probost: Ich habe in der Bavaria Filmproduktion in München 1994 die Animationsabteilung aufgebaut. Vorher war ich 14 Jahre beim ORF in Wien Redakteurin, Synchronregisseurin und Moderatorin in verschiedenen Redaktionen. Eine meiner Arbeiten war z. B., «Faust» als Spielfilm mit Marionetten umzusetzen. Es war eine spannende Arbeit und zugleich die erste Erfahrung mit nicht realen Figuren. Das war ein gutes Grund-Handwerk für die Arbeit im Zeichentrickfilm, denn wir haben bewegliche Figuren entwickelt und eine Bühne, auf der diese agieren. Gewitter, Donner, Regen etc. lösten wir mit klassischen Special Effects wie sie damals auch für fiktionale Spielfilme verwendet wurden. Alle diese Techniken, die ich damals gelernt habe, sind gar nicht so weit vom klassischen Zeichentrickfilm entfernt.

COMIC!: Computer-Animation ist dem Puppenspiel sogar noch näher als der klassische Zeichentrick, oder?

Irina Probost: Ja, das finde ich auch, denn es ist einerseits «back to the roots», aber mit einem unheimlichen technischen Fortschritt.

COMIC!: Wobei sich die 3D-Animation ja immer noch weiterentwickelt und ein Film dadurch nie lange «state of the art» ist, während klassische Zeichentrickfilme zeitlos sind.

Irina Probost: Ja, das ist wohl wahr, und 3D-Animation ist auch ein unheimlich hoher technischer Aufwand, der sehr viel kostet. Allerdings hat sich das Auge unseres Publikums auch mit entwickelt. Der Anspruch ist sehr hoch und orientiert sich an den amerikanischen Standards. 

COMIC!: Ist 3D-Animation immer noch teurer als klassischer 2D Zeichentrick?

Irina Probost: Ja, es kommt aber auch darauf an, wo man arbeiten läßt. Günstiger kann es werden, wenn man in die Massenproduktion nach China geht. Man muß allerdings die Storyboards und das Figurendesign sehr gut vorbereiten. Denn dort wird nur kopiert und nach den Vorgaben gearbeitet, die man aus Europa liefert. Es muß auch immer ein Supervisor aus der Produktion vor Ort sein. Das kann gut funktionieren, muß aber nicht. 

COMIC!: Im europäischen Ausland arbeiten Sie aber ganz gerne ...

Irina Probost: Ja, es gibt unglaublich gute Animatoren in Spanien, Polen, Tschechien, Italien, auch in den skandinavischen Ländern. Dort hat der Trickfilm eine Tradition, genau wie in Frankreich. Man sieht auf Festivals immer wieder, wie viele europäische Talente es gibt. Wobei sich viele auf 3D-Animation spezialisiert haben und es nur wenige gibt, die wirklich gut zeichnen und Charaktere entwickeln können. Die sind dann nach wie vor weltweit gefragt, und man trifft sie bei internationalen Produktionen immer wieder.

COMIC!: In diesem Zusammenhang wollte ich fragen, ob es zweckmäßig ist, sich in Deutschland zum Trickfilmzeichner ausbilden zu lassen?

Irina Probost: Ja, speziell die Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg leistet da eine sehr gute Arbeit. Doch für das weitere Fortkommen ist es wichtig, an möglichst vielen Produktionen weltweit vor Ort mitzuarbeiten, um zu lernen im Team zu arbeiten und mit Termindruck klarzukommen. Ebenso wertvoll ist es auch, an der Charakter-Entwicklung vom ersten Tag an dabei zu sein, auch bei der Drehbucharbeit. Nur so kann ein Charakter-Designer sich voll und ganz auf die Figur einlassen und sie entwickeln. 

COMIC!: Wäre es heute möglich, ausschließlich in Deutschland einen Animationsfilm zu drehen?

Irina Probost: Möglich ist es schon, die Leute sind da. Es kostet aber entsprechend. Wir haben unseren letzten Janosch-Trickfilm «Komm, wir finden einen Schatz» komplett in Deutschland produziert. Wir haben hier mit einer Firma zusammengearbeitet, die sich auf Animationen für Videogames spezialisiert und durch den Animationsfilm weiterentwickelt hatte, weil die Spiele heute auch sehr filmisch erzählt werden.

COMIC!: Doch zurück zur Chronologie, Sie hatten in Wien den ORF verlassen, wollten Sie was anderes machen?

Irina Probost: Ja, ich wollte Spielfilme machen und Serien entwickeln, und ich wollte selbständig sein. 

COMIC!: In Österreich gab es keine Möglichkeit, im Bereich Animation zu arbeiten?

Irina Probost: Nur ganz wenig, eigentlich nur in der Werbung. 

COMIC!: War die Bavaria damals so eine Art Trickfilm-Mekka?

Irina Probost: Ja, die hatten Erfahrung, die lag allerdings brach, und mit Janosch sollte der Trickfilm wiederbelebt werden. Ich hatte ein Animations-Studio aufgebaut, und nach 10-jähriger Pause sollte es weitergehen. Zuvor entstand «Janoschs Traumstunde», aber das war noch Legetrick, das hat Egenolf & Jeske gemacht, wobei ich die Filme sehr mag.

COMIC!: Wird heute noch mit Legetrick gearbeitet?

Irina Probost: Nein, dazu sind mittlerweile die Qualitätsstandards zu hoch. Wir waren seinerzeit die ersten, die Janosch in 2D animiert hatten. Wir fingen an mit ganz kleinen Kurzfilmen. Als ich zur Bavaria kam, besaßen die von Janosch nur die Verfilmungrechte für die Tigerente und den Kastenfrosch. Ich sagte, na prima, die Tigerente kann nicht sprechen, und der Kastenfrosch ist unsympathisch. Man hat mich dann zu Janosch nach Teneriffa geschickt, wo dieser schon damals lebte, Ich war nicht die erste, die mit ihm verhandelt hat, aber wir kamen miteinander klar, und zu unserem Kinofilm «Oh, wie schön ist Panama» gab es von ihm das höchstmögliche Lob, das er im Angebot hat: «Das war ja gar nicht so schlecht wie ich dachte.» 

COMIC!: Wo wurden Ihre ersten Janosch-Kurzfilme gezeigt?

Irina Probost: Im «Tigerentenclub», dann haben wir mit 40 Einminütern zu «Papa Löwe und seine glücklichen Kinder» weitergemacht. Das ist dadurch entstanden, daß mir Janosch in Teneriffa die Originalzeichnungen seines «Papa Löwe»-Buches mitgegeben hat, damit ich sie seinen deutschen Verlegern gebe. Als ich das Buch im Flieger las, dachte ich, das ist eine ideale Vorlage für eine Serie, weil der Papa mit sieben Kindern zuhause ist und die Zeitspanne bis die Mama wieder heimkommt ein wunderbarer dramaturgischer Bogen ist, um Geschichten zu erzählen. Meine Firma «Papa Löwe Filmproduktion» hat dann 1998 damit begonnen, daß wir 26 Folgen von «Papa Löwe und seine glücklichen Kinder» produziert haben. Janosch persönlich hat mir damals auch das Firmenlogo gestaltet.

COMIC!: Waren Sie zuvor bei der Bavaria angestellt?

Irina Probost: Nein, ich war frei, denn ich persönlich mag mich nicht für lange Zeit so fest binden.

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