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COMIC!-JAHRBUCH 2015

Kurt-Schalker-Preis:
«Pete’s Daily Webcomic» von Dominik Wendland

Interview von Christian Endres

Seit dem 8. Februar 2010 führt Dominik Wendland sein autobiographisch gespeistes Webcomic-Tagebuch «Pete’s Daily». Nach einer experimentellen Phase im ersten Jahr und der Entwicklung hin zu einem eigenen Stil mit Signaturcharakter gewann Wendland nun den «Lebensfenster-Preis für graphisches Blogen», der seit 2011 im Namen von Kurt Schalker verliehen wird. Im Interview spricht der 1991 geborene, in einem kleinen badischen Dorf aufgewachsene, seit drei Jahren in Leipzig an der HGB Graphik und Buchkunst studierende Wendland über die Anfänge und Evolution seines Tagebuchs in Panelform, die deutsche Webcomic-Szene, seine Vorliebe für längere Geschichten sowie den Drang, jeden Tag einen neuen Strip zu zeichnen.

COMIC!: Hallo Dominik. Woher kam 2010 die Idee, ein Webcomic-Tagebuch zu starten?

Dominik Wendland: Diese Idee gab es zunächst gar nicht. Ich habe zu der Zeit selbst viele Tagebuchstrips gelesen und war begeistert von Leuten wie Flix oder James Kochalka. Der erste Strip entstand dann ehrlich gesagt ein bißchen aus Langeweile und richtete sich an kein bestehendes Publikum. Wie das auch nachzulesen ist, war ich einfach krank und hatte nichts zu tun. Alle Comics waren ausgelesen und da kam die Frage auf: «Warum nicht einfach selbst einen zeichnen?» Wobei die Betonung hier noch ganz klar auf «einen» lag, geplant hatte ich das nämlich nicht. Den ersten Strip zeigte ich unter der Hand ein paar Freunden, und die fanden das zu meiner Überraschung sogar irgendwie gut. Und dann habe ich einfach am nächsten Tag noch einen gezeichnet.

COMIC!: Hattest du damals eine Vorstellung davon, wie lange du das von dir als solches bezeichnete «Bildsequenzen-Experiment» durchhalten wolltest oder wie es sich auf dein Leben auswirken würde, ja was du dir damit ans Bein bindest?

Dominik Wendland: Nein, absolut nicht. Am Anfang war alles form- und ziellos. Irgendwann kam ich dann darauf, daß das ja auch eine total gute Übung für mich ist, jeden Tag zumindest irgendetwas zu zeichnen. Ich war damals gerade 18 geworden, und über meinem Schulalltag und jugendlichem Pipapo kam gerade das meiner Meinung nach oft einfach zu kurz. Und damit hatte ich auch mein erstes Ziel gefunden: einfach Weitermachen.

COMIC!: Überhaupt, Experiment – die meisten Experimente haben mal ein Ende, um sie auswerten zu können. Oder?

Dominik Wendland: Enden gab es schon viele. Hauptsächlich lose und vor allem in der Entstehungsphase des Projekts. Nur war der Übergang zum nächsten Anfang immer so fließend, daß ich es selbst meist erst gemerkt habe, wenn es schon passiert war. Die Frage richtet sich aber wohl eher nach dem endgültigen Ende. Darüber kann ich jedoch nichts sagen, denn das ist für mich noch nicht in Sicht.

COMIC!: Das erste Jahr fühlt sich sehr experimentell an. 2011 sieht man dann den starken Drang zu deinem eigenen Duktus an. Hast du diese Entwicklung gespürt, vielleicht sogar forciert? 

Dominik Wendland: Von forcieren kann, glaube ich, nicht die Rede sein. Manchmal habe ich bewußt Entscheidungen getroffen, wie zum Beispiel mir für meinen Tagebuchstrip auch ein richtiges Tagebuch zuzulegen, anstatt alles auf lose Blattfetzen und Servietten zu kritzeln. Das hat zu einer Vereinheitlichung des Formats geführt, auf dem ich zeichne, und damit auch zu der Richtung beigetragen, in die sich das Ganze entwickelte. Aber alles in allem hat es sich für mich immer eher wie ein schleichender Prozeß angefühlt, der nur rückblickend zu beobachten war. Und so ist es auch bis heute geblieben. 

COMIC!: Blätterst du ab und an durch deine alten Einträge, die vergangenen Jahre?

Dominik Wendland: Klar. Für mich ist das ganze immer noch und vor allem mein Tagebuch. Das trägt zwar auch gelegentlich dazu bei, daß nicht jeder Eintrag unbedingt allgemein verständlich ist, aber für mich sind dann das oft die, welche ich mir nach Jahren noch anschauen kann und ein wenig in Erinnerungen schwelge. 

COMIC!: Zeichnest du manchmal Tagebuch-Strips nur für dich, weil du den Drang hast, ein Ereignis festzuhalten, aber nicht mit der Öffentlichkeit zu teilen? Gibt es sozusagen «Pete’s Secret Daily»?

Dominik Wendland: Es gibt schon den ein oder anderen autobiographischen Strip, der in irgendeinem Skizzenbuch versteckt schlummert, aber normalerweise begnüge ich mich in puncto Selbstdarstellung mit dem, was ich in mein Tagebuch zeichne.

COMIC!: Wie schwer ist es, jeden Tag einen Strip zu produzieren, und wie ist das in deinen Alltag integriert?

Dominik Wendland: Mittlerweile würde es mir, glaube ich, schwerer fallen, nichts zu zeichnen, als eine Kleinigkeit zu erzählen, aber vielleicht ist das nach dieser Zeit auch normal. Es gehört irgendwie einfach zu meinem Alltag und auch zu mir. Meistens liege ich abends im Bett, lasse den Tag Revue passieren und zeichne dann, was mir besonders wichtig war.

COMIC!: Wie lange brauchst du inzwischen für einen Strip?

Dominik Wendland: Wie lange ich dafür brauche, ist ganz unterschiedlich, und wann der Strip dann erscheint, ist manchmal auch nicht vorhersehbar. Da ich vor einiger Zeit damit angefangen habe, meine Einträge auch noch zu kolorieren, erscheinen diese immer frühestens am nächsten Tag. Wobei sich dann auch schon mal andere Projekte und vor allem Aufträge in den Vordergrund schieben und bearbeitet werden wollen, bevor man sich um so etwas kümmert wie das eigene Tagebuch. Da kommt es auch mal vor, daß ich mit der Veröffentlichung ein paar Tage hinterherhänge. Die eigentlichen Strips entstehen aber immer am jeweiligen Tag.

COMIC!: Denkst du tagsüber manchmal schon mitten in einer bestimmten Situation, daß das dein Thema wird?

Dominik Wendland: Tatsächlich. Manchmal denke ich sogar schon an kommende Tage, wenn beispielsweise etwas Besonderes geplant ist. Dann kommt auch schon mal der Gedanke auf, daß dies und jenes bestimmt einen Spitzenstrip abgibt. Wie der dann aber genau aussieht, entscheidet sich erst danach mit dem Buch in der Hand.

COMIC!: Du hast immer mal wieder Gastzeichner. Wie siehst du die aktuelle Webcomic-Community, und wie wichtig sind die sozialen Netzwerke?

Dominik Wendland: Die deutsche Webcomic-Szene ist groß und bunt mit vielen wechselnden Gesichtern, aber auch genauso vielen, die bleiben und sich dort ebenso heimisch fühlen, wie ich das mittlerweile tue. Die sozialen Netzwerke sind dabei die Hauptsäule, auf der wir zusammen mit dem Webcomic stehen, da über diese publiziert, kommuniziert und eben auch sozialisiert wird. Doch am liebsten sind mir trotzdem die realen Veranstaltungen, bei denen man die ganzen Chaoten wiedersehen kann, so richtige Gespräche führt und endlich auch mal wieder zusammen zeichnen kann. Und so kommen dann eben auch die meisten Comics mit Gastpaneln zustande.

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