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COMIC!-JAHRBUCH 2015

Sonderpreis der Jury für eine bemerkenswerte Comicpublikation: «PURE FRUIT 6»

Interview mit den Herausgebern von Christian Endres

Zusammen sind Gregor Hinz, Tim Eckhorst, Volker Sponholz und Franziska Ludwig die Herausgeber des zweimal im Jahr erscheinenden Comic-Magazins PURE FRUIT, dessen sechste Ausgabe 2014 mit dem Sonderpreis der Jury für eine bemerkenswerte Comicpublikation ausgezeichnet wurde – schließlich steht die Vernetzung von unterschiedlich bekannten Künstlern durch das Magazin ebenso im Mittelpunkt wie das Bekenntnis zur Vielfalt des Mediums sowie zu allen möglichen Experimenten im Rahmen des graphischen Erzählens.
Doch als Kollektiv namens Pure Fruit sind die vier Kieler noch viel mehr: Die Freiberufler bieten ihre Leistungen in Sachen Graphik, Illustration, Typographie, Raumgestaltung, Logoentwicklung, Buchgestaltung und mehr im individuell zusammenstellbaren Paket an. Darüber hinaus betreibt das Quartett das Comic Center Kiel, wo es eine kostenlos nutzbare Comicbibliothek gibt, Kontakte und Vermittlung großgeschrieben werden und Kurse, Workshops und Beratung stattfinden. Zum Live-Repertoire gehören zudem u. a. Comic-Battles, Graphic Recording, Comicjournalismus und natürlich Ausstellungen.
Im Interview sprechen die vier vielfältigen, jetzt auch noch preisgekrönten Herausgeber und Kreativen über ihr Kollektiv, ihr Magazin, Comic-Förderung und vieles mehr.

COMIC!: Hallo ihr vier! Für den Anfang dürft ihr gerne einmal reihum erzählen, wie ihr zum Comic bzw. zu Illustration und Graphik gekommen seid...

Tim Eckhorst: Bei mir ist das, glaube ich, auf die ganz klassische Art und Weise passiert: Man bekommt in jungen Jahren irgendwie einen Batman-Comic in die Hand und bleibt dann dabei. Wenn man dann in der Schule noch ein bißchen dafür gelobt wird, daß man gut zeichnet, führt schnell eins zum anderen. Ich bin aber auch ein bißchen so veranlagt, daß ich stark an einer Sache hängenbleibe, wenn sie mir gefällt. Das war zufällig beim Zeichnen der Fall.

Gregor Hinz: Ich bin nicht mit Comics aufgewachsen und habe auch bis zu meinem Studium – Kommunikationsdesign in Berlin – keine Comics selber gezeichnet. Aber ich habe schon immer irgendwie gezeichnet und mußte feststellen, daß Comics am ehesten dazu passen, was ich immer gezeichnet habe. Da in meinem Umfeld auch niemand an Comics interessiert war, hat es lange gedauert und viel Mühe gekostet, bis ich endlich irgendwie in der Szene drin war und nun auch gar nicht mehr raus will und davon leben kann.

Volker Sponholz: Zum Comic kam ich ganz klassisch und meinem Jahrgang entsprechend: Asterix, Disney, abgezeichnet, weiter gezeichnet, nicht aufgehört, etc. Und eine große Faszination für Trickfilme kam noch dazu. Dann habe ich nach der Schulzeit SEHR viele Sachen ausprobiert und letztlich festgestellt, daß mir allein Zeichnen und Erzählen nicht langweilig werden. Das hat sich über die Jahre zwar immer wieder gewandelt, aber nicht grundlegend geändert.

Franziska Ludwig: Ich habe mit etwa zwölf Jahren angefangen, Comics zu zeichnen. Das verdränge ich manchmal gern, weil es sich um Bildergeschichten im Stil der Bravo-Foto-Lovestorys handelte. Pubertät eben. Ich hatte immer um die 15 Anfänge in der Schublade liegen. Einige davon brachte ich tatsächlich zu Ende. Eine Weile schrieb ich dann ausschließlich. Im Grunde war mir das Schreiben für sich genommen aber zu wenig. Es fehlten die Zeichnungen, die die Geschichte miterzählen.

COMIC!: Erzählt uns einer von euch die Origin-Story von PURE FRUIT und wie euer Kollektiv zusammen kam?

Tim Eckhorst: Wir sind ja alle aus Kiel, und da ist die Welt klein. Mit Franziska hatte ich zusammen an der Kunsthochschule studiert, und eine Weile nach unserem Bachelor-Abschluß haben wir uns auf einer Party getroffen und sind überein gekommen, daß man mal was machen müßte. Das war Ende 2010. Gregor und Volker kannte ich zu dem Zeitpunkt auch schon ein paar Monate und wir saßen im selben Jahr auch beim Gratis Comic Tag im Kieler Comicladen Fantasyreich, um das Publikum zu bespaßen. Leider ohne eigenes Gratis-Heft. Immer wenn ich Gregor getroffen habe, haben auch wir gesagt, daß man mal was machen müßte. Und weil wir keine Lust hatten, ein kleines Heft für einen Euro oder so zu verkaufen, haben wir uns überlegt, daß das kostenlos sein soll. Und finanziert werden sollte es dann über Anzeigen. Anfang 2011 war dann das konkrete Ziel, daß das Heft zum Gratis Comic Tag 2011 erscheinen sollte. Sehr gefreut haben wir uns, als wir auch Volker für unsere Idee begeistern konnten und mit Sebastian vom TheNextArt Verlag jemanden gefunden haben, der sich bereit erklärt hat, die Rechnungsabwicklung für uns zu übernehmen.

COMIC!: Wie seid ihr auf den Namen PURE FRUIT gekommen?

Gregor Hinz: Naja, da stand dieser Saft von Aldi auf dem Tisch ... und Namen sind doch sowieso nur Schall und Rauch. Letztendlich paßt der Name aber auch ganz gut zum Inhalt: Einfach die pure Frucht.

Tim Eckhorst: Und fruchtbare Zusammenarbeit und so.

Volker Sponholz: Wir bekommen auch gelegentlich ehrlich böse Mails, die den sinkenden Fruchtfleischgehalt unserer Produkte bemängeln. «Früher war mehr Orange», etc.

COMIC!: Und wann und wie kam dann die Idee auf, ein Comic-Magazin herauszugeben?

Tim Eckhorst: Zum Kollektiv sind wir eigentlich erst dadurch geworden, weil wir gemeinsam ein Heft gemacht haben. Ohne einen so konkreten Grund wäre das wohl nicht passiert. Und daß wir dann gleich zu einem halbjährlichen Erscheinungsrhythmus gefunden haben, lag auch nur daran, daß sechs Monate nach dem Gratis Comic Tag 2011 in Kiel ein «Monat des Comic» stattfand. Den haben wir dann zum Anlaß für Pure Fruit 2 genommen.

COMIC!: Wie nehmt ihr die Entwicklung des Magazins rückwirkend wahr? Würdet ihr was anders machen?

Franziska Ludwig: PURE FRUIT kam recht ausbaufähig zur Welt. Aber gut Ding will Weile haben. Wichtig war, es wirklich zu tun, statt nur davon zu reden. Nach und nach perfektionierten wir das Heft und all die Arbeitsabläufe, die dazu gehören. Konzeptionelle Überlegungen wie ein Farbkonzept sind uns bei der ersten Ausgabe gar nicht in den Sinn gekommen.
Wir selber mußten uns zudem erst als Kollektiv finden und kennenlernen. Es gab anfänglich sogar Diskussionen um Seitenzahlen und Inhaltsverzeichnis! Manche Neuerung wurde hart erkämpft. Andere einstimmig beschlossen. Aber ohnehin ist jede neue Ausgabe wieder eine neue Herausforderung. Ich glaube, daß es genau so richtig war, wie wir es gemacht haben

COMIC!: Das Magazin ist kostenlos und soll keinen Profit abwerfen. Habt ihr jemals erwogen, es kommerziell zu nutzen? Oder würde das den Sinn total zunichte machen?

Volker Sponholz: In erster Linie hat es pragmatische Gründe: Ein Gratismagazin erspart einem auf vielen Ebenen Arbeit und ermöglicht eine größere Verbreitung. Es muß niemand abrechnen, keine Steuerdiskussionen, keine Verteilstelle muß für uns noch Geld einsammeln, wir legen einfach ’nen Stapel hin und fertig. Auch wenn viele meinen, bei der Wertigkeit des Heftes dürfe es gern zwei oder drei Euro kosten – vieles würde dann einfach nicht mehr funktionieren. PURE FRUIT soll auf WG-Toiletten liegen und hundertmal gelesen werden und nicht eingeschweißt bei Sammlern in lichtdichten Kästen schlummern.

COMIC!: Wie legt ihr euch auf das Thema der jeweiligen Ausgabe fest?

Gregor Hinz: Am Anfang hatten wir noch keine Themen in unserem Heft, aber schnell ist es uns aufgegangen, daß Themen unser Heft zusammenhalten können, neben anderen graphischen Möglichkeiten. Anfangs haben wir dann zu den erstbesten Themen gegriffen, die irgendwie naheliegend waren oder sich angeboten hatten: Musik, Sinn des Lebens ... Seit unser Comickochbuch inhaltlich so ein Erfolg war, machen wir uns wesentlich mehr Gedanken zum Thema. Wir schauen auf die Politik oder in unserem näheren Umfeld, was so passiert und uns tangiert. Zusammen und ganz demokratisch entscheiden wir dann aus einer Sammlung, was es für ein Thema wird.

COMIC!: Ihr wechselt zwischen Hoch- und Querformat – wieso?

Gregor Hinz: Es gibt verschiedene Lager in der PURE- FRUIT-Redaktion, und Hoch- oder Querformat wird schwer diskutiert, aber unsere Erfahrungen zeigen, daß beide Formate gut funktionieren und es schön ist, zu variieren. Mittlerweile können wir ganz gut abschätzen, welches Thema welches Format braucht. Eine Regelmäßigkeit gibt es aber nicht.

COMIC!: Eure Auflage hat sich ganz schön entwickelt...

Tim Eckhorst: Wir haben mit einer 2.500er Auflage angefangen, die wir in Kiel selbst verteilt haben. Zeitweise wurden wir auch von einem lokalen Vertrieb unterstützt. Jetzt sind wir bei einer Auflage von 10.000 Stück, die bundesweit zu ca. 50% über MSW Medienservice vertrieben werden. Den Rest verteilen wir nach wie vor selbst im Großraum Kiel. MSW müssen wir echt einen riesigen Dank aussprechen, weil wir den bundesweiten Vertrieb ohne die natürlich niemals hinbekommen würden.

COMIC!: Wie ist es, eine Ausgabe nach und nach wachsen zu sehen, die Beiträge zugeschickt zu bekommen? Gibt es da auch mal Sorgenfalten, Streß, oder ist da nach sieben Ausgaben genug Routine da?

Franziska Ludwig: Ich finde es sehr schön, mitzuverfolgen, wie sich unser Dokument Stück für Stück füllt, die mit Spannung erwarteten Beiträge eintrudeln und ihren Platz einnehmen, die Anzeigen so lange geschoben werden, bis sie sich an der richtigen Stelle befinden, und das Cover gelungen ist. Das Gefühl, daß es wieder ein feines Heft mit guten Beiträgen wird, stellt sich lange ein, bevor man die druckfrische Ausgabe in der Hand hält! Wir haben garantiert mehr Routine und ein besseres Zeitmanagement als bei den ersten Heften. Trotzdem ist es immer wieder etwas nervig, langsamen Zeichnern hinterherzutelefonieren, zu merken, daß wir einige Anzeigen mehr gebrauchen könnten oder daß einem selbst am Ende die Zeit für den eigenen Beitrag knapp wird. Wir haben es bis heute z. B. nicht wirklich geschafft, unsere eigenen Beiträge in der Entwurfsphase gebührend zu besprechen.

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