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COMIC!-JAHRBUCH 2015

Bester Independent Comic:
«Lescheks Flug» von Sebastian Stamm

Interview von Christian Endres

Sebastian Stamm studierte Animation und Illustration in Kassel und machte seinen Abschluß in Visueller Kommunikation. Heute arbeitet er hauptsächlich in der Independent-Games-Branche, wofür er seit 2011 mit diversen Preisen ausgezeichnet wurde. Darüber hinaus ist Stamm Mitbegründer der deutschen Indie-Game-Schmiede Black Pants Studio, wo er als Creative Director und Geschäftsführer fungiert. Zu seinen Klienten zählen Arte, Eon, Volkswagen und an-dere, während seine künstlerischen Arbeiten z. B. in San Francisco, London, Luzern und Lissabon ausgestellt wurden. Derzeit lebt der gebürtige Oberfranke in Berlin, wo er sich inzwischen gut eingelebt und ein paar stille Ecken gefunden hat.
In seinem Science-Fiction-Comic «Lescheks Flug», nach diversen Kurzgeschichten seine erste längere Comic-Veröffentlichung als Autor und Zeichner, erzählt Stamm die Geschichte des Fabrik-Roboters Leschek, der ein Raumschiff erbt und darin die Chance sieht, der Schufterei auf dem freudlosen Industrie-Planeten Neulins zu entkommen. Dafür verbündet Leschek sich mit dem menschlichen Piloten Faarman und nimmt einige Risiken in Kauf. Der interessante Strich und die atmosphärische Kolorierung sind dabei nicht die einzigen Stärke des SF-Abenteuers, das auf seinen 120 Seiten mit einigen unverbrauchten Ideen glänzt und daher mehr als verdient mit dem ICOM-Preis als bester Independent Comic des Jahres ausgezeichnet wurde.
Im Interview spricht Sebastian Stamm über seine kreativen Betätigungsfelder zwischen Panels und Pixeln, seine frühe Prägung in Sachen Science Fiction und die mögliche Fortsetzung seines preisgekrönten Debüts auf der Comic-Langstrecke.


COMIC!: Hallo Sebastian. Wie entstand die kreative Polung aus Videogames und Comics in deinem Leben?

Sebastian Stamm: Videospiele und Comics habe ich in meiner Kindheit und Jugend verschlungen. Über meinen Cousin, von dem ich damals einen C64 erbte, kam ich das erste Mal mit Videospielen in Berührung. Ich glaube, mein erstes Spiel war «Hot Wheels» auf dem Commodore, der Urvater von «GTA», bei dem man mit einem Matchbox-Auto durch die Stadt fahren konnte und diverse Minigames erfüllen mußte (guter Soundtrack, nach wie vor). Später hatten wir dann einen 486er im Haus, auf dem ich vor allem Adventures und Jump’n’ Runs gespielt habe. Im Grunde genommen spielte ich dann alles, was ich in die Finger bekam: «Day of the Tentacle», «Jack Jazz Rabbit» und «Monkey Island» waren und sind nach wie vor meine großen Favoriten.
Comics habe ich schon immer viel und passioniert gelesen. Angefangen hat das mit «Lurchi»-Heften, «Asterix» und «Tim und Struppi», danach dann Superhelden und relativ früh auch Indie-Comics. «Scud: Tales from the Vending Machine» von Rob Schrab hat mich damals sehr beeindruckt und darin bestärkt, auch selbst Comics machen zu wollen!
Während meines Studiums schlief mein Interesse an Spielen für einige Jahre ein. Zufällig traf ich dann gegen Ende des Studiums meine jetzigen Kollegen vom Black Pants Studio, durch die ich einen frischen Blickwinkel auf Videospiele bekam. Mittlerweile ist mein Interesse am Videospiel größer denn je.
Beide Medien unterscheiden sich in einigen Punkten stark, haben aber auch viele Schnittmengen. Am meisten interessiert mich, was man von dem einen Medium in das andere übertragen kann. Wie man beim Comicmachen vom Videospiel lernen kann und umgekehrt. Mein Schwerpunkt liegt dabei im Moment nach wie vor auf Narration und einer gezeichneten Stilistik. Da gibt es jedenfalls noch viel zu erforschen.

COMIC!: Wie mutig muß man sein oder mit wieviel Existenzangst muß man zwischendurch vielleicht sogar kämpfen, wenn man in Deutschland sein Geld mit Indie-Videogames und -Comics verdient?

Sebastian Stamm: Ich muß gestehen, daß ich mein Studium recht naiv begonnen habe und mir die ganze Problematik der Existenzangst noch gar nicht bewußt war. Man realisiert dann aber relativ schnell, daß das Arbeiten in beiden Bereichen hart ist, es sehr viele talentierte Leute gibt und man viel Durchhaltevermögen braucht.
Als reiner Comiczeichner sein Geld im deutschsprachigen Raum zu verdienen, ist meiner Erfahrung nach sehr hart. Vor allem als Autor und Zeichner in einer Person. Die meisten meiner deutschen Kollegen arbeiten hauptsächlich als Illustratoren und machen nebenher Comics.
Die Chancen, seinen Lebensunterhalt mit Indie-Videogames zu bestreiten, sind in den letzten zehn Jahren stark gestiegen. Gründe hierfür sind zum einen die immer besser werdenden technischen Möglichkeiten, und zum anderen das Internet und die damit verbundenen Vertriebsmöglichkeiten. Heute kann ein kleines Team ein Spiel herstellen und dieses in Eigenregie ohne Verleger digital über das Netz vertreiben. Außerdem steigt, wenngleich es sich immer noch um einen Nischenmarkt handelt, die Nachfrage nach innovativen Spielinhalten.
Ich glaube, egal in welchem Medium man sich herumtreibt, ist das Schwierigste das Durchhalten am Anfang der Selbständigkeit. Bis man einen Kundenkreis, erste Aufträge und Strukturen aufgebaut hat, können ein paar Jahre vergehen.

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