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COMIC!-JAHRBUCH 2015

Wie ein Phoenix aus der Asche
Zum Gedenken an Marc Schnackers, den Gründer von Finix Comics

von Oliver-Frank Hornig

Just dieser Tage jährt sich der Beginn des Vereins und Verlages Finix zum siebten Male, wenngleich man die Entstehung des Vereins nicht auf einen genauen Tag festlegen kann. Die offizielle Gründung natürlich schon, diese erfolgte beim Amtsgericht Limburg am 7. November 2007. Fest steht jedoch, daß der Finix auf immer mit der Person Marc Schnackers verbunden ist.

Die formale Gründung eines Vereins und Verlages ist eine Sache, die Idee und die Menschen dahinter jedoch eine ganz andere. Worum ging es also? Dazu muß ich vielleicht ein wenig ausholen.
Jeder Comicfan ist gewiß schon mehrfach damit konfrontiert worden, daß eine geliebte Serie nicht fortgesetzt bzw. abgebrochen wurde. Gründe, warum einzelne Titel oder gar ganze Programmsegmente abgebrochen werden, gibt es viele. Unrentabilität ist ein wichtiger Faktor, aber auch der Konkurs des Verlags kann eine Rolle spielen, ferner die Neuausrichtung des Programms durch einen Wechsel in der Chefredaktion. Mitunter liegt es auch am Künstler selbst, der sich aus persönlichen oder ganz pragmatischen Gründen dazu entschließt, eine Serie nicht fortzuführen. Dieses Phänomen ist gewiß kein comicspezifisches, wurde aber mit einer jährlich wachsenden Anzahl solcher Publikationen seit den 80er Jahren zu einem immer größeren Thema, zumal der Comicmarkt in Teilen immer auch ein Sammlermarkt war. Mit dem Aufkommen des Internets eröffneten sich dann für den Fan ganz neue Möglichkeiten, nicht zuletzt durch die Entstehung von Online-Communitys wie etwa dem Comicforum oder dem Comicguide. Diese Plattformen ermöglichten erstmals einen Informations- und Gedankenaustausch, den es für Leser und Fans auf so breiter Basis bislang nicht gegeben hatte.
Ich erwähne das, weil mit dem Internet ein Instrumentarium geschaffen wurde, ohne daß sich das Konzept Finix nie hätte entwickeln können.
Der Name Finix leitet sich im übrigen aus dem oben genannten Kontext ab. Der auch im Vereinslogo abgebildete Phoenix steht sinnbildlich für den Aufstieg eines Verlages aus den «Trümmern» frankobelgischer Comicpublikationen in Deutschland und der Beendigung derselben, welcher sich am Namensbeginn widerspiegelt.
Neben all den vielfältigen Themen, die die Comicleserschaft über Jahre hinweg in den Communitys anregend diskutierte, war die Thematik abgebrochener Serien von Anfang an ein wesentlicher Aspekt leidenschaftlicher Debatten und führte oftmals auch zu viel schlechter Laune beim Leser selbst. Dies nahm Marc Schnackers, zu dieser Zeit als User schon seit Jahren im Comicforum sehr aktiv, zum Anlaß, sich dieses Mißstandes anzunehmen und nach konkreten Lösungsansätzen zu suchen. Vorschläge zur Beendigung von Comicserien hatte es auch zuvor schon gegeben, doch er war es, der das Problem endlich anpackte und mit seinem persönlichen Engagement im Sommer 2007 konkrete Fakten schuf.
Zunächst war Marc virtuell unterwegs, als er für sein Projekt (Verein und Verlag, die auf Investoreneinlagen der Mitglieder ruhen) warb und dafür in relativ kurzer Zeit viele Mitstreiter fand. Dann inhaltlich, indem er, gemeinsam mit anderen Interessierten, die «ideologischen» Kernpunkte des Vereins festlegte, u. a. das ökonomische Solidarprinzip, die ausschließliche Ausrichtung auf frankobelgische Comics, sowie die demokratische Mitbestimmung aller Mitglieder bei der Titelauswahl. Und schließlich die reale Umsetzung, also Vereinsgründung, Gewerbeanmeldung und – ganz wichtig in diesem Zusammenhang – das Netzwerken.
Das Solidarprinzip beruht darauf, daß die Mitglieder des Vereins eine Investition von 100 € leisten. Im Gegenzug erhält jeder «Investor» zehn Freialben. Diese Freialben können allerdings nicht frei ausgewählt werden, sondern müssen fortlaufend in der Reihenfolge ihrer Veröffentlichung bezogen werden. Auf diese Weise wird gewährleistet, daß alle Investoren sich zu gleichen Teilen an allen Titeln, die der Verlag veröffentlicht, finanziell beteiligen. Liegt der Verkaufspreis eines Albums über 20 €, werden zwei Freialben verrechnet. Darüber hinaus zahlt jedes Vereinsmitglied einen Jahresbeitrag von 20 €, mit dem die Vereins- und Versandkosten bezahlt werden. Ferner greift der Solidargedanke auch im Produktionsteam selbst, da man weitestgehend auf eine Entlohung verzichtet. Lediglich die Übersetzer erhalten eine kleine Aufwandsentschädigung.
Die Titelauswahl erfolgt basisdemokratisch. Jedes Jahr können die Mitglieder je zehn Wunschtitel nennen, die es ihrer Meinung nach verdient hätten veröffentlicht zu werden. Dieses Jahresranking ist dann Grundlage des Verlagsprogramms.
Schon zu Beginn war Marc klar, daß der Verlag, sollte er dauerhaft bestehen, professionelle Unterstützung benötigte, die er als «Artfremder» – er arbeitete hauptberuflich in der IT-Branche – nicht allein stemmen konnte. Nach einigen Anläufen kam schließlich der Kontakt zu Horst Gotta zustande, selbst seit Jahren als Zeichner und Verleger (SPLITTER) im Comicbusineß zuhause, mit dem er inhaltlich, vor allem aber auch persönlich, gleich auf einer Wellenlänge lag. Von Anfang an profitierte der neugegründete Verlag so von Synergieeffekten, die sich aus dieser Zusammenarbeit ergaben. Neben Gottas Know-How die Comicproduktion betreffend, waren dies vor allem wichtige Kontakte zu Druckereien, dem Großhandel, aber auch zu Lizenzgebern in Frankreich und Belgien. Marc gelang es, sich innerhalb nur eines halben Jahres komplett in die Verlagsarbeit einzuarbeiten. Dies ist nicht hoch genug zu bewerten, erfolgte sein Engagement doch ausschließlich ehrenamtlich, buchstäblich nach Feierabend. Als glücklicher Umstand zeigte es sich, daß einige Finix-Mitglieder der ersten Stunde ebenfalls über wichtiges und sehr professionelles Können verfügten, das es brauchte, um ein verläßliches und qualitativ hochwertiges Verlagsprogramm herauszubringen. So waren bereits im Juni 2008 zwei komplette Alben produziert, die wir auf dem «Comic-Salon Erlangen» präsentieren konnten. Das Produktionsteam (Übersetzer, Letterer, Layouter und Lektoren) umfaßt heute etwa 12–15 Personen, die allesamt ehrenamtlich für den Verein tätig sind.
Gleich die erste Serie des Programms, «Die Pioniere der Neuen Welt», wurde finanziell ein voller Erfolg, sodaß innerhalb des Vereins schnell Einigkeit darüber bestand, das Verlagsmodell nicht nur weiterzuführen, sondern noch auszubauen. Marc und Horst waren dabei durchaus zwei Gegenpole, die sich mit der Zeit freilich sehr gut ergänzen sollten. Wollte Marc den Verlag in Ruhe wachsen lassen, auch um die ehrenamtlichen Mitglieder nicht über Gebühr zu belasten, strebte Horst sehr schnell eine Ausweitung des Albenprogramms an. So kam es, daß der Verlag schon Ende 2009 auf ein fast monatliches Erscheinen seiner Alben umstellte, ein Titelausstoß, der allen Mitgliedern (außer Horst) zwei Jahre zuvor noch vollkommen utopisch erschienen war. Marc stimmte übrigens erst dann der Programmausweitung zu, als absehbar war, daß das Produktionsteam willens und in der Lage war, dieses Pensum durchzuhalten und sich durch den kontinuierlichen Beitritt neuer Investoren eine solide finanzielle Basis des Verlages abzeichnete.

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