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COMIC!-JAHRBUCH 2015

Museum für Comic und Sprachkunst
Das Erika-Fuchs-Haus in Schwarzenbach
Interview mit Dr. Alexandra Hentschel

von Burkhard Ihme

Alexandra Hentschel hat in Göttingen, Paris und Hamburg Kulturwissenschaften und Museumsmanagement studiert. Promoviert hat sie in Berlin über das Thema «Freiwillige Mitarbeit in Museen». Zuletzt arbeitete sie als freie Mitarbeiterin im Kindermuseum «Klick» in Hamburg und hatte einen Lehrauftrag für Museumsmanagement/Museumskunde an der Universität in Hamburg. Seit Februar 2013 leitet sie das «Erika-Fuchs-Haus» in Schwarzenbach, das am 7. Dezember 2014 eröffnet wird.

COMIC!: Wann entstand die Idee für ein Erika-Fuchs-Museum in Schwarzenbach und wie konnte sie realisiert werden? Woher stammt das Kapital der Erika-Fuchs-Stiftung, und welchen Anteil der Kosten kann sie tragen?

Alexandra Hentschel: Schwarzenbach an der Saale ist ja der logische Ort für dieses Museum, da Erika Fuchs fünfzig Jahre lang hier gewohnt hat und auch von hier aus übersetzt hat. Die Idee für ein Museum entstand 2006 bei einem Treffen zwischen dem Sammler und Donaldisten Gerhard Severin, der ca. 3.000 Figurinen und noch mehr Druckwerke besitzt, und dem damaligen Bürgermeister von Schwarzenbach Alexander Eberl. Die erste Überlegung war, einfach diese Sammlung in Schwarzenbach auszustellen. Doch bald wurde klar, daß das nicht für ein dauerhaftes Museum ausreicht. So wurde die Berliner Ausstellungsagentur m.o.l.i.t.o.r. beauftragt, ein tragfähiges Konzept zu entwickeln. Dieses Konzept diente dann als Grundlage für einen Architekturwettbewerb für den Museumsbau.
Die Investitionskosten für das Museum betragen ca. 4,8 Mio. Euro. Davon bringt die Stadt etwa 10 % auf, für den Rest konnte eine Förderung aus Drittmitteln gewonnen werden. Der größte Teil stammt aus dem Bund-Länder-Städtebauförderungsprogramm Stadtumbau West, hohe Förderung kommt zudem von der Oberfran-kenstiftung und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER). Weitere Förderer sind die Bayerische Landesstiftung, der Kulturfonds Bayern, die Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern sowie die Sparkassenstiftung.
Träger des Museums ist die Stadt Schwarzenbach an der Saale. Die Erika-Fuchs-Stiftung wurde zur Unterstützung des Museums gegründet. Ihr Kapital speist sich in erster Linie aus den Beiträgen des Förderkreises, dem Klub der M.I.L.L.I.A.R.D.Ä.R.E (Menschen in lauterer lebenserfahrener interaktiver angenehmer Runde, donaldische Ästhetik rigoros einfordernd). Für 3,13 € (ermäßigt 1,00 €) im Monat kann jeder dort Mitglied werden. Derzeit sind es ungefähr 250 Mitglieder. Hinzu kommen Spenden an die Stiftung, die aber bislang keinen großen Betrag ausmachen.

COMIC!: «Klub der M.I.L.L.I.A.R.D.Ä.R.E» läßt eine große Nähe zur D.O.N.A.L.D. (Deutsche Organisation der nichtkommerziellen Anhänger des lauteren Donaldismus) vermuten (und liest sich schon fast geschmeidig im Vergleich zur Stuttgarter Tafelrunde Umtriebiger Turnusgemäß Tagender Großspuriger Anhänger Radikaler Traditioneller Entenhausener Rituale). Wie groß ist deren Einfluß?

Alexandra Hentschel: Der Förderkreis wurde von «Museumsvater» Gerhard Severin ins Leben gerufen und von ihm in donaldistischer Tradition benamst. Unter den Mitgliedern sind auch zahlreiche Donaldisten. Fast die Hälfte der Mitglieder sind jedoch Einwohner von Schwarzenbach und der Region, die einfach das Museum unterstützen wollen. Einen Einfluß der D.O.N.A.L.D. als Organisation gibt es nicht. Aber natürlich greifen wir seit Beginn der Konzeption und jetzt in der Ausführung und in Details immer wieder dankbar auf deren umfangreiches Wissen zurück in allen Dingen, die Entenhausen betreffen. Eine kurze Anfrage erspart drei Wochen Recherche. Das ist wirklich phantastisch.

COMIC!: Der offizielle Name ist «Erika-Fuchs-Haus, Museum für Comic und Sprachkunst». In welcher Form soll die Sprachkunst museal begleitet werden? Und wessen Sprachkunst? Die von Übersetzern, von Autoren wie Robert Gernhardt und Nicolas Mahler oder auch die von Künstlern wie Günter Grass oder gar Georg Kreisler und Judith Holofernes (in jungen Jahren auch Comicübersetzerin)?

Alexandra Hentschel: Der Name des Museums war Gegenstand langer und emotionaler Debatten. «Erika-Fuchs-Haus | Museum für Comic und Sprachkunst» war letztlich der Vorschlag eines Milliardärs und fand bei Förderern, Beratern und Stadt gleichermaßen Anklang. Der Bestandteil «Sprachkunst» bezieht sich zunächst und in erster Linie auf die Arbeit von Dr. Fuchs, die ja eben nicht Comics gezeichnet, sondern übersetzt hat. Das unterscheidet unser Museum ja auch von anderen Comicmuseen. Gleichzeitig eröffnet der Name natürlich ein Spektrum von Möglichkeiten für die Zukunft.

COMIC!: Und gibt es dazu schon konkrete Überlegungen?

Alexandra Hentschel: Konkret bislang noch nicht. Derzeit richten sich alle Kräfte auf die Eröffnung.

COMIC!: Wie ist das Museum ausgestattet? Wie sind die Räumlichkeiten, wie die Exponate beschaffen?

Alexandra Hentschel: Die Dauerausstellung ist als Rundgang konzipiert. Dieser beginnt mit einer Einführung in die Geschichte des Comics in Form eines sechsminütigen animierten Films, um auch die Besucher abzuholen, die sich mit Comics bislang wenig beschäftigt haben. Von dieser allgemeinen Einführung geht es in die Comicwelt, die Erika Fuchs geprägt hat. Auf 130 qm entsteht ein begehbares Entenhausen mit Geldspeicher, Düsentriebs Werkstatt und Oma Ducks Bauernhof.
Hier sieht man zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Donaldisten. Der Stadtplan von Entenhausen, den Jürgen Wollina in 13jähriger Kleinstarbeit zusammengestellt hat, ist als interaktives Exponat wiedergegeben, an dem man Informationen zu einzelnen Orten und Gebäuden abrufen kann. Über Videointerviews geben sechs Donaldisten Einblicke in ihre Forschungsfelder. Der Besucher steht also mitten in Entenhausen und erhält quasi vor Ort wissenschaftliche Analysen seiner Umgebung.
Der mittlere Raum zeigt das Leben von Erika Fuchs als raumhohen Comic, gestaltet von Simon Schwartz. Anschließend geht es um ihre eigentliche Arbeit und ihre Sprachkunst. An zahlreichen interaktiven Stationen können Besucher typische Merkmale der Fuchs’schen Übersetzung erfahren, wie Lautmalereien, Zitate, Alliterationen oder die spezifischen Sprachcharaktere der einzelnen Enten. Originale wie handschriftlich korrigierte Manuskripte oder die Morenhovener Lupe1 geben einen authentischen Eindruck ihrer Arbeit. Im vorletzten Raum erweisen renommierte deutschsprachige Comickünstler wie Reinhard Kleist und Ulli Lust Erika Fuchs ihre Reverenz, indem sie einen Satz von ihr nehmen und diesen in ihre eigene Comicwelt integrieren. Den Abschluß des Rundgangs bildet eine Bibliothek. Hier kann man die Eindrücke aus der Ausstellung vertiefen, sich neue Anregungen holen oder auch nur entspannt schmökern.
Natürlich sind auch die Figuren der Sammlung Severin zu sehen. Vor dem Eingang zur Dauerausstellung haben wir eine vier Meter breite Vitrine eingebaut, so daß die Sammlung immer wieder in neuen Aspekten gezeigt werden kann.

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