Lektüre
 Independent Comic Shop   ICOM-Publikationen   Kostenlos   Fachmagazine   Sekundärliteratur 
Das COMIC!-Jahrbuch | Das ICOM!-Handbuch | Der ICOM!-Ratgeber
FILMRISS | Das verbandseigene Fachmagazin
COMIC!-JAHRBUCH 2014

Menschen bleiben Menschen
Ein Interview mit dem Karikaturisten und Cartoonisten Phil Hubbe


Von Carmen Jonas


COMIC!: Welches Gefühl war es für dich, als du 1992 festgestellt hast, daß du mit Zeichnen deinen Lebensunterhalt verdienen kannst?

Phil Hubbe: Als ich 1992 mit der Zeichnerei begann, konnte ich damit noch nicht meinen Lebensunterhalt verdienen. Meine Frau arbeitete zum Glück damals im Öffentlichen Dienst. Das war eine Sicherheit. und ich konnte so in Ruhe anfangen, meine Zeichnungen irgendwo unterzubringen und versuchen, fleißig Kontakte zu knüpfen. Es war aber schon ein schönes Gefühl, endlich das zu machen, was man ja so ungefähr schon immer machen wollte.

COMIC!: Womit hast du den Durchbruch geschafft?

Phil Hubbe: Durchbruch klingt ein bißchen groß. 1993 veröffentlichte der Spiegel eine Karikatur von mir (Zweitverwertung). Da dachte ich mir, jetzt kannst du dich Karikaturist nennen. Ansonsten gab es aber immer wieder kleine Ereignisse oder Sachen, bei denen ich mir immer wieder sagte, jetzt hast du es eigentlich geschafft.

COMIC!: Was gibt dir das Zeichnen außer der Miete und dem täglichen Brot?

Phil Hubbe: Viel Spaß und Freude. Es ist ja auch eigentlich mehr für mich als nur Arbeit. Ich habe aus meinem Hobby einen Beruf gemacht und kann dort auch noch meine Krankheit mit verarbeiten. Was will ich mehr. Das ist schon eine klasse Konstellation.

COMIC!: Wie hast du anfangs das Interesse für deine Karikaturen geweckt?

Phil Hubbe: Das war schon nicht ganz so einfach. Eigentlich wollte ich ja Comics zeichnen. Das war ja auch mein eigentlicher Traum gewesen. Aber um erst einmal Geld zu verdienen, um auf eigenen Beinen stehen zu können, zeichnete ich politische Karikaturen für die Tagespresse und machte Arbeiten für Werbeagenturen. Schickte die Bilder mehreren Tageszeitungen, sprach bei einigen Agenturen und auch Verlagen vor. Manchmal mit Erfolg, oft aber auch ohne. War schon ein etwas mühsamer Weg.

COMIC!: Welchem Sujet widmest du dich am liebsten?

Phil Hubbe: Am liebsten sind mir eigentlich meine "Behindertencartoons". Diesen würde ich gerne mehr Zeit widmen. Aber allein von diesen Sachen leben, dies ginge noch nicht. Dazu ist das Thema zu speziell. Auf der anderen Seite möchte ich aber auch nicht nur als der "Behindertenzeichner" gelten. Eine Sache, die ich noch besonders gerne mache, sind die Fußballkarikaturen für den KICKER. Das ist noch ein Thema, wo ich so schön meine Leidenschaft mit einbringen kann.

COMIC!: Warum wird MS, Multiple Sklerose, "Die Krankheit mit den 1.000 Gesichtern" genannt?

Phil Hubbe: Weil sie so viele unterschiedliche Verlaufsformen hat. Das geht von nur kleinsten Beeinträchtigungen bis hin zum Rollstuhl oder Bettlägerigkeit. Mir sieht man die Krankheit äußerlich ja auch nicht gleich an. Viele denken bei MS immer gleich an Rollstuhl. Da ist es mir dann auch schon öfters passiert, wenn ich zu Ausstellungseröffnungen gefahren bin, daß man mich vom Bahnhof mit einem Behindertentransporter abholen wollte. Genauso wurde auf Pressekonferenzen dann auch gesagt, "der Künstler, der selbst im Rollstuhl sitzt". Ich habe dies nirgendwo gesagt oder geschrieben. Auch gibt es keine Bilder von mir im Rollstuhl, aber die meisten setzen MS gleich mit Rollstuhl.

COMIC!: Hat die Diagnose, an MS erkrankt zu sein, deinen Ehrgeiz beim Zeichnen beflügelt?

Phil Hubbe: Im ersten Moment natürlich nicht. Da brach für mich im Gegenteil erst einmal alles zusammen. Hatte ich doch gerade erst ein Mathestudium abgebrochen um mich auf ein Graphikstudium vorzubereiten. Der Ehrgeiz kam erst bei mir auf, als ich merkte, daß die Einschränkungen, die ich hatte, mich beim Zeichnen eigentlich nicht wirklich störten. Dann rieten mir meine späteren Ärzte auch, ich solle ruhig weitermachen, so lange ich es noch kann. Dies ist bestimmt auch noch einer der Gründe, daß es mir so gut geht. Ich habe noch einen Job und eine Aufgabe. Habe noch etwas zu tun. Dies bricht bei vielen anderen Betroffenen weg. Sie fallen aus ihrem Beruf, sind aus dem öffentlichen Leben raus.

COMIC!: Warum hat dein früherer Arzt dir vom Zeichnen abgeraten?

Phil Hubbe: Es würde ja schon das kleinste Zittern ausreichen, und ich könnte dann keinen Stift mehr halten. Vom rein Rationalen her hatte er bestimmt nicht unrecht. Er meinte auch, ich solle doch wieder mit dem Mathematikstudium beginnen. Zum Glück waren meine nachbehandelnden Ärzte da etwas mitfühlender. Ein Jahr nach der Diagnose kam dann auch noch die Wende, und so taten sich mir ganz neue Möglichkeiten auf. Ich hatte ja keinen wirklichen Abschluß außer dem Abitur. Im Osten hätte ich ohne Beruf wenig machen können. Das war jetzt anders.

COMIC!: Kämpfst du gegen deine Krankheit oder versöhnst du dich mit ihr?

Phil Hubbe: Kämpfen klingt ein bißchen martialisch. Ich habe mich mit ihr arrangiert. Da ich sie ja nicht wirklich besiegen kann, bleibt mir auch kaum etwas andres übrig. Das ist ja das Blöde an der Krankheit. Sie ist nie vorbei und man weiß nicht, wie es in ein paar Jahren aussieht.

Auf den Geschmack gekommen?
Weiterlesen im COMIC!-Jahrbuch 2014
Links zum Artikel

Phil Hubbe
Übersicht der Linklisten
  Alle Jahrbücher
Comic Jahrbuch 2014
Comic Jahrbuch 2013
Comic Jahrbuch 2012
Comic Jahrbuch 2011
Comic Jahrbuch 2010
Comic Jahrbuch 2009
Comic Jahrbuch 2008
Comic Jahrbuch 2007
Comic Jahrbuch 2006
Comic Jahrbuch 2005
Comic Jahrbuch 2004
Comic Jahrbuch 2003
Comic Jahrbuch 2001
Comic Jahrbuch 2000
COMIC!-Jahrbuch 2014
Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2013
248Seiten, davon 26 redaktionelle Farbseiten
EUR 15,25
BESTELLEN