"Das Millerntor hat mein Leben komplett umgekrempelt"
Interview mit Guido Schröter
Von Bardo Faust
Für Guido Schröter gibt es nur einen Fußballclub: den FC St. Pauli. Als lebenslanger Dauerkartenbesitzer liebt und lebt er den Mythos St. Pauli, der nach seiner Aussage einzig und allein durch die Fans am Leben erhalten wird, die Werte vertreten, die seit den 80ern mit dem Verein verbunden werden: Toleranz, Solidarität mit Benachteiligten, gegen Rechts, gegen Homophobie, gegen Rassismus und jedwede Diskriminierungen. Am Millerntor liegen auch seine Wurzeln als Fußballcomicschreiber. Und das macht er mit großer Leidenschaft DIE Voraussetzung für den Hamburger, um gute Arbeit abzuliefern. Was dazu gehört: "Ich lese jeden Tag über Fußball. Gucke fleißig Sportschau und Sky", sagt er dem COMIC!-Jahrbuch. Und die Besuche am Millerntor sind die größte Inspiration für ihn.
COMIC!: Herr Schröter, wie kommt man aus der Gegengerade am Hamburger Millerntor zum Comiczeichner?
Guido Schröter: Ausgang, links übers Heiligengeistfeld, unterm Fernsehturm durch und schon ist man da.
COMIC!: Okay, anders gefragt; Traumberuf? Oder Zufallstalententdeckung?
Guido Schröter: Wenn die Inspiration da ist, Traumberuf. Wenn nicht, Knochenmühle. Zufallsentdeckung? Tja, meinen ersten Comic habe ich mit 13 gezeichnet. Eine Agentengeschichte. Und dann war ich viele, viele Jahre später zum ersten Mal am Millerntor. Ein Null zu Null gegen Karlsruhe. Und da war es um mich geschehen. Ich hielt die Nullnummer des Millerntor Roars in der Hand und wußte: Da will ich mitmachen! Seitdem ist kein Fußballcomic von mir unveröffentlicht geblieben.
COMIC!: Ihre Agentengeschichten: Gibt’s die noch?
Guido Schröter: Ja, die gibt es noch. Fein säuberlich zwischen zwei Pappdeckeln abgeheftet. Drei oder vier Geschichten. Ein Schatz für die Nachwelt ...
COMIC!: Haben Sie noch irgendeine Ausbildung genossen? Oder arbeiten Sie von Anfang an aus dem Bauch raus oder besser gesagt: der Hand?
Guido Schröter: Ja, Diplom-Kaufmann, aber die meinen Sie wohl nicht. Nein, ich bin Autodidakt.
COMIC!: Na gut, zurück zum Fußball: Haben Sie selbst schon mal gegen einen Ball getreten?
Guido Schröter: Seit Jahren nur noch freizeitmäßig in einer allwöchentlichen Kickrunde. Und bei den jährlichen St. Pauli-Fanclub-Turnieren mit bis zu 60 Mannschaften. 2005 gewannen die "Arroganten Arschlöcher" den Pokal.
COMIC!: Ein Bayern Fanclub?
Guido Schröter: Ääh, nein, ein St.-Pauli-Fanclub, wie schon erwähnt. Oder fragen Sie wegen des Namens?
COMIC!: Eben. Der Name könnte da durchaus Programm sein. Welche Position spielen Sie, wenn Sie spielen?
Guido Schröter: Wo der Trainer mich hinstellt.
COMIC!: Waren Sie als Kind bei der Teamwahl eher der erste? Oder der letzte?
Guido Schröter: Der erste war ich nie, aber gleich danach kam ich!!
COMIC!: Und welche Bedeutung hatten Comics in Ihrer Kindheit für Sie?
Guido Schröter: Ich habe immer sehr gerne Comics gelesen. Vor allem Donald Duck, Asterix, Lucky Luke. Später Brösel, Walter Moers, Ralf König, Edika. Aber da war ich wohl kein Kind mehr.
COMIC!: Wann hielten Sie den ersten Fußballcomic in Ihren Händen?
Guido Schröter: Keine Ahnung. 1994? "Voll drauf" (von mir, bei Eichborn)? Echt, keine Ahnung.
COMIC!: Wann begann Ihr Sozialisation als Fußballfan?
Guido Schröter: Meine früheste Fußballerinnerung ist das Tor von Gerd Müller gegen die Niederlande im WM-Finale 1974. Mein erster Besuch eines Bundesligaspiels war St. Pauli gegen Kaiserslautern im Jahr 1977 und blieb ohne Folgen. Dann wurde ich aus unerfindlichen Gründen VfB-Stuttgart-Fan und blieb dies bis Karl Allgöwer aufhörte.
Meine eigentliche Fußballsozialisation begann 1989 am Millerntor. Aber diese Sozialisation war allumfassend. Sie krempelte mein Leben komplett um. Aus dem Jungen aus der Vorstadt wurde dieser verdammt coole Comiczeichner. Oder so was. Vielleicht wurde ich auch einfach nur erwachsen.
COMIC!: Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Stadionbesuch?
Guido Schröter: Mein erster wirklich aufregender Stadionbesuch war 1982 beim Pokalspiel Bergedorf 85 gegen den FC Bayern München an den Sander Tannen in Hamburg-Bergedorf. Bis zur 89. Minute führte Bergedorf 1:0 gegen Rummenigge, Breitner und Co. Und dann kam Dieter Hoeneß’ Schädel.
COMIC!: Wie ging’s denn aus?
Guido Schröter: Ich google jetzt nicht, 4:1 für die Bayern würde ich sagen.