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COMIC!-JAHRBUCH 2013

Herausragendes Artwork:
David Füleki


Von Michel Decomain


COMIC!: Zuerst noch einmal herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung für das beste Artwork!

David Füleki: Danke schön! Gern geschehen!

COMIC!: Die Jury hat ja keinen bestimmten Titel explizit in der Laudatio genannt, sondern den Preis quasi deinem gegenwärtigen Gesamtwerk gewidmet. Es wird auch schnell klar, wieso: Kaum ein deutscher Zeichner hat eine derart umfangreiche und vor allem weitgestreute Werkliste wie du. Deine Veröffentlichungen reichen von selbstgedrucken Doujinshi zu Anthologiebeiträgen über Werke für Klein- und Großverlage bis hin zu Auftragsarbeiten für deine Unizeitung tuchfühlung oder das SPD-Parteimagazin vorwärts. Wie kommt diese große Bandbreite zustande?

David Füleki: Das läuft eigentlich immer gleich: Jemand kommt und fragt: «Hey, Def. Haste nicht mal Bock, hier und da mitzumachen?» Und ich kann ja nicht nein sagen ... Da arbeitet man jahrelang drauf hin, mal veröffentlicht zu werden, und wenn man da einmal ’n Fuß drin hat, hört’s gar nicht mehr auf! Ein Teufelskreis! Aber mittlerweile trau ich mich auch, ein bißchen auszusieben. Da muß ich teils sogar ganz coole Projekte absagen. Schon blöd. Und andere echt gute Zeichner wissen nicht, wie sie in so’n Buch reinkommen.

COMIC!: Wo liegt denn dabei dein Hauptinteresse? Eher im Independent-Bereich, bei Großverlagen oder in gut bezahlten Auftragsarbeiten?

David Füleki: Für meinen «künstlerischen» Flow ist es unabdingbar, alles bunt zu mischen. Tatsächlich steh ich in regelmäßigen Abständen vor solchen Fragen wie: «Steckste jetz’ den Comickram biß’l zurück und verdienst erst mal biß’l Geld mit Auftragsarbeiten, verkaufst dafür aber deine Seele?» Oder: «Ziehste jetz’ komplett den Mainstream-Kram durch? Aber wenn ja, was wird dann aus deinen Indie-Fans?» Wenn ich nur eins davon mach, fühl ich mich schmutzig und nackt. Neben all den großauflagigen Sachen muß daher immer noch biß’l Raum für ’ne schnelle dreckige Trash-Nummer sein. Politik-Comics für 600.000 Leser hier, Porno-Heftchen unterm Ladentisch für ein Dutzend Leser da.

COMIC!: Mußtest du dich denn schon mal für Auftraggeber verbiegen, oder betrachtest du alle deine Werke als «echte Fülekis»?

David Füleki: Doch, doch, verbiegen mußte dich fast immer. Kommt nur drauf an, wie sehr.

COMIC!: Hast du da Beispiele?

David Füleki: Also meine allerallererste Auftragsarbeit, die so richtig über Steuererklärung lief mit allem Drum und Dran, war für ’nen seelenlosen Haufen Schlipsträger, die überhaupt nicht wußten, wer oder was ich bin. Da war ich nur der Automat mit dem Münzschlitz, in den man biß’l Geld reinwirft, damit er funktioniert. Schön die Fresse halten, war da angesagt. Aber wenn du einmal ’nen gewissen Standpunkt gefestigt hast, dann kommste mit deinem eigenen Stil und deinen kleinen Zusatzideen auch recht weit. Mittlerweile kommt’s zu Dialogen, und ich kann Projekte auch einflußreicher mitgestalten. Ach ja, eine meiner ersten Auftragsarbeiten war ein Geburtstagsdildo. Das hatte aber nix mit den Schlipsträgern zu tun. Denk ich mal …

COMIC!: Ob kommerzielle Auftragsarbeit oder Eigenproduktion – ich hab schon den Eindruck, daß deine Comics ein inhaltliches und stilistisches Gesamtwerk ergeben. Zu einem großen Teil liegt das ja an deinem Comic-Alter-ego Def, der in fast allen deinen Comics auftaucht, von den «Seitwärts»-Strips für den vorwärts, über deinen langlaufenden Webcomic «Studieren mit Rind» bis zur kultigen Independent-Serie «78 Tage auf der Straße des Hasses». Wie ist die Figur denn entstanden?

David Füleki: Uff! Das frag ich mich auch in so manch schlafloser Nacht. Auf alle Fälle kam der Comic-Def schon auf uralten Kritzel-Arbeitsblättern in der Schule vor (wie übrigens auch Entoman). Seinen/meinen ersten größeren Auftritt hatte er dann in dem Erlebnisbericht «Sä Ikskürsch’n tuh Ingländ», der ursprünglich am Schwarzen Brett meines Gymnasiums veröffentlicht wurde. Das war dann erstmals der RICHTIGE Comic-Def. Vorher gab’s schon immer mal andere Herangehensweisen, aber das Problem war schlichtweg, daß ich mich damals noch selbst zu cool gesehen hab. Die Figur funktionierte erst, als ich sie einer radikalen Vertrottelung unterzogen hab.

COMIC!: «Sä Ikskürsch’n», den man bei Animexx noch online einsehen kann, enthält ja schon recht viele Elemente, die du auch später immer wieder aufgegriffen hast. Wie wichtig ist denn dein gesammeltes Schulwerk für dein gegenwärtiges Schaffen?

David Füleki: Im Prinzip jage ich heute nur dem damaligen spontanen, weil unbefangenen kindlich-naiven Genie hinterher. Einige der Gags, die ich in meinen damaligen frühen Serien entwickelt hab – besser gesagt: hingerotzt hab – krieg ich so heute gar nicht mehr hin. Jetz’ versuch ich, die frühen Meilensteine einfach durch mehr Epik zu untermauern, und entwickle große story arcs und komplexe werkübergreifende Geschichten. Doch das von damals kommt so sicher nie zurück.

COMIC!: Comic-Def ist ja nicht der Hellste, wird in der Regel gnadenlos ausgenutzt und steckt regelmäßig Prügel ein. Wieviel steckt denn von dir selbst in der Figur?

David Füleki: Wie gesagt: Das is überspitzt, aber es fußt schon auf der Realität. Das mit dem Ausnutzenlassen is tatsächlich so ’ne Sache ... Meistens bin ich einfach zu freundlich und kann schlecht nein sagen. Im echten Leben taucht das Phänomen natürlich nur begrenzt auf. Die Dummheit bzw. Treudoofigkeit vom Comic-Def geht drauf zurück, daß ich schlichtweg keine Ambitionen hab, mich mit den ernsten Dingen des Alltags zu beschäftigen, z. B. war jetz’ mein Perso über neun Monate abgelaufen, und ich hatte keine Lust das zu klären. Die Herleitungen sind jetzt vielleicht schwer nachvollziehbar, aber so entstehen manchmal Figuren.

COMIC!: Du läßt Def in deinen Comics ja ziemlich leiden, hast ihn auch schon mehrmals recht grausam um die Ecke gebracht. Kanalisierst du da masochistische Selbstzerstörungsphantasien, oder was hat es damit auf sich?

David Füleki: Zum einen ist es eine metaphorische Überzeichnung meines teils selbstzerstörerischen Lebensstils, den ich auf vielen Ebenen pflege. Zum anderen geht es dabei einfach auch drum, die Macht des Autors bei der Gestaltung des eigenen Alter egos zu demystifizieren. Viele Zeichner (vor allem junge und unerfahrene) machen den Fehler, sich selbst zu souverän abzubilden. Schaut man sich aber mal an, was Kollegen wie der Mawil, der Johannes Kretzschmar oder das Frollein Burrini so mit ihren Comic-Ichs machen, merkt man auch, daß sie selbst ihr größter Feind sind, wenn man so will – und das macht einfach beim Lesen viel mehr Spaß. Und ich denk, daß sich echt viele Leute sehr drüber freuen, den Füleki mal so richtig schön leiden zu sehen.

COMIC!: In einer Ausgabe der Doujinshi-Anthologie «Shounen Go! Go!» läßt du Def von einer Zeichnerin brutal vermöbeln, weil er ihr angeblich eine ihrer Figuren geklaut hat. Verarbeitest du gerne reale Auseinandersetzungen in Comicform?

David Füleki: Auf jeden Fall. Das is auch meine Art, Tagebuch zu schreiben – sieht man ja heutzutage bei vielen Zeichnern. Dieses besondere Beispiel war aber auch der drollige Versuch, besagter Zeichnerin die Hand zu reichen und ihr zu zeigen: Hey, schau mal! Ich nehm dir die Arbeit ab! Zur Erklärung: Die junge Dame hat sich damals geärgert, daß ich mir eine ihrer Figuren in Ansätzen geborgt hatte. Allerdings gehörte das schlichtweg zum Prinzip von «Shounen Go! Go!», was sie wohl in den AGBs überlesen hatte.

Auf den Geschmack gekommen?
Weiterlesen im COMIC!-Jahrbuch 2013
Links zum Artikel

David Füleki auf Animexx
David Füleki auf mycomics.de
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