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COMIC!-JAHRBUCH 2013

Der ungewöhnliche Blickwinkel
Edition Alfons veröffentlicht das neue Sekundär-Magazin ALFONZ


Von Andreas Alt


Es war für die Edition Alfons ein bedeutender Schritt, als der Verlag beim diesjährigen Erlanger Comic Salon die erste Druckausgabe seines neuen Sekundär-Magazins Alfonz vorstellte. Verlagsgründer Volker Hamann macht schon seit fast 30 Jahren die Reddition, eine Zeitschrift, die in jeder Ausgabe nur ein oder zwei Themen, dafür in erschöpfender Materialfülle, abhandelt. Im vergangenen Jahr kam in Zusammenarbeit mit Matthias Hofmann das Jahrbuch «Comic Report» hinzu mit dem Anspruch, alle Branchenentwicklungen des Jahres aufzuarbeiten. Nun also Alfonz (84 Seiten, durchgehend vierfarbig, Coverpreis: 6,95 E; Viererabo: 25 E) mit einem offeneren Konzept und einem, gemessen an den anderen beiden Publikationen, raschen Erscheinungsrhythmus (vierteljährlich). Hofmann kennt so etwas freilich von Fanzine-Aktivitäten in der Science-Fiction-Szene, in der er früher aktiv war.

Klar ist auch, daß ein Verlag, der eine neue Zeitschrift startet, sie als nie dagewesen und vom Konzept her völlig anders als alle übrigen Comic-Publikationen anpreist. Matthias Hofmann sagt im Gespräch, er habe bei der Arbeit am «Comic Report» gemerkt, daß es in der Comicszene viele interessante Themen gibt, die niemand aufgreift. Deshalb seien er und Hamann auf die Idee gekommen, ein neues Magazin zu kreieren. Und er fügt nicht ohne Stolz hinzu: Als sie ihr Konzept den Comicverlagen vorgestellt hätten, habe es breiten Zuspruch gegeben.
Die Edition Alfons will Orientierung schaffen in der Menge der Comic-Neuerscheinungen. Die beiden Herausgeber sichten dafür sämtliche anstehenden Veröffentlichungen und weisen auf die nach ihrem Urteil wichtigsten hin, damit auch die Leser Anhaltspunkte erhalten, was sie sich anschaffen sollten und worauf sie getrost verzichten können. Hamann und Hofmann blicken bewußt über Genregrenzen – Graphic Novels, Superhelden, Manga, Fantasycomics – hinweg, wollen die Fans auf wichtige Arbeiten in anderen Comic-Segmenten aufmerksam machen und auch crossmedial arbeiten. Ziel ist nach den Worten von Hofmann, daß an den Magazinen zehn Jahre später genau ablesbar sein soll, was bei Erscheinen im Comicbereich wichtig war. Ein hoher Anspruch.
Schlägt man die Alfonz-Erstausgabe auf, so stößt man tatsächlich auf anspruchsvolle Beiträge. Vor allem fällt ein Bemühen um Querschnittsbetrachtungen und um einen ungewöhnlichen Blickwinkel auf: Wie gut sind die Kinderversionen frankobelgischer Comichelden wie der kleine Spirou, Lucky Kid oder «p’tit Boule & Bill»? Wie wird die Tour de France in Comics verarbeitet? Oder auch: Was machen eigentlich Comiczeichner wie Hermann, Ulf K. oder François Bourgeon mit ihren Originalen? Das Titelthema, Vincente Segrelles und sein «El Mercenario», fällt dagegen eher durch akribische Faktenfülle auf – Volker Hamanns alte «Reddition»-Tugend. Der «Avengers»-Film und DCs Relaunch «The new 52» erscheinen dagegen als Pflichtthemen, die sich aufdrängen. Ein Beitrag, der wirklich im Gedächtnis bleibt, weil er etwa eine neue Sichtweise vermittelt, ist nicht darunter, auch wenn der bekannte Medientheoretiker Georg Seeßlen unter den Autoren ist.
Alfonz gliedert sich grob in zwei große Blöcke. Neben dem dominierenden Magazinteil gibt es noch einen kleineren Serviceteil im hinteren Bereich des Hefts. Hier finden sich Rezensionen, Nachrichten über deutschsprachige Neuerscheinungen, Marktberichte (Frankreich/Belgien und USA), eine Übersicht über die Facebook-Präsenz von Comicverlagen und die nette Rubrik «Was macht eigentlich... (zum Auftakt: Chris Scheuer)?» Grafisch sind diese beiden Blöcke aber kaum voneinander abgesetzt, und im Serviceteil fehlt es entschieden an gestalterischer Ordnung. Im vorderen Teil wird dem Leser dagegen durch die meist umfangreichen, sehr detailreichen und aufwendig illustrierten Texte einiges abverlangt. Alfonz zielt nach Aussage von Hofmann auch auf ein an Comics nur am Rande interessiertes allgemeines Publikum ab; man kann sich aber im Moment nicht recht vorstellen, daß solche Leute das Magazin wirklich durchackern, beziehungsweise nach dem Antesten weiter kaufen werden.
Man sollte allerdings an eine Erstausgabe nicht allzu strenge Maßstäbe anlegen. Normalerweise werden Kinderkrankheiten einer Zeitschrift überwunden und die zunächst gesetzten Zielmarken mit den folgenden Ausgaben übertroffen. Alfonz ist mit einem erheblichen Vertrauensvorschuß seitens der Comicverlage gestartet. Wie Hofmann sagt, ist die Finanzierung der ersten vier Ausgaben durch Anzeigenschaltungen bereits gesichert. Die Auflage konnte mit 6.300 Exemplaren höher angesetzt werden, als die Herausgeber ursprünglich vorgesehen hatten. Alfonz wird mit Hilfe von BPV Medien bundesweit an die Bahnhofskioske gebracht. Das Magazin hat also Zeit und Gelegenheit, sein Publikum – und eine klare inhaltliche Gliederung – zu finden.
Zu wünschen wäre auch eine kritischere Haltung dem Gegenstand der Betrachtung gegenüber. Hofmann weist die Vermutung, negative Bewertungen unterblieben mit Rücksicht auf die Anzeigenkunden (und Informationslieferanten), die Comicverlage, mit Nachdruck zurück. Dagegen räumt er ein, die Redaktion habe an Kritik wenig Interesse, da in den meisten Fällen lieber wichtige Veröffentlichungen hervorgehoben als schlechte und mißglückte zerpflückt werden sollten: «Wir haben einfach den Platz nicht, der ist uns zu schade für Verrisse.» Dabei lesen sich kritische Rezensionen nun mal in aller Regel spannender als das fundierteste Lob, was die Rubrik «Die obligatorische Kampfszene» (ein Streitgespräch zwischen Hofmann und Marco Behringer über das umstrittene Album «Der Wüstenfalke» von Franz Zumstein) belegt. Im günstigsten Fall kann Alfonz dadurch auch Einfluß auf die Verlagspolitik nehmen.
Immerhin: Die Macher bleiben vorerst sehr ambitioniert. Für die zweite Ausgabe haben sie ein Original-Cover des «Wormworld»-Schöpfers Daniel Lieske an Land gezogen, haben einen Feldversuch mit den neuen Literatur-Comics aus dem Hause Brockhaus («Die Schatzinsel» und ähnliche Klassiker) unternommen und sich das neue Yps vorgeknöpft, das jetzt erwachsene Leser ansprechen soll. Die Kurve weist offenbar nach oben – fürs erste sollte der Freund von Comic-Sekundärliteratur Alfonz nicht aus den Augen verlieren.

Nähere Informationen im Internet:
www.alfonz.de
www.reddition.de
www.comic-report.de

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www.alfonz.de
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