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COMIC!-JAHRBUCH 2013

Kurz die Deckung verlassen
Comicworkshop mit Schwarwel


Von Burkhard Ihme


COMIC!: Im Juni hast du in Erlangen in einer großen Publikums-Aktion den «Brainbus» (oder laut Programmheft «Comic-Bus»)der Stadtbibliothek bemalen lassen. Ist der jetzt noch für den Straßenverkehr zugelassen? Und wieviel Workshop enthielt die Veranstaltung oder war das nur eine große spaßige Farbkleckserei?

Schwarwel: Ja, der «Brain-Bus» ist noch zugelassen – soweit ich weiß, wurde er von privater Hand erworben, und die Leute haben mich kontaktiert, um zu wissen, ob und wie sie den Bus noch lackieren können, um ihn resistenter gegen die Klimakatastrophe zu machen – ein echtes Werk für die mittelfristige Ewigkeit also.
Eine Farbkleckserei war es nicht, aber wir mußten in den ersten zwei Tagen der Aktion auch erst einmal herausfinden, wie man das alles gehändelt bekommt, da wir zwar neben unseren eigenen Leuten auch zwei sehr hilfsbereite und fähige Helferinnen vom Comic-Salon hatten, aber teilweise einfach von der Kinderflut überrollt wurden – die Augen an allen vier Seiten des Busses zu haben und daneben noch auf die einzelnen Mitmacher einzugehen, war teilweise ’ne echte Herausforderung.
Aber am meisten zu tun hatten wir mit den Sinnlos-Tags, die die überschäumende Jugend dann hirnlos an so ein Gemeinschaftswerk schmiert, obwohl jeder eine kleine No-Go-Ansage mit auf den Weg bekommen hat. Das mußten wir rigoros übermalen.
Sinn dieser Mitmal-Aktion war ja, den Leuten relativ freien Lauf zu lassen, damit sie sich einfach mal ausprobieren können, und nur für die einzelnen Bereiche haben wir grobe Themen vorgegeben: hier nur Blumen, da nur Träume, dort nur Alpträume etc. – jede Nacht stand ich dann vor diesem riesigen Bus und habe mir einen halbseidenen Plan gemacht, wie wir das am letzten Tag alles zusammenbekommen, so daß es auch wie aus einem Guß aussieht. War harte Denkarbeit, aber hat super funktioniert.

COMIC!: Bei deiner aktuellen Crowdfunding-Aktion auf www.visionbakery.com zur Finanzierung eines zweiten «Schweinevogel» Sammelbandes wird als Prämie für Investoren ab 350,00 € Unterstützung auch ein «1-Tages-Kreativworkshop + Zeichenkurs mit Schwarwel (am besten geeignet für mehrere Personen, Kurse, Schulklassen, soziale Einrichtungen, Veranstaltungen oderoderoder ...) (exklusive Fahrtkosten und ggf. Übernachtung)» angeboten. Wer sind in der Regel die Veranstalter, die dich buchen? Hast du auch schon Einzelunterricht gegeben?

Schwarwel: Erste Regel: keine Regeln. Dadurch, daß unser Studio ziemlich umtriebig ist, kommen die Anfragen aus allen Richtungen.
Meine Kurse an der Leipziger Volkshochschule mache ich seit 2010, das spricht sich rum, wenn man konstant bei der Stange bleibt und die Leute zum Selbstmachen motiviert. Wenn wir auf Stadtfesten wie dem unserer Verkehrsbetriebe oder im alternativen Weihnachtsmarkt einen Stand haben, mache ich auch immer zwei, drei Stunden Porträtzeichnen – als Eigenwerbung und um dabei Spenden für gemeinnützige Sachen einzusammeln –, da kommt man auch mit den Leuten ins Gespräch und es gibt Anfragen, ob man das auch mal in einer Schule o. ä. machen würde. Würde und mache ich.
Institutionen wie das Zeitgeschichtliche Forum fragen für Ferienkurse an, wenn es wie in diesem Jahr zu einer Ausstellung wie der der Digedags paßt. So Sachen eben. Einzelunterricht finde ich nicht so prickelnd – beim Comic sind die Leute ohnehin schon stark auf sich selbst geworfen. Wenn sie dann auch noch in einer Eins-zu-eins-Situation sind, ist die Körperspannung meist zu stark, um noch was Nützliches zu lernen. Mit Mail-Unterricht ist das dann schon sinnvoller.

COMIC!: Du bist ein erfahrener und erfolgreicher Comiczeichner, hast aber keine «klassische» Ausbildung als Illustrator, Graphik-Designer oder Trickfilmer (die üblichsten Einfallpforten in den Beruf eines Comiczeichners) absolviert, sondern hast als Theatermaler praktiziert und Abendkurse an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig belegt. Was hast du da gelernt, und was von dem, das du heute deinen Schülern vermittelst, hättest du gerne gelernt?

Schwarwel: Die Abendkurse an der Hochschule für Grafik und Buchkunst waren insofern Gold wert, als daß ich da Schriftmalerei, Aktstudium und solche Sachen vermittelt bekommen habe. Das habe ich alles wie ein Schwamm aufgesaugt und zu Hause im Selbststudium weitergemacht. Mache ich immer noch so, auch beim Trickfilm, wo ich viel von unseren Animatoren und Composern lerne, wenn wir einen Film produzieren – meistens setze ich’s dann auf meine Art um, da die Ausgebildeten oft auch viel Das-muß-genau-so-und-nicht-anders-Schrott angelernt bekommen haben, der bei unserer Studioarbeit mit der ultraflachen Struktur vollkommen unnötig und meistens sogar behindernd ist.
Und im Malsaal der Leipziger Theater habe ich 1989/90 vor allem gelernt, alles ein bißchen größer zu machen – die Kulissen soll man ja auch noch aus fünfzig Meter Entfernung erkennen können. Das hat definitiv geschult und die Hand locker gemacht.
Bei den Workshops und Kursen, die ich gebe, gucke ich am Anfang erst mal, wie die Lage überhaupt ist: Wie sind die Leute drauf, was erwartet der einzelne von diesem Kurs, wieviel Talent und wieviel Handlungsbereitschaft ist eigentlich da. Dabei versuche ich, den Leuten ihre ganz eigenen Lösungswege für Problemstellungen aufzuzeigen, statt einen strikten Plan für alle auszurufen, einfach weil jeder anders gestrickt ist, und Gleichschaltung gibt’s ja schon genug.
Das ist – sowohl für mich als auch für die Teilnehmer – ein bißchen anstrengender, als einen Arbeitsplan an die Tafel zu schreiben oder aus einem schlauen Buch vorzulesen und dann Feierabend zu machen, aber es lohnt sich für jeden einzelnen mehr als dieses Auswendiglernen-und-dann-trotzdem-keinen-Plan-haben. Das ist jedenfalls das, was im Endgespräch der Kurse bisher immer der Grundtenor war. Das, was ich jetzt den Leuten zu vermitteln versuche, ist letztlich ganz klar das, was mich auch selbst interessiert und worüber ich mehr wissen will. Der Lerneffekt ist für beide Seiten gleich hoch.

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November 2012
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