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COMIC!-JAHRBUCH 2013

Die Comicwerkstatt an der HS Augsburg
Interview mit Professor Mike Loos


von Burkhard Ihme


COMIC!: Seit wann hast du die Professur in Augsburg, und seit wann sind Comics Inhalt des Lehrplans?

Mike Loos: Meine Berufung erfolgte im Wintersemester 2004 in das Aufgabengebiet Bildgestaltung/Illustration in den Studiengang Kommunikationsdesign der Fakultät für Gestaltung. Seither unterrichte ich in allen Se-mestern die Fächer Zeichnen und Freies Gestalten, leite die Fachklasse Illustration im Hauptstudium und biete in unregelmäßiger Folge Designprojekte an. Comics sind, unter diesem Label und als eigenständiges Unterrichtsfach, kein Teil unseres Fakultäts-Lehrplans. Sie wurden aber von mir im Zuge der durch den Bologna-Prozeß notwendig gewordenen Neuausrichtung unseres Studienganges, als möglicher Unterrichtsinhalt meiner Fachklasse Illustration festgeschrieben. Und de facto findet das Medium auch im Rahmen freier Projekte statt, die ich immer im Sommersemester anbieten kann. Das nennt sich dann Projekt Comicwerkstatt und existiert seit 2006. Die im 4. und 6. Semester angesiedelten Projekte sind inhaltlich nicht festgelegt, sollen aber das in anderen Fächern erworbene Wissen fächerübergreifend in einen Anwendungszusammenhang bringen. Sie können von den jeweiligen Professoren deshalb inhaltlich nach eigenem Ermessen ausgestaltet werden. An dieser Stelle von mir ein Lob auf die Freiheit der Lehre, die hierbei zelebriert werden darf. Solange man argumentativ darlegen kann, daß die angebotenen Lehrinhalte mit den im Studiengang angestrebten Lernzielen in Einklang stehen, ist man als Lehrender frei in der Wahl der Themen. In meinem Vorwort für Strichnin 3 habe ich übrigens versucht, dieses Lehrkonzept in Bezug auf unseren Studiengang Kommunikationsdesign in aller Kürze zu erläutern.

COMIC!: Welche Ausbildung hast du selber durchlaufen und welche Rolle spielten damals Comics?

Mike Loos: Ich habe mich als Jugendlicher sehr stark für das Medium Comic interessiert. Aber in Deutschland gab es seinerzeit in dieser Hinsicht keinerlei Studienangebote. Wie viele andere Zeichner auch habe ich dann den Studiengang Kommunikationsdesign absolviert, der im Bereich der anwendungsbezogenen Gestaltung angesiedelt ist, und später im Hauptstudium den Schwerpunkt auf die Illustration gelegt. Comics waren darin leider kein Thema. Deshalb freut es mich, daß ich über die Hintertür der Projektarbeit diesem Medium heute einen kleinen Raum geben kann.

COMIC!: Du warst 1984 beim ersten Comicsalon in Erlangen, also noch vor oder zu Beginn deines Studiums, und seit 2008 als Vertreter der Hochschule Augsburg beim Jungen Forum, der Bühne für Hochschulen und Studenteninitiativen, auf dem Comicsalon. Hast du die Entwicklung des Salons in den 24 Jahren dazwischen auch verfolgt?

Mike Loos: Mein Studium begann 1986, beim ersten Comicsalon 1984 hatte ich gerade das Abitur in der Tasche und diverse eigene Comics, die nebenbei während der Schulzeit entstanden waren, in meiner Mappe. Zwischen 1984 und 1986 (meine Zivildienstzeit) beschäftigte ich mich weiter intensiv mit dem Medium und habe monatlich One-Pager, Comicstrips und Cartoons für ein Augsburger Stadtmagazin gezeichnet. Zu Beginn des Studiums erfolgte ein Bruch. Denn gerade das Grundstudium war randvoll mit unzähligen Fächern. Man kam kaum zum Luft holen – das geht den heute Studierenden noch immer so. Erst ab dem fünften Semester gab es eine Nische, die ich für mich genutzt habe: die Illustration. Auf die habe ich mich gestürzt und daraus meinen Beruf gemacht. Als persönlich Anwesender habe ich den Comicsalon in der von dir genannten Zeit nicht verfolgt. Daß der Salon sich zwischenzeitlich weiterentwickelt hat, habe ich natürlich mitbekommen. Was 1984 noch mehr wie ein besserer Comictauschtag mit Verlagspräsenz startete, ist zu einer wirklich tollen und überaus professionellen Fachmesse mit erstklassigen Ausstellungen gereift.

COMIC!: Welchen Einfluß hast du als Dekan der Fakultät für Gestaltung auf die Lehrinhalte? Und, um die von Frank Plein beschworenen «antagonistischen Kräfte» ins Spiel zu bringen: Welchen Einfluß hat die technische Ausrüstung (z. B. im Animationsbereich)?

Mike Loos: Kleine Korrektur, ich bin nur Studiendekan. Als solcher habe ich keine Handlungsmacht, die liegt vollständig beim Dekan, und er muß grünes Licht für meine Projekte geben. Aufgabe des Studiendekans ist es, die Lehrqualität aller Fächer zu kontrollieren und für den reibungslosen Ablauf des Unterrichts zu sorgen. Meine Tätigkeit liegt also irgendwo zwischen Controller, Seelsorger und Streitschlichter. Dekan, Studiendekan, Prodekan sind übrigens Ämter, in die man für jeweils drei Jahre vom Fakultätsrat gewählt wird.
Zur technischen Ausrüstung: Im Animationsbereich spielt sie eine wichtige Rolle und ist vor allem extrem teuer. Das kann für eine Fakultät zum Problem werden. Und das ist das Schöne am Comic – die Ausrüstung ist total egal. Es geht um Storytelling und um lesbare Bildfolgen, klare Zeichnungen mit erzählerischer Qualität. Da genügen im Grunde schon Papier und Bleistift.

COMIC!: Und wie ist die Animations-Ausstattung in Augsburg? Und beläßt du es in deiner Klasse bei Bleistift und Papier, oder kommen auch Computer und Graphics Tablets zum Einsatz?

Mike Loos: Zu den genauen technischen Details der Animationsausstattung kann ich nicht wirklich kompetent Aus-kunft geben, da das nicht mein Fachgebiet ist. Der Bereich wird von meinen Kollegen Prof. Robert Rose (Bewegtbild, 2D und 3D) und Prof. Jens Müller (3D-Animation) abgedeckt. Mitunter betreue ich animierte Abschlußarbeiten mit, dann berate ich aber in Fragen des visuellen Konzepts, eben der Bildgestaltung und hinsichtlich des Storytellings. Jedenfalls gibt es ein Filmstudio, in dem Studioaufnahmen für Realfilme oder Stop-Motions gedreht werden können, und Rechner und diverse Animations-Programme. Ein kleines Tonstudio ist auch dabei. Die Animationsfilme der Studierenden kommen in allen Spielarten daher. Stop-Motion mit Knet-Figuren, reine zeichnerische Handarbeit (eher selten), meist eine Kombination aus Handzeichnung und digitaler Nachbearbeitung. Oft aber auch vollständig digital. Dabei kommen diverse 2D- und 3D-Animationsprogramme zur Anwendung. Zwei als Abschlußarbeit entstandene Animationsfilme, die ich gemeinsam mit den Kollegen Rose und Müller betreut habe, kann man sich, bei Interesse, hier ansehen: vimeo.com/10526476 und vimeo.com/13781936. Beide Filme stammen übrigens von ehemaligen Mitgliedern des Comicprojekts.
Zum Einsatz von Computer und Graphics Tablets in meinem Unterricht: Die Arbeit in allen gestalterischen Fächern ist zunächst einmal inhaltlicher Art. Form follows function! Es geht nicht um Technik-Schulung. Es gibt bei uns nur ein Modul, das sich rein mit den technischen Grundlagen im Umgang mit dem Computer und der Software beschäftigt. Das heißt Digitale Medien und liefert die wichtigsten Grundkenntnisse zu Photoshop, Illustrator, InDesign und bietet einen sehr kleinen Einblick ins Webdesign. Darüber hinaus laufen nebenher, unabhängig vom Unterricht, vertiefende Tutorien zu sämtlichen Gestaltungs-Programmen. Die Studierenden stellen sich das selbst nach Bedarf zusammen, denn die Vorkenntnisse der einzelnen sind extrem unterschiedlich.
Photoshop-Schulungen sind also nicht meine Aufgabe. Es geht um Bildideen, visuelle Konzepte, Wege der Umsetzung, das Finden der eigenen Bild- und Formensprache. Dabei sind selbstverständlich alle Mittel erlaubt. Und es findet tatsächlich auch alles statt. Von der handgestickten Illu über das klassische Ölgemälde oder das Tablet-Painting mit Photoshop, Collagetechniken, Comic-Styles bis hin zum analogen oder digitalen 3D-Bild ist absolut alles vertreten. Aber ich gebe die Technik nicht vor, das wäre ja auch furchtbar, schließlich sind wir keine Berufsschule für Mediengestalter.

Auf den Geschmack gekommen?
Weiterlesen im COMIC!-Jahrbuch 2013
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www.strichnin-comic.de
www.mike-loos.de 
www.hs-augsburg.de/gestaltung

Weitere Interviews:

Interview auf Comicradioshow
Interview mit den Splashpages
Teil 1
Teil 2
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