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COMIC!-JAHRBUCH 2012

Disney dominiert doch
Trickfilm-News

Von Heiner Lünstedt


Bei der Zusammenstellung der Trickfilme der letzten 12 Monate fiel auf, daß sich darunter diesmal besonders viele Disney-Produktionen befanden. Hierbei fiel wiederum auf, daß sehr viele Fortsetzungen darunter waren, wie etwa «Cars 2», das erste wirklich enttäuschende Werk aus dem Hause Pixar, oder die Fortführung des seinerzeit (1982) nicht sonderlich erfolgreichen Computer-Spektakels «Tron». Doch insgesamt ist es erstaunlich, wie stark das Traditionsstudio im heiß umkämpften Trickfilm-Wettbewerb auch weiterhin mithält.

Steven Spielberg hingegen ist gerade dabei, seinen allerersten Trickfilm fertigzustellen. Den Comic Con in San Diego hatte er zuvor noch nie besucht, doch in diesem Jahr informierte er höchstpersönlich über die von ihm inszenierte und komplett am Computer erzeugte «Tim und Struppi»-Verfilmung. Spielberg kennt die Comics von Hergé erst, seit französische Kritiker bei seinem «Jäger des verlorenen Schatzes» Einflüsse von «Tim und Struppi» bemerkt haben wollten. Als Schmankerl brachte er eine frühe Testversion mit. Hier wurde versucht, einen computeranimierten Struppi mit einem von Peter Jackson bewußt schlecht gespielten Kapitän Haddock zu kombinieren. Spielberg und sein Co-Produzent Jackson, der ebenfalls in San Diego persönlich anwesend war, meinten, daß Computeranimation längst nicht zu jedem Stoff passe, doch bei «Tim und Struppi» ideal sei. Es müssen keine Darsteller mühsam auf das Aussehen von Comicfiguren zurechtgeschminkt werden, sondern sie können per Motion Capture direkt in deren Haut schlüpfen. Der längere Ausschnitt, der in San Diego präsentiert wurde, war perfekt und äußerst detailverliebt in 3D animiert. Doch von Hergés klarem auf das wesentlich reduziertem flächig koloriertem Zeichenstil fehlt jede Spur. Spielbergs Film mag technisch auf der Höhe seiner Zeit sein, wird aber garantiert sehr viel schneller veraltet wirken als die «Tim und Struppi»-Comics.
Doch auch im Realfilm hält der Trickfilm weiterhin munter Einzug. Für «Prevolution», den Neustart der «Planet der Affen»-Reihe, kommt ein optimiertes Motion-Capture Verfahren zum Einsatz. Hier müssen Darsteller (wie der in diesem Medium bewährte Andy Serkis) nicht mehr im abgeschlossenen grün ausgekleideten Studio bleiben, sondern sie können in freier Natur agieren. Die seltsamen Anzüge müssen die Schauspieler zwar immer noch tragen, doch die Illusion eines mit überlegener Intelligenz die Menschheit angreifenden Affenheeres gelang perfekt. Grenzen zwischen Trick- und Realfilm scheinen nicht mehr zu bestehen.


Hier Anmerkungen zu ausgewählten Kinotrickfilmen und DVD-Premieren der letzten Monate

Auf dem Kometen
von Karel Zeman
CSSR 1970 © Icestorm

Bereits 1957 drehte der tschechische Trickfilmpionier Karel Zeman («Reise in die Urwelt») mit «Die Erfindung des Verderbens» eine vor allem optisch ungemein werkgetreue Jules-Verne-Verfilmung. Er ließ die Darsteller in Kulissen agieren, die wie die Kupferstich-Illustrationen aus den Verne-Büchern aussahen und kombinierte diese Bilder mit Modell- und Puppentricks. Zugleich machte er sich aber auch über die kolonialistischen Tendenzen in den Werken des französischen Vaters der Science-fiction lustig.
13 Jahre später haute Zeman noch einmal in die selbe Kerbe, und «Auf dem Kometen» ist noch etwas gelungener als seine schwarzweiße Verne-Verfilmung. Dies liegt am fantasievollen Einsatz der Farbe, wodurch die Bilder des Filmes wie alte verblichene und von Hand kolorierte Postkarten wirken. Im Gegensatz zu «Die Erfindung des Verderbens» (und eigentlich allen anderen Filmen Zemans) kommen auch die Darsteller hier deutlich sympathischer rüber und sind sehr viel mehr als Statisten (darunter auch der beliebte tschechische Veteran Vladimír Mensík aus «Pan Tau», «Die Märchenbraut» und «Wie man Dornröschen wachküßt») vor beeindruckenden Trickaufnahmen.
Last but not least bereitet «Auf dem Kometen» aber viel Vergnügen auch durch die zahlreichen Urviecher, die den mysteriösen Kometen bevölkern, der 1888 einen Teil der Erde mit sich gerissen hat. Wenn Zeman zeigt, wie gewaltige Dinosaurier-Horden nicht durch die mächtigen Kanonen der französischen Kolonialarmee sondern durch das metallische Scheppern von Töpfen und Pfannen (kennen die Dinos nicht, weil bei ihnen noch Steinzeit herrscht) in die Flucht geschlagen werden, gehört diese nicht nur tricktechnisch beeindruckende Szene zu den Sternstunden der Filmgeschichte.


Batman: Under the Red Hood
von Brandon Vietti
USA 2010 © DC/Warner Bros. Entertainment

1983 trat ein gewisser Jason Todd die Nachfolge von Dick Grayson – der inzwischen als Nightwing flügge geworden war – an der Seite von Batman als Boy Wonder Robin an. Doch dieser Charakter war nicht allzu beliebt bei den Comicfans, und daher startete DC 1989 als Abschluß der Storyline «A Death in the Family» einen großen Marketing-Coup. Die Leserschaft konnte per Telefon-Abstimmung entscheiden, ob Robin II einen mörderischen Angriff des Jokers überleben würde oder nicht. Diese verlor der Wunderknabe 5.343:5.271 und somit auch sein Leben.
Doch im Superhelden-Comic stirbt nur selten jemand endgültig, und so lag der Verdacht nahe, daß es sich bei einem reichlich brutalen Rächer mit roter Gesichtshaube, der Gotham City (un)sicher machte, möglicherweise um Jason Todd handeln könnte. Judd Winick, der Autor der sich ab Februar 2005 auf 13 Batman-Hefte verteilenden Storyline «Under the Red Hood», schrieb unter diesem Titel auch das Drehbuch zum achten «DC Universe Animated Original Movie», das bei uns nicht völlig zu Unrecht eine FSK-16-Freigabe bekam.
Die Geschichte, die der ebenso klassisch wie brillant animierte Film erzählt, ist in der Tat recht brutal und erwachsen. Einmal mehr wird die Frage aufgeworfen, warum Batman Kriminelle wie den Joker nicht einfach umbringt sondern ihn nur in Arkham Asylum abgibt, damit er danach wieder ausbrechen und weitere unschuldige Bürger ermorden kann. Doch gerade in den USA ist ein Held wie Batman mehr als wichtig, denn er verzichtet auf Schußwaffen und glaubt zwar daran, Kriminelle in Angst und Schrecken zu versetzen, jedoch nicht an die Todesstrafe.
Bei uns erscheint «Batman: Under the Red Hood» als spärlich ausgestattete Einzel-DVD und als «2-Disc Special Edition» sowie als Blu-ray mit allerlei interessanten zusätzlichen Extras. In hoher Taktzahl sind in den letzten Monaten zudem weitere «DC Universe Animated Original Movies» wie «All Star Superman» oder «Superman/Batman: Apocalypse» erschienen. Richtig freuen kann man sich auf «Batman – Year One», eine sehr werkgetreue Umsetzung des gleichnamigen Comicklassikers von Frank Miller und David Mazzucchelli («Paul Austers Stadt aus Glas»). Dieser Zeichentrickfilm ist ein richtig schöner harter Krimi mit Commissioner Gordon als zentraler Figur.


Cars 2
von John Lasseter und Brad Lewis
USA 2011 © Pixar/Disney Enterprises Inc

Bis jetzt war für mich jeder Pixar-Film ein Erlebnis. Die Liebe der Macher zum Medium Trickfilm und der Spaß am Geschichtenerzählen war jederzeit spürbar. Selbst Fortsetzungen wie etwa die ebenso spannende wie zutiefst anrührende «Toy Story 3» verblaßten nicht hinter den Originalfilmen. Entsprechend groß war die Freude, als ich erfuhr, daß Pixar-Mastermind John Lasseter (gemeinsam mit Co-Regisseur Brad Lewis) «Cars 2» in Szene setzen würde.
«Cars» ist mein Lieblings-Pixar-Film, obwohl ich mit Autos ansonsten nicht viel am Hut habe, doch die Blechkumpels aus dem Wüstenkaff Radiator Springs habe ich fest ins Herz geschlossen und hatte auch Spaß an den Kurzfilmen «Cars Toon – Hooks unglaubliche Geschichten», die auf DVD und Blu-ray erschienen.
Einzige Schwäche von «Cars» sind die zwar sehr rasant aber auch etwas steril in Szene gesetzten Autorennen am Anfang und am Ende des Films. Da «Cars 2» neben einer ebenfalls sehr actionlastigen Spionagegeschichte fast nur vom Welt-Grand-Prix-Rennen erzählt, das in Japan, Italien und England durchgeführt wird, bleibt kaum Raum für den ganz speziellen Charme der schrulligen Autos.
Einzig der Konflikt zwischen dem wieder auf der internationalen Rennbühne agierenden Lightning McQueen und seinem rustikalen Kumpel Hook, der als Lightnings Assistent bei Schickimicki-Treffen in allerlei Fettnäpfchen tritt, läßt die Autos etwas menscheln. Doch ansonsten ist – untermalt von Michael Giacchinos wuchtigem Soundtrack – Turboaction angesagt. In dieser Hinsicht hat «Cars 2» allerlei technisch brillant in Szene gesetzte Verfolgungsjagden zu bieten, und auch sehr viele Gags zünden (am schönsten: Der Papst als Auto im Glaskäfig des Pappamobils), doch für mich ist «Cars 2», der erste Pixar-Film, der mich emotional völlig kalt ließ.
Passend zum Hauptfilm gab es diesmal im kurzen Vorfilm «Hawaiian Vacation» auch nur ein paar mittelprächtige Gags mit Barbie, Ken und den Figuren aus «Toy Story».

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2010
248 Seiten S/W und 4c
EUR 15,25
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