Lektüre
 Independent Comic Shop   ICOM-Publikationen   Kostenlos   Fachmagazine   Sekundärliteratur 
Das COMIC!-Jahrbuch | Das ICOM!-Handbuch | Der ICOM!-Ratgeber
FILMRISS | Das verbandseigene Fachmagazin
COMIC!-JAHRBUCH 2011

Ewig junge Stars von der Festplatte
Trickfilm-News

Von Heiner Lünstedt

Ausgelöst durch James Camerons hypererfolgreichen «Avatar» stellte ich im letzten Jahrbuch an dieser Stelle die Frage, ob das Kino der Zukunft flach bleibt oder immer plastischer wird. Doch dies war möglicherweise viel zu kurz gedacht. Durch die Kombination aus Computeranimation und aufgezeichneten realen Bewegungen können Schauspieler ewig jung bleiben. Es wäre möglich, daß ein neunzigjähriger Harrison Ford noch als Indiana Jones auf den Kinoleinwänden herumturnt.
Die preisgekrönte britische Filmzeitschrift «Empire» lud unter dem Motto «The Future of the Movies» die drei (zumindest technisch) innovativsten Filmemacher unserer Zeit ein: James Cameron, Steven Spielberg und Robert Zemeckis. Mit «Der Polarexpreß», «Die Legende von Beowulf» und «Disneys Eine Weihnachtsgeschichte» hat Zemeckis die meiste Erfahrung damit, die schauspielerischen Leistungen von Stars wie Tom Hanks, Angelina Jolie oder Jim Carrey mit dem sogenannten «performance capture» auf ihre digitalisierten Ebenbilder zu übertragen. In «Die Legende von Beowulf» ließ er sogar den eher pummeligen Ray Winstone zum hünenhaften Krieger mutieren. Auch bei James Camerons «Avatar» beschränkte sich die Leistung der beteiligten Schauspieler nicht – wie ansonsten meist im Trickfilm – darauf, daß sie ihre Stimme zur Verfügung stellten. Sam Worthington und Sigourney Weaver steckten monatelang in speziellen hautengen Anzügen und die schauspielerische Leistung der zum blauhäutigen Alien verwandelten Zoë Saldaña wurde kaum gewürdigt.
Steven Spielberg hingegen arbeitet gerade an einer Verfilmung von Hergés «Tim und Struppi». Der nach «Der Herr der Ringe» und «King Kong» zum «performance capture»-Veteran gewordene Andy Serkis wird hier den Kapitän Haddock spielen. Seine Gestik und Mimik steuert in Echtzeit eine computeranimierte Ligne Claire Figur. Spielberg hält die Leistung von Serkis für vergleichbar mit der oscarprämierten Darbietung von F. Murray Abraham, der in «Amadeus» per Make-Up-Prothesen in den 90-jährigen Salieri verwandelt wurde. Nach Meinung von Zemeckis, Cameron und Spielberg müßten Stars dank «performance capture» keine Angst mehr vor dem Altern haben. So könnte dadurch Clint Eastwood getrost noch einen weiteren «Dirty Harry»-Film drehen. Auch Gender-Einschränkungen gäbe es nicht mehr und Meryl Streep wäre bestimmt ein prima Abraham Lincoln.
Doch zum Glück gibt es im Kino und auf DVD nicht nur technisch perfekte CGI-Filme (wobei diese durchaus auch interessante Geschichten erzählen können, wie z. B. die überraschend mitreißende Fortsetzung zu «Toy Story» beweist), sondern es ist immer noch Raum für klassischen Puppen- und Zeichentrick.

Hier Anmerkungen zu ausgewählten Kinotrickfilmen bzw. DVD-Premieren der letzten Monate.

9
von Shane Acker
USA 2009 © Universal Studios

In viereinhalbjähriger Arbeit realisierte der kalifornische Filmstudent Shane Acker den 10-minütigen Animationsfilm «9». Zuerst wollte er Stop-Motion-Technik verwenden, doch dann arbeitete er sich in die Computeranimation ein. Der Film spielt vor dem Hintergrund einer apokalyptischen Welt und erzählt von den abenteuerlichen Erlebnissen einer aus Sackleinen zusammengenähten Stoffpuppe.
«9» wurde 2005 für den Kurzfilm-Oscar nominiert, was Tim Burton auf den Film aufmerksam machte. Dieser sprang als Produzent für einen abendfüllenden «9»-Kinofilm ein und ließ Shane Acker zusammen mit der «Corpse Bride»-Drehbuchautorin Pamela Pettler ein komplettes Universum entwickeln, das Erklärungen lieferte für die im Kurzfilm als geheimnisvoll belassenen Zustände. Jetzt erlebt das «9»-Stoffmännchen seine Abenteuer vor dem Hintergrund einer durch amoklaufende Maschinen komplett entvölkerten Welt.
Wer mag kann sich darüber aufregen, daß dem im Original ohne Dialoge auskommenden Film auch durch den Einsatz von Hollywood-Stars wie Elijah Wood oder Jennifer Connelly als Sprecher jeglicher Charme ausgetrieben wurde. Doch obwohl einige aus Fantasy-Filmen bekannte Klischees zum Einsatz kamen, ist der 80-minütige «9» dennoch – gerade für einen Trickfilm – ungewöhnlich düster geraten. Dies schlug sich wohl auch darin nieder, daß er in unseren Kinos kaum gezeigt wurde, obwohl der Film den Zuschauer in eine faszinierende Welt eintauchen läßt.


Disneys Eine Weihnachtsgeschichte
von Robert Zemeckis nach der Novelle von Charles Dickens
USA 2009 © Disney Enterprises Inc.

Völlig von der Hand zu weisen ist es nicht, wenn Regisseur Robert Zemeckis behauptet, daß Charles Dickens «Eine Weihnachtsgeschichte» die «größte Zeitreisegeschichte aller Zeiten» ist. In der 1843 erschienenen Novelle werden dem geizigen und menschenverachtenden Geschäftsmann Ebenezer Scrooge dank dreier Geister die durch ihn verursachten Ereignisse an gestrigen, heutigen und zukünftigen Weihnachtsfesten auf ziemlich heftige Art vermittelt.
Auch die Walt Disney Company hat eine vielfältige Beziehung zu Dickens Weihnachtsgeschichte. So heißt die von Carl Barks entwickelte Comicfigur Onkel Dagobert im Original Scrooge McDuck und stand im Mittelpunkt des 1983 entstandenen Trickfilms «Mickys Weihnachtsgeschichte». Auch «Die Muppets Weihnachtsgeschichte» mit Michael Caine wurde von Disney produziert. Daher ist es durchaus konsequent, wenn sich die Disney Company mit dem Regisseur von «Zurück in die Zukunft» für eine neue Version der «Weihnachtsgeschichte» verbündet hat und als zusätzlichen Gimmick noch Jim Carrey an Bord holt, dessen flexibles Gesicht bereits in «Die Maske» die Grundlage für überraschende Computeranimationen war.
Robert Zemeckis‘ technisch durchaus innovative Animationsfilme «Der Polarexpreß» und «Die Legende von Beowulf» fielen künstlerisch jedoch reichlich flau aus. In dieser Hinsicht ist «Eine Weihnachtsgeschichte» ein deutlicher Fortschritt. Jim Carreys in den Computer eingespeisten Performances als Scrooge und alle drei Geister wurden nicht zu einer wilden Dickens-Parodie zurechtgepixelt. Vielmehr entstand eine – vielleicht nicht absolut meisterliche – aber immerhin erstaunlich werkgetreue und überraschenderweise auch ganz schön gruselige Version von Dickens Novelle, die zudem (in ausgewählten Kinos) durch beeindruckende 3-D-Effekte überrascht.

Auf den Geschmack gekommen?
Weiterlesen im COMIC!-Jahrbuch 2011
Links zum Artikel

www.highlightzone.de
www.judasandjesus.com
Übersicht der Linklisten
  Alle Jahrbücher
Comic Jahrbuch 2011
Comic Jahrbuch 2010
Comic Jahrbuch 2009
Comic Jahrbuch 2008
Comic Jahrbuch 2007
Comic Jahrbuch 2006
Comic Jahrbuch 2005
Comic Jahrbuch 2004
Comic Jahrbuch 2003
Comic Jahrbuch 2001
Comic Jahrbuch 2000
COMIC!-Jahrbuch 2011
Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2010
248 Seiten S/W und 4c
EUR 15,25
BESTELLEN  
Jahrbuch10.html