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COMIC!-JAHRBUCH 2011

Bester Kurzcomic:
«Die Schande von Rahlstedt» von Andreas aha Hartung

von Andreas Dierks

In seinem preisgekrönten Kurzcomic «Die Schande von Rahlstedt» gelingt dem Berliner Comiczeichner aha eine Lebensbeichte, die sowohl in dunklen Ecken seines Gewissens aufräumt, als auch ein erhellendes Licht auf die Bemühungen wirft, bei den Randhamburgern und anderswo in der Provinz ein Comic-Event auf die Beine zu stellen. An aha auf der 1. Nordischen Comicart wird sich kaum einer erinnern. Es war ja auch kaum einer da. Aber die Beiträge von aha zur Heftreihe Epidermophytie, deren 16. Heft zu Erlangen 2010 erschien, bleiben den Freunden des guten, selbstgemachten Heftcomics dauerhaft im Gedächtnis.

COMIC!: Auf einem der famosen «Heftich»-Festivals in Hamburg fiel uns Nordlichtern der Zeichner aha und die Epidermophytie das erste Mal auf. Aber da waren bereits viele Hefte mit Beiträgen von dir erschienen, oder? Wie kam es zur Epidermophytie? Hast du die Heftreihe mit begründet? Wer sind/waren die Mitstreiter?

aha: Die Heftreihe Epidermophytie habe ich zusammen mit meinem Freund und Kollegen Jakob Mebes gegründet. Das muß so Anfang/Mitte der Neunziger gewesen sein. Genau weiß ich das nicht mehr. Dieses Jahr ist mit dem Rätselheft die 16. Ausgabe erschienen. Zur Heftgründung ist es gekommen, weil ich keinen Bock mehr hatte, alles alleine zu machen. Die Jahre davor habe ich immer große Solo-Hefte (in DIN A4) herausgebracht. So Punker-Comix. Und das war dann immer ziemlich nervig, daß alles allein zu machen. Also abgesehen davon, immer 50 Seiten zu zeichnen, sich dann noch um den Druck, den «Vertrieb» und die «Pressearbeit» zu kümmern. Ich dachte, mit mehreren wird das dann einfacher. Wurde es aber gar nicht, weil man dann noch die ganzen Leute betreuen muß, damit die sich nicht ständig zanken. Nahezu von Anfang an dabei waren außerdem noch: Rolf Noelte und Usi B. Fitzenreiter, sowie als Stammgast: Mawil.

COMIC!: Wer hat schon gerne Epidermophytie? Warum habt ihr das Heft wie einen Hautpilzbefall genannt?

aha: Zum Namen kam es, als wir in einer der Nächte, an denen wir dann gemeinsam fürs erste EPI-Heft gezeichnet haben, morgens um 4.00 Uhr leicht analkoholisiert nach dem Zufallsprinzip den Finger in ein Wörterbuch steckten. Wir wollten den Punk auf den Titel. Mit dem Namen haben wir natürlich rechtzeitig dafür gesorgt, daß man kommerziell nie auch nur annähernd auf die Beine kommen kann, da sich niemand den Namen richtig merken kann. Geschweige denn aussprechen. Atak meinte mal zu mir, daß immer wenn er jemandem unser Heft empfehlen will, ihm der korrekte Name nicht einfällt. Und dann kann er es halt nicht tun. Insofern akzeptieren wir als Alternativnamen auch «EPI-Dings». Wir hatten noch mal kurz überlegt, ob wir uns nach der 10. Ausgabe umbenennen. Der zweite Gedanke war dann aber: «Ach, was soll’s!»

COMIC!: In der EPI-Wiki nennst du dich «Andre Hartmut von Almenhorst der Kleinere». Laut deiner E-Mail-Adresse bist du «Hochwürden aha». Ein Comicfan nennt dich auf seiner Webseite «pr hartung» (Professor)? Was bist du nun wirklich? Wie viele Persönlichkeiten stecken in dir? Woher kommst du?

aha: Ich komme aus Berlin (Ost). Und das ist die Wahrheit. Persönlichkeiten stecken in mir nur eine, glaube ich. Die aha-Sache hat sich eher so ergeben. Das war ja ebenfalls in den Neunzigern, und an eine gleichnamige Popband aus Norwegen konnte sich niemand erinnern. Wer konnte ahnen, daß ausgerechnet DIE als einzige Achtziger-Jahre-Band ein halbwegs erfoglreiches Comeback hinlegen. Und am Telefon kann man sich so auch nicht melden. Das klingt total bescheuert. Für Namen, habe ich, glaube ich, kein glückliches Händchen. Das Hochwürden kommt vermutlich aus meinem Hang zum Katholizismus.

COMIC!: Meinst du das mit deiner Zuneigung zum Katholizismus ernst? Haben wir demnächst von dir einen Bibelcomic zu erwarten? Was hältst du von diesem in Erlangen 2010 heiß diskutierten Thema «Religion und Comic»?

aha: Na sicher meine ich das ernst. Ich bin familiär zur Hälfte katholisch. Und auch getauft. Solcherart geprägt, habe ich eine gewisse Schwäche für die katholische Liturgie, die in ihrer düsteren Feierlichkeit der protestantischen Singebewegung weit vorzuziehen ist. Aber wieso sollte ich deswegen einen Bibelcomic machen wollen? Die Bibel gibt es doch schon. Und teilweise auch ganz schöne illustrierte Ausgaben aus dem Mittelalter. Und erst vor kurzem habe ich mir die Klaus-Ensikat-Bibel gekauft. Die ist auch ganz toll.
Nur weil man zufällig Comics zeichnet, muß man ja nicht immer gleich aus allem auch einen Comic machen. Aber Eckart Breitschuh hat ja mal an so einem «Offenbarung des Johannes»-Ding gearbeitet. Das sah auch recht interessant aus. Aber irgendwann hat er nur noch gelacht, als ich später immer wieder danach fragte (ich glaube, ich war dann irgendwann der einzige, der das tat). Andererseits lacht der Mann ja eh viel (das ist quasi sein natürlicher Grundzustand).
Mit dem katholischen Katechismus selbst kenne ich mich dann jedenfalls schon nicht mehr so gut aus. Manchmal spreche ich darüber mit einem Freund, der in seiner späten Jugend eine christliche Offenbarung hatte und nun auf Pfarramt (protestantisch) studiert. Der kennt sich entsprechend gut aus und erklärt mir immer sehr viel (über den Katholizismus). Ich glaube, Außenstehende können sich den skurrilen und verschrobenen Detailreichtum an philosophischer und religiöser Bürokratie gar nicht vorstellen. Da hat sich halt so einiges angesammelt über die 2.000 Jahre. Ansonsten denke ich, daß Religion eigentlich eine super Sache sein könnte. Leider sind nur die Leute oft recht seltsam. Selbst wenn sie versuchen nett zu sein. Aber dasselbe trifft auf Informatiker zu.
Welche Diskussion in Erlangen meinst du? Das muß an mir irgendwie etwas vorbeigegangen sein. Ich weiß auch nicht, was es da zu diskutieren gibt. Wenn jemand einen Bibelcomic zeichnen will, dann soll er das tun. Solange er mich nicht zwingt, ihn zu lesen. Jeder soll im großen und ganzen das zeichnen dürfen, was er für richtig hält.

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2010
248 Seiten S/W und 4c
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