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COMIC!-JAHRBUCH 2011

Vielfalt trotz Krise
Der spanische Comic-Markt konsolidiert sich

Von Christof Ruoss

Anhaltend hoher Titelausstoß der Verlage, zunehmende Verankerung des Mediums im regulären Buchhandel, leichtes Abflauen des Manga-Booms bei gleichzeitiger Diversifizierung der Angebotsstruktur, Stabilisierung des Magazingeschäfts am Kiosk und Ausbau des Kreativanteils einheimischer Autoren am Gesamtumsatz – im Jahr 5 nach der Neuordnung der Verlagslandschaft und im zweiten Jahr der globalen Wirtschaftskrise trotzt der spanische Comicmarkt allen Widrigkeiten mit erstaunlicher Vitalität.
Nicht zum ersten Mal trägt unser Bericht zur Lage im spanischen Comicmarkt das Wörtchen Krise im Titel. Und ebenfalls nicht zum ersten Mal wird unser Fazit eben diesem Krisenhintergrund zum Trotz erfreulich und ermutigend ausfallen. Aber greifen wir nicht weiter vor, sondern nehmen wir den Faden dort wieder auf, wo wir ihn vor drei Jahren mit ungewissem Ende liegengelassen hatten ...


Schöne neue Marktordnung

Wir erinnern uns: In der ersten Hälfte des zu Ende gegangenen Jahrzehnts hatte sich der spanische Comicmarkt durch das Hinzustoßen eines neuen «Big Players», den Manga-Boom, die zunehmende Professionalisierung einer neuen Autoren- und Independent-Verlagsszene sowie das Aufbrechen der – jahrzehntelang festgeschriebenen – Vertriebsbeschränkungen grundsätzlich neu geordnet. Das ließ uns 2007 mit einer Vielzahl offener Fragen zurück: Würde die zwischen 2002 und 2007 entstandene Marktdynamik und der kontinuierlich angewachsene Titelausstoß sich über einen längeren Zeitraum halten lassen? Würde es zu einem, an Härte zunehmenden, Verdrängungswettbewerb unter den mittleren und großen Verlagen kommen und wer sollte als Verlierer auf der Strecke bleiben? Würden Manga bald vollständig die Vormacht im Mainstream übernehmen? Wie sollten sich die Öffnung des regulären Buchhandels wie auch die neuen Vertriebsmöglichkeiten über Supermärkte und Großhandelsketten auf das Gesamtmarktgefüge auswirken? Würde sich die, in der ersten Hälfte des Jahrzehnts explosionsartig angewachsene, Indie-Verlagsszene im Gerangel zwischen den «Großen» behaupten können? Und zuguterletzt: Würde die, damals verhalten positiv zu beurteilende, Gesamtentwicklung irgendwann auch bei den einheimischen Autoren ankommen, die bis dahin nach wie vor ihr Wohl meist in ausländischen Märkten suchen mußten?
Wenngleich die Beantwortung all dieser Fragestellungen im Detail nach drei Jahren der neuen Marktordnung durchaus ambivalent ausfallen mag, so kann zusammenfassend derzeit doch ein recht positives Resümee gezogen werden: Die neuen Verhältnisse ließen sich auf nahezu ganzer Breite konsolidieren, die großen und mittelgroßen Mitspieler haben sich in den neuen Machtverhältnissen eingerichtet, ohne daß einer der Mitbewerber auf der Strecke bleiben mußte. Die Absatz- und Titelausstoßzahlen – welche zwischen 2007 und 2008 ein nie dagewesenes Hoch erreicht hatten – fielen in den Folgejahren zwar wieder etwas zurück, halten sich aber weiter auf einem stabil hohen Niveau, während die Vielfalt an Titeln im Buchhandelssegment sogar weiter zunimmt. Manga spielt immer noch eine für die meisten Verlage wichtige und stabilisierende Rolle, ist aber doch auch in Spanien – wie in den meisten europäischen Märkten – mittlerweile auf ein realistischeres «Normalmaß» zurückgeschrumpft, welches – außer bei einigen wenigen der international erfolgreichen Bestsellertitel – von den meisten Einzelbänden kaum mehr verkauft als vergleichbare Alben oder Trade-Paperbacks europäischer oder US-amerikanischer Provenienz. Die neu hinzugekommene Generation junger Independentverlage, deren Aktivitäten sich nahezu ausschließlich auf den Buchmarkt konzentrieren, konnte sich nicht nur stabil etablieren; einige Vertreter dieser Kategorie stehen sogar bereits kurz davor, umsatztechnisch zu bisherigen «mittleren Größen» wie DOLMEN, EL JUEVES und La Cupula aufzuschließen. Und auch die allerletzte Frage zur Situation der einheimischen Künstler läßt sich in diesem Zusammenhang vorsichtig optimistisch beantworten: Vor allem der Umsatzzuwachs im Buchhandel und die Eröffnung neuer Vertriebswege, die in erster Linie den Buch- und Paperbackformaten zugute kamen, die anhaltende Popularität publikumswirksamer Events wie der Comicsalons in Barcelona, Madrid, La Coruña und anderen Städten sowie der mediale Aufmerksamkeitsschub, welcher dem Comic durch die Einrichtung des staatlichen «Nationalen Comicpreises» beschert wurde, führte tatsächlich dazu, daß heute vermutlich so viele Titel von einheimischen Autoren im spanischen Markt vertrieben werden wie seit den frühen 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr.


Das Ganze in Zahlen

Wie eigentlich fast überall dort, wo man gerne besser dastünde (will sagen: derzeit vermutlich in nahezu allen Comicmärkten rund um den Globus), so ist es auch in Spanien seit jeher schwierig, allgemeinverbindliche und verbindliche Zahlen zur tatsächlichen Lage des Marktes zu erhalten. Bezeichnenderweise gab es just in 2007 – dem bisher erfolgreichsten Jahr der letzten drei Dekaden – erstmals eine, zwischen den großen Verlagen verabredete, Initiative zur Offenlegung sämtlicher Absatzzahlen. Ein nie dagewesener Vorsatz zur Transparenz – der dann allerdings kaum bis zur Zusammenstellung des ersten gemeinsam vereinbarten Reports anhielt und auch in den Folgejahren nicht mehr weiter verfolgt wurde. Trotzdem gibt es natürlich die eine oder andere Zahl, welche zumindest hie und da vereinzelte Schlaglichter auf die Gesamtsituation des Marktes wirft.

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2010
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