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COMIC!-JAHRBUCH 2011

Der innere Film
Interview mit dem Stuttgarter Comiczeichner Martin Frei

Von Burkhard Ihme

COMIC!: Was sind die aktuellen Projekte, an denen du gerade arbeitest?

Martin Frei: Zur Zeit arbeite ich an einem Fantasy-Comic, der die Legende von Jack O‘Lantern aufgreift, die die Herkunft des ausgehöhlten Kürbis‘ bei Halloween beschreibt (der wenig tugendhafte Hufschmied Jack kann dem Teufel die Unsterblichkeit abtrotzen, wird aber im Himmel abgewiesen und wandert seither mit einem Kürbis, in dem eine Kohle des Höllenfeuers steckt, durch die Welt). Auf die Story bin ich vor drei Jahren in einer Radiosendung gestoßen. Ich habe die Geschichte zu einem modernen Comicalbum umgearbeitet und mit zusätzlichen Elementen aus der irischen Mythologie ausgeschmückt.

COMIC!: Hast du schon einen Verlag dafür?

Martin Frei: Noch nicht, es wird aber wohl auf die üblichen Verdächtigen hinauslaufen. Ich sollte in dem Zusammenhang erwähnen, daß ich im neusten «Grimm» (Nummer 10) mit dem Märchen «Der Teufel mit den drei goldenen Haaren» vertreten bin. Kommt im Herbst 2010 bei Zwerchfell. Das Märchen hatte ich gezeichnet, als ich für Lanternjack die Figuren entworfen habe. Thematisch liegen beide Geschichten ja ähnlich. Witzig ist, daß ich trotzdem zu ganz unterschiedlichen Resultaten gekommen bin. Das fängt beim Zeichenstil schon an, und geht dann mit der Gestaltung des Teufels weiter. Je nach der Funktion, die er in der jeweiligen Geschichte spielt, hat er ein anderes Äußeres. Bei Lanternjack spielt er eine weniger dominante Rolle.

COMIC!: Wie lange sitzt du schon an der Geschichte?

Martin Frei: Etwa zweieinhalb Jahre. Da das neben meiner normalen Arbeit läuft, dauert es eben länger. Das Drehbuch brauchte erst die richtige Form, so daß der Leser sich mit dem eigentlich unsympathischen Charakter Jack identifiziert. Letztes Jahr hab ich die Bleistiftzeichnungen gemacht, dieses Jahr die Tusche. Und die ersten fünf Seiten sind schon koloriert. Ich hoffe, daß ich Frühjahr nächsten Jahres dann fertig bin.

COMIC!: Das klingt nach einer aufwendigen Kolorierung ...

Martin Frei: Das Tempo ist natürlich auch eine Frage der Routine. Die Kolorierung ist etwa im Stil von meinem Fantasy-Comic «Asanghia» von 2006. Nur wird sie etwas malerischer ausfallen; ich werde auch die Tuschzeichnung, insbesondere bei den Hintergründen, einfärben. Die Kontur der Figuren bleibt aber meistens schwarz (z.B. in einer Nebelszene, an der ich gerade arbeite, werden natürlich die ursprünglich schwarzen Linien deutlich aufgehellt).

COMIC!: Du kolorierst am Rechner? In welcher Auflösung?

Martin Frei: Da die Line-art ja nicht gesondert in hoher Auflösung gespeichert wird, hab ich die ganzen Seiten in 600 dpi angelegt. Das ist ja mit den heutigen Rechnern wie meinem Mac Mini kein Problem mehr (selbst der G3, den ich noch zur Reserve stehen habe, käme damit klar).

COMIC!: Du sagst, die Arbeit an dem Album läuft nebenher. Womit verbringst du den Hauptanteil deiner Arbeitszeit?

Martin Frei: Momentan arbeite ich an den «Star-Trek»-Covern für Cross Cult. Ich springe ein, wenn aus irgendeinem Grund das Originalcover nicht in das Gesamtbild der Serie paßt. David Mack, dem Autor von «Star Trek Destiny», ist sein neues Cover in Deutschland auch schon positiv aufgefallen. Aber der Job ist nicht typisch für meine Arbeit. Meistens geht‘s dabei auch um Comiczeichnen und Illustrationen. Aber um Arbeiten, die etwas lukrativer als die Alben sind. Vor allem Comics für MAD und die «Fritzle»-Strips für den VfB Stuttgart, die ich seit 18 Jahren zu jedem Heimspiel zeichne. Das waren zunächst einzelne Streifen in schwarzweiß, seit letzter Saison Dop-pelstreifen in Farbe. Während die früheren Strips immer auf den jeweiligen Gegner gemünzt waren (Fritzle hat das Maskottchen des Gastvereins veräppelt oder etwas mit ihm unternommen), hat der VfB-Alligator jetzt einen eigenen kleinen Kosmos. Hauptsächlich besteht der aus einem Sidekick, der die jugendlichen Fans repräsentiert, und dem sprechenden Ball, den ich aus der Anfangszeit herübergerettet habe. Der Sidekick heißt übrigens «Hattrick», der Ball «Rund».

COMIC!: Kommen die Spieler auch vor?

Martin Frei: Nicht mehr so häufig wie zuletzt bei den kurzen Strips, als es zum Konzept gehörte, verdiente und aktuell im Fokus stehende Spieler zu integrieren. Wenn sie jetzt vorkommen, bzw. aktuelle Ereignisse aufgenommen werden, dann durch die Brille der beiden Hauptpersonen.

COMIC!: Zum Schöpfer des VfB-Maskottchens wurdest du als Gewinner eines Zeichenwettbewerbes.

Martin Frei: Ja, das war ein öffentlicher Aufruf des Vereins. Es gab etwa 3.000 Einsendungen. Da haben sich auch viele Comiczeichner aus der Region beteiligt. Eine Vorauswahljury hat sechs Entwürfe ausgewählt, und die wurden in der regionalen Sportsendung «Sport im Dritten» und in der Tageszeitung vorgestellt. Da konnte dann mittels TED und Postkartenvoting abgestimmt werden. Der TED brach das erste Mal unter dem Ansturm zusammen, eine Woche später mußte die Wahl wiederholt werden. Das ging an die Nerven. Umso mehr habe ich mich dann gefreut, als mein Entwurf als Sieger hervorging.
Zum ersten Heimspiel der Saison 92/93 schlüpfte der Alligator – heute sagt jeder nur noch «Krokodil» – buchstäblich aus dem Ei. Das Konzept war von Anfang an, einerseits das Maskottchen live im Stadion zu haben, andererseits mit Comics die ganze Sache zu begleiten. Und ein Jahr später gab es eine Wahl, in der der Name des Maskottchens bestimmt wurde. Die Fans wählten «Fritzle». Das ist nicht nur der Protagonist zahlreicher schwäbischer Witze, auch der Mittelstürmer der damaligen Mannschaft hieß Fritz Walter (er schoß in 216 Bundesligaspielen für den VfB 102 Tore und war Torschützenkönig der Meister-Saison 1991/92). Das VfB-Maskottchen ist das langlebigste in der neuen Maskottchengeneration, der Kölner Geißbock und andere Traditionsmaskottchen ausgenommen. Der «Batzi» vom FC Bayern, der zur gleichen Zeit entstand, wurde ja inzwischen durch einen Bären ersetzt.

COMIC!: Hast du auch bei MAD eine feste Rubrik?

Martin Frei: Für das jeweilige MAD-Thema mach ich einen zweiseitigen Beitrag, quasi auf Zuruf der Redaktion. Und den «Promi Newsflash» betreue ich jetzt seit 50 Folgen, auch eine Doppelseite mit sechs Strips. Dabei geht es natürlich nur um «Prominente», die die jugendlichen MAD-Leser kennen. Und die ich manchmal erst kennenlerne, wenn ich am Strip arbeite.

COMIC!: Ein Sammelband zum Jubiläum ist aber nicht angedacht?

Martin Frei: Es gibt die MAD-Specials, in denen hin und wieder meine Beiträge zweitverwertet werden. Ich hab zwar mal angeregt, auch die Promi-News zu recyceln, aber die sind wohl zu tagesaktuell. Nach drei Jahren kennt man die Promis nicht mehr, oder ihre damaligen Skandale sind im Bewußtsein durch neue verdrängt worden.

COMIC!: Du textest die Beiträge alle selber?

Martin Frei: Nein, den «Promi Newsflash» nicht. Den textet Thomas Milse, der hat zuvor schon die «Junior-Promi-High-School» bei MAD geschrieben und die neue Rubrik aus der Taufe gehoben; ich bin erst kurz danach als Zeichner eingestiegen.

COMIC!: Du hast ja bereits mit anderen Autoren zusammengearbeitet, von denen Fred Breinersdorfer1 der bekannteste sein dürfte. Haben die immer regelrechte Drehbücher vorgelegt?

Martin Frei: Vom Schimanski-Tatort «Zweierlei Blut» gab es ja bereits ein Drehbuch. Und alles andere wie Hintergrundreferenzen konnte ich aus dem Film übernehmen. Wobei die Adaption des Tatorts eh ein dynamischer Prozeß war, die Darsteller hatten sich damals auch nicht hundertprozentig an das Skript gehalten, haben improvisiert. Beim Comic haben wir dann auch eigene Formen gefunden um die Geschichte zu visualisieren. Hinzu kommt, daß auch schon mal gekürzt werden mußte, nicht so sehr im Text, auch im Szenenverlauf oder bei häufigem Dialogwechsel. Der Comic hat da seine eigenen Gesetze.
«Bruderliebe» war eine Kurzgeschichte von Breinersdorfer von 1983, die ich vor Schimanski 1990 umgesetzt habe. Der Kontakt entstand, als im Radio bei «SDR 3 Leute» Fred Breinersdorfer zwei Stunden lang zu Gast war und da den Wunsch äußerte, auch mal einen Comic zu machen. Ich hab mich daraufhin bei ihm gemeldet und da gleich mein erstes Album «Radiopolis» beigelegt. Breinersdorfer hatte zu dem Zeitpunkt einen eigenen Verlag (Factor Verlag). Die «Bruderliebe» war als S/W-Taschenbuch mit etwa 70 Seiten geplant. Auch der «Tatort»-Krimi «Zweierlei Blut» nach Breinerdorfer und Felix Huby sollte da erscheinen, allerdings in Farbe. Als das im eigenen Verlag nicht wie erhofft lief,2 hat er das Material dem Ehapa Verlag angeboten. Für die Alben-Veröffentlichung mußten die Seiten dann ummontiert werden. Und das war noch vor Photoshop!

COMIC!: Nach nur einem Tatort-Band war trotz der ordentlichen Verkäufe schon Schluß. Haben die anderen Rechteinhaber erst dann ihre finanziellen Interessen entdeckt?

Martin Frei: Die haben schon beim ersten Band ihre Prozente bekommen. Aber für die war das ja eine Zweitverwertung, während ich die Arbeit hatte und die Seiten erstmal zeichnen mußte. Für einen deutschen Comic hat sich das Album schon ganz ordentlich verkauft, eine zweite Auflage hat es zumindest gegeben. Wir waren auf Blueberry-Niveau. Aber ohne Auslandauswertung lohnt sich das für den Zeichner nicht wirklich.
Der «Tatort»-Comic löste damals einen kleinen Medienhype aus. Da stimmte das Timing. Ein halbes Jahr zuvor hörte Götz George beim Tatort auf. Doch die Zeitungen wollten weiter über Schimi schreiben. Da griffen die dann dankbar die Ehapa-Meldung «Schimi Is Back» auf. Es gab sogar einen kleinen Vorabdruck in der BILD Duisburg, was Götz George gar nicht so gern gesehen hat, er boykottiert ja BILD. Michael Walz, der damalige Chefredakteur in der Ehapa Comic Collection, wollte Götz George zum Comicsalon nach Erlangen holen und erzählte die Episode dann auf dem Salon in der Talkrunde zu dem Schimi-Thema. George kam bekanntlich nicht. Das Medien-Echo auf den Tatortcomic war jedenfalls so groß, daß der Comic sogar für den Presse-Grosso-Vertrieb angetestet wurde. Was aber dann vom Verlag doch nicht weiterverfolgt wurde.

COMIC!: Bei «Bruderliebe» lag dir auch ein Drehbuch vor?

Martin Frei: Nein, da gab es nur die Kurzgeschichte im Heyne Krimi-Jahresband 1983. Die hab ich mir vorgenommen und ein Storyboard mit Bildern und Sprechblasen erstellt. Das hab ich Breinersdorfer vorgelegt, und er hat sich das angeschaut und «kritisch begleitet». Er hat z. B. eine andere erzählerische Form für einige rein beschreibende Passagen gefunden. Das war dann visueller und comicgerecht.

Auf den Geschmack gekommen?
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Links zum Artikel

www.gringo-comics.de
http://martinfrei. blogspot.com
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Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2010
248 Seiten S/W und 4c
EUR 15,25
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