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COMIC!-JAHRBUCH 2011

Vorwort

Von Burkhard Ihme

Dieses Jahrbuch steht im Zeichen zweier Jubiläen: zehn Jahre COMIC!-Jahrbuch und 30 Jahre Interessenverband Comic e.V. ICOM. Der Verband, der diese Publikation überhaupt erst möglich macht, wurde am 21. März 1981 gegründet (ein erstes Treffen ohne offizielle Vereinsgründung fand am 25. Oktober 1980 statt). Da in den zehn Jahren und elf Ausgaben des COMIC!-Jahrbuchs schon der 20. und der 25. Geburtstag abgehandelt wurden, feiert sich der ICOM dieses Jahr ganz bescheiden, indem er über andere Comicverbände berichtet («ICOM e.V. & Co. – Comicverbände weltweit» auf Seite 44). Und das COMIC!-Jahrbuch belohnt sich mit einem etwas größeren Umfang und einer längeren Farbstrecke (40 Seiten).
Das Schwerpunktthema dieses COMIC!-Jahrbuchs heißt «Kindercomics». Kindercomics? Ist das nicht eine Tautologie? Nein, ganz im Gegenteil: Comics entstanden als Literatur für Erwachsene und sind es gerade heute, auch wenn das Bewußtsein dafür erst zu wachsen beginnt, in ganz besonderem Maße, zumindest wenn man die Anzahl der Veröffentlichungen wertet. Nur sehr wenige der im Buch- und Fachhandel vertriebenen Titel richten sich dezidiert an eine Leserschaft, die das Lesen gerade erst gelernt hat (oder – auch mit Hilfe solch textarmer Publikationen – lernen soll). Geht es aber um Auflagenzahl und Verbreitung, sind Kindercomics nach wie vor führend. Zwar büßte das Flaggschiff am Zeitschriftenmarkt, die seit 1951 erscheinende MICKY MAUS, in den letzten Jahren dramatisch an Käufern ein (von ca. 650. 000 1991 auf 172.074 Ende 2009, die aktuellste Erhebung zum 3. Quartal 2010 weist 191.185 verkaufte Exemplare aus), trotzdem hat das Heft laut der seit 17 Jahren durchgeführten «KidsVerbraucherAnalyse» (KidsVA) des Egmont Verlages eine Verbreitung von 627.000 Lesern (fast das Doppelte von GEOLINO, das bei den Verkäufen vorne liegt). In der genannten Studie wird eine «ungebrochene Lust am Lesen (…) auch zu Beginn des neuen Jahrzehnts» konstatiert: «Die in diesem Jahr abgefragten 44 Kinderzeitschriften haben 4,35 Millionen regelmäßige Leser – das sind 70,2 Prozent aller 6- bis 13jährigen.» Nicht erfaßt werden die als Werbeträger produzierten Comics wie KNAX (800.000 Auflage) und PRIMAX sowie die in Apotheken verteilten MEDIZINI (1.757.042 laut IVW) und JUNIOR (885.018). Das sind Zahlen, mit denen in Deutschland nur «Asterix» konkurrieren kann, und auch der wird zu großen Teilen von Kindern gelesen. Grund genug also, um sich ein wenig umzuschauen, wie es um den Kindercomic, insbesondere im Buchhandel, bestellt ist. Ebenfalls zu diesem Thema zu rechnen, auch wenn es im Buch nicht an dieser Stelle eingeordnet wurde, ist das Interview mit Jörg Peter, der für JUNIOR und KLÄX zeichnet.
Ein Höhepunkt des zurückliegenden Comicjahres war die Deutschlandpremiere eines 2002 als «Free Comic Book Day» in den USA entwickelten Konzeptes: der deutsche Gratis-Comic-Tag am 8. Mai 2010. Die Verlage produzieren Extra-Ausgaben ihrer Serien und geben sie zum Herstellungspreis an die Händler ab. Diese wiederum verteilen sie am ersten (in den USA) bzw. zweiten Samstag im Mai an ihre Kunden (oder am liebsten: an Neukunden, also Besucher, die erstmals den Weg in die heiligen Nischen der Comicläden finden). Der grundlegende Unterschied zur Veranstaltung der amerikanischen Kollegen ist in Deutschland die enge Kooperation der beteiligten Verlage (in diesem Jahr 17, 2011 werden es voraussichtlich 32 sein), die trotz unterschiedlichster Inhalte ein einheitliches Format (16,8 X 24 cm) wählten und auch gemeinsam die 170.000 Hefte drucken ließen. Entstanden war der Plan beim Gedankenaustausch einiger Comicverlage bei einem Treffen in Köln als Maßnahme zur Unterstützung des Comicfachhandels. Ging man bei ersten Planungen in einer vorsichtigen Schätzung von 50 teilnehmenden Händlern aus, so wurden es doch trotz einer ungünstigen Konstellation (die traditionelle Kölner Comicmesse Intercom wich dem Feiertag 1. Mai aus und fand so am gleichen Tag statt, was viele dort engagierte Händler in einen Terminkonflikt brachte), immerhin 147 Teilnehmer. Fazit des ersten GCT: Fast alle Läden waren gut besucht oder wurden gar regelrecht überrannt, und fast alle hatten zu wenig Hefte geordert. Dies war der fehlenden Erfahrung mit einem solchen Ereignis und auch ein wenig den zeitlichen Vorgaben geschuldet (erst Mitte Januar wurde die Veranstaltung publik gemacht, bis zum 11. Februar mußten die Hefte geordert werden). 2011 wird also alles besser (siehe Interview mit Andreas Mergenthaler und Filip Kolek, die die Gestaltung der Werbemittel und die Pressearbeit erledigten, auf Seite 50).
Einer Herausforderung werden sich die beteiligten Händler aber erneut stellen müssen: Wie verteilt man ein begrenztes Kontingent an Gratis-Heften über den ganzen Tag gestreut gerecht an die zahlreichen Interessenten? Und wie behandelt man seine Stammkunden? Haben sie das Anrecht auf ein Komplettpaket, das den Händler immerhin 12,00 € kostete? Die Lösungen fielen in den Läden sehr unterschiedlich aus. Die Besucher konnten sich zwischen einem und fünf Comics aussuchen, weitere Hefte wurden gekoppelt an Comickäufe ausgegeben. Und einige Leute mißverstanden den Aufdruck «Gratis-Comic» leider völlig (im Moment findet man auf Ebay 67 GCT-Hefte, viele zum Sofortkauf für 3,50 € bis 12,00€, darunter auch Angebote beteiligter Händler. Auch wenn nach dem 8. Mai der Verkauf möglich ist: Eine Gewinnspanne zwischen 775 und 2.900 % ist doch ungewöhnlich).
Auch auf dem 14. Erlanger Comicsalon wurde kostenlos verteilt. Dort gab es nämlich zum zweiten Mal das Panini-Sticker-Album mit Aufklebern der beteiligten Verlage und Veranstaltungsorte. Leider wurde dabei kurzfristig und ohne Rücksprache mit den zahlenden Auftraggebern die Auflage drastisch gesenkt, so daß das Standpersonal vor der Aufgabe stand, die Ausgabe zu kontingentieren, damit nicht schon am ersten Messetag Schicht im Schacht war. Das führte zu seltsamen Prozeduren. Einige Sticker wurden nur auf gezielte Nachfrage ausgehändigt oder nur im Tausch für eine künstlerische Gegenleistung (wobei die Ansprüche nicht sehr hochgesteckt waren), Cross Cult sortierte die Aufkleber vor und heftete sie an ihren Werbeflyer mit dem Verlagsprogramm. Allen gemeinsam war ein Aufwand, der in keinem Verhältnis zum intendierten Zweck stand: die Messebesucher zum Aufsuchen aller, auch der entlegenen Stände, zu verleiten. Denn wenn dieses auch gelungen sein sollte: Die Messebesucher paßten ihr Verhalten der Herausforderung an. Ziel war nun vorrangig, alle Aufkleber des Albums zu erbeuten, das Interesse an den Comics und den Ausstellern trat in den Hintergrund. Dieses Phänomen betraf allerdings vor allem die kleineren Verlage. Panini konstatierte am Ende der Messe den mit Abstand besten Umsatz, den sie je in Erlangen erzielt hatten, der ICOM den mit Abstand schlechtesten (und damit sind die beiden Verlage genannt, die mit 16 bzw. 12 Aufklebern die meisten Sticker aller Beteiligten zu verteilen hatten). Das Problem, daß zwar alle Aussteller den gleichen Quadratmeterpreis bei den Standgebühren zahlen, die Besucherströme aber einige Areale der Messehalle nur sporadisch streifen, wird von den Veranstaltern konsequent verdrängt. Daß der ICOM als Begründer der Veranstaltung seit 14 Jahren zu den benachteiligten Teilnehmern gehört, ist da nur noch mit Schulterzucken abzuhaken.
Erlangen weist seit Jahren ein (nur durch die Weltmeisterschaft 2006 etwas gedrücktes) konstantes Besucheraufkommen von 25.000 Gästen auf. Dies nahm ZACK-Chefredakteur Georg F.W. Tempel im Editorial zur Septemberausgabe des Magazins zum Anlaß, Erlangen mit dem Comic Con in San Diego, den in diesem Jahr 140.000 Fans heimsuchten, zu vergleichen und Fragen bezüglich der Überlegenheit des «wilden Kommerzes» gegenüber dem in Erlangen gehuldigten Kunstanspruch zu stellen. In der anschließenden Forendiskussion erweiterte er seine Beschreibung der Präsenz von Film- und TV-Produktionsfirmen und bekannten Schauspielern beim Comic Con um die Forderung, neben neuen Filmen sollten sich auch Games-Produzenten und Merchandise-Hersteller in Erlangen vorstellen. Aber sind amerikanische Verhältnisse auf Deutschland und gar das beschauliche Erlangen zu übertragen? Welche Comics werden in Europa verfilmt, und was sollte die Produzenten dazu bewegen, ihre Filme in Erlangen zu präsentieren (und womöglich den Kinostart dafür ein Jahr lang zu verschieben)? Sind es überhaupt noch die Comicfans, die San Diego bevölkern, oder verschiebt sich das Interesse? Die Spielemesse in Essen bietet seit über zehn Jahren den Rahmen für die ComicAction, die, nachdem die meisten anderen Verlage wieder abgesprungen sind, sich zu einer Panini-Verkaufsshow gewandelt hat. Die SPIEL09 hatte 152.000 Besucher, aber nur wenige davon verliefen sich in den Comicbereich, von einer breiten Berichterstattung ganz zu schweigen. Das Comicfestival Hamburg No.4 (die drei Vorgänger 2006–2008 trugen noch «Äpfel, Nüsse, Fink und Star» im Titel) fand erstmals im Rahmen des gleichaltrigen Reeperbahnfestivals statt, dessen Musikschwerpunkt mit 170 auftretenden Bands den Fokus doch eher von den Comics ablenkt. Schaffen sich die Comicfestivals durch Angliederung an größere Events ab oder profitieren sie davon?
Zum Schluß bleibt in unserer traditionellen ZEBRA/ Commander-Cork-Rubrik zu vermelden: Nach über 26 Jahren rein analoger Produktion hat ZEBRA den Weg in die Digitalisierung eingeschlagen. Seit Ende 2009 erscheinen ZEBRA-Comics auf www.zampano-online .com im Internet. Nachdem der 19. ZEBRA-Newsletter Anfang 2010 bereits als E-Mail-Anhang verschickt wurde, steht der Newsletter 20 als Special auf www.splashco mics.de seit September 2010 für alle Interessenten mit funktionierendem Internet-Anschluß einsehbar im Netz.
Ein großer Schritt für ein kleines Zebra – ein völlig unbedeutender Schritt für die Menschheit!
Verwiesen sei noch auf unseren Zusatzservice, die Internetseite www.comic-i.com/Jahrbuch11.html, auf der alle Weblinks aus diesem Buch zu finden sind.

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2010
248 Seiten S/W und 4c
EUR 15,25
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