Zwischen populär und Avantgarde
Die vielfältige Produktion von Comics an Deutschlands Hochschulen
von Felix Giesa und Klaus Schikowski
Auf dem Comic-Salon 2008 in Erlangen muß die Anwesenheit vieler Hochschulen mit eigenen Publikationen wohl auch die Juroren des Max-und-Moritz-Preises überrascht haben. Deswegen entschloß man sich kurzerhand, die beste Hochschulpublikation mit einem Max-und-Moritz-Preis zu küren, und so konnte man die Juroren durch den Hochschulbereich schlendern sehen, in den einzelnen Anthologien blätternd. So nahmen dann auf der Bühne im Markgrafentheater am Abend der Preisverleihung drei junge Damen Platz, die mit ihrer Anthologie «PlusPlus» ausgewählt wurden. Damit reagierte man in Erlangen erfreulich kurzfristig auf ein Phänomen, das spätestens mit dem Beginn der so genannten &Mac220;Nullerjahre&Mac221; auch öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zog: Die Produktion von Comics an deutschen Hochschulen.
Zunächst waren es noch Diplom-Arbeiten, die als Comic veröffentlicht wurden, und ohne diese Publikationen wäre die deutsche Comic-Landschaft auch um einiges ärmer: «Held» von Flix, «Wir können ja Freunde bleiben» von Mawil, «Blue Moon of Kentucky» von Stefan Atzenhofer, «Acht, Neun, Zehn» von Arne Bellstorf, «Liebe schaut weg» von Line Hoven, um nur einige zu nennen. Es ist sicherlich auch kein Zufall, daß gerade diese Bände allesamt mit einem ICOM Independent Preis ausgezeichnet wurden. Man kommt also nicht umhin, festzustellen, daß es vermehrt Zeichner und Zeichnerinnen aus einem Hochschulumfeld waren, die die vorderen Plätze belegt haben. In jüngster Zeit waren es Simon Schwarz mit «drüben!» und der gerade mit dem Sondermann-Newcomer-Preis 2009 ausgezeichnete Michael Meier mit «Die Menschenfabrik», die ebenfalls ihre Diplom-Arbeit als Comic vorgelegt haben. Die Verlage sind natürlich dankbar über so viel Vorarbeit an den Hochschulen, müssen sie sich nicht vorab um die Finanzierung eines größeren Projektes kümmern und bekommen dazu noch eine fertigen Comic geliefert.
Doch nicht nur mit den Diplom-Arbeiten erregten die Studenten Aufsehen. Vor allem auch mit neuen Anthologien und Fanzines aus einem Hochschul-Umfeld und der Gründung neuer Künstlergruppen trat eine neue Bewegung in das deutsche Comic-Bewußtsein. Das ist so ganz neu nicht, schließlich studierten auch die Macher des ehrwürdigen Magazins «Moga Mobo» bei dem kürzlich verstorbenen Graphiker Heinz Edelmann in Stuttgart. Aber der Unterschied zu den früheren Tagen liegt darin, daß sich die heutigen Studenten aussuchen können, bei welchem Comic-Zeichner sie gerne studieren würden. Denn gerade das macht ja auch das Neuartige aus: Comic-Zeichner, die an Hochschulen unterrichten und so einer neuen Generation Interessierter die Kunst des Comics nahebringen. Aushängeschilder sind die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Department Design in Hamburg mit Anke Feuchtenberger, die Kunsthochschule Kassel mit Hendrik Dorgathen, Hochschule Augsburg Fakultät für Gestaltung mit Mike Loos, aber auch der Illustrationskurs der Folkwangschule Essen, wo Ulf K. für drei Semester doziert hat, oder Martin tom Dieck, der eine Professur für Illustration an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel innehat. Darüber hinaus hat man als Student auch noch weitere Möglichkeiten (siehe Kasten). Auch wenn dort vielleicht weniger namhafte Dozenten wirken, so bedeutet dies nicht, daß dort der Comic vernachlässigt wird. Diese Vielfältigkeit beweist, daß aus der «studentischen Ecke» in den nächsten Jahren noch viel zu erwarten ist.
Der Comic ist natürlich an den meisten Hochschulen kein eigenes Fach, sondern eingebettet in eine Herangehensweise, die freie Graphik, Design, Illustration und Comic vereint. Dieses Spannungsfeld treibt zunächst einmal viele Studenten in Richtung Comic. Denn viele von ihnen haben gar nicht vor, einen Comic-Studiengang zu belegen, sie lernen oftmals die Comics erst während des Studiums kennen. Aber einige der Professoren, die einen Comic-Background haben, bewegten sich genau an dieser Schnittstelle, und dabei handelt sich auch um Comic-Zeichner aus einer bestimmten Generation, die in einer Ausstellung mit dem Titel «Mutanten Die deutschsprachige Comic-Avantgarde der 90er Jahre» sogar in Angoulême vorgestellt wurde. Sowohl Dorgathen, als auch Feuchtenberger und tom Dieck bildeten jene &Mac220;Comic-Avantgarde&Mac221;, die in Grenzbereichen operierte, mit denen der gemeine Konsument herzlich wenig anzufangen wußte. Denn die Comics in den Neunzigern, als die Avantgarde ihren ersten Höhepunkt hatte, waren von nichts weniger als erzählerischer Konsistenz geprägt. Die Künstler versuchten vielmehr aufzuzeigen, wo die Trennung von Wort und Bild nicht mehr funktionierte und warfen das Narrative über Bord. Daß diese Künstler heutzutage eine Professur innehaben, ist kein Zufall, denn das Operieren zwischen den Weihen bildender Kunst und dem vermeintlich Trivialen der Comic-Erzählung öffnet scheinbar leichter die Türen einer Hochschule.