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COMIC!-JAHRBUCH 2010

Preisträger 2009
Herausragendes Szenario:
«Tara oder Der Marterpfahl,
der Leben heißt»
von Frank SPONG Plein


COMIC!: Du bist am 2. Februar 1968 im «gespenstischen Siegerland» geboren, sagt deine Website – wo denn da? Und welche Comics hat man dort gekannt?

Spong: Ich komme aus der Stadt Kreuztal im Siegerland. Die Comics habe ich zunächst mit den Lustigen Taschenbüchern entdeckt, später kamen dann Zeitschriften wie Kowalski oder Titanic, mit Leuten wie Walter Moers und Ralf König. Köln war nach dem extrem ruhig getakteten Siegerland ein gewaltiger Kulturschock, und es vergingen Monate, bevor ich mich überhaupt aus meinem Viertel traute. Aber dann habe ich Freunde gefunden und mich sehr gut eingelebt. Köln macht es einem eigentlich sehr leicht, sich hier wohl zu fühlen.

COMIC!: Du hast hier studiert ...

Spong: Ja, vier Jahre russische und englische Literaturwissenschaft. Als ich anfing, war Russisch noch eine Art Jobgarant, aber kaum war ich hier, kam die Wiedervereinigung und der Zusammenbruch der Sowjetunion, alle Perspektiven brachen weg, und ich brauchte einen Plan B. Den fand ich dann in Form einer Übersetzerausbildung in Maastricht.

COMIC!: Jetzt arbeitest du als Redakteur hier?

Spong: Seit über zehn Jahren, bei einer Softwarefirma als eine Art eierlegende Wollmilchsau. Ich mache Bildbearbeitung, Layout, Übersetzungen und Textredaktion.

COMIC!: Dein «erstes Erlangen» war 2002. Nun hast du den Preis für das herausragende Szenario bekommen. Szenarien sind eine Art «Drehbücher». Sind bei dir zuerst die Bilder da, oder ist es das Drehbuch?

Spong: Manchen Leuten gelingt es, Gestaltung wie Story spielerisch zu handhaben, und beides gleichzeitig entstehen zu lassen. Das hält den Prozeß sehr spannend und spontan, aber es birgt auch das Risiko, daß man nach 60 Seiten in der Story stecken bleibt und nicht mehr weiterkommt. Als ich die Graphic Novels von Ralf König, Peter Bagge und Alex Robinson entdeckte, wußte ich, daß ich genau so etwas machen wollte, und ich wollte auf keinen Fall riskieren, die Geschichte nach Dutzenden von Seiten an die Wand zu fahren. Daher starte ich in der Regel mit einem ausgearbeiteten Script, das zumindest den Plotverlauf genau festlegt, aber immer noch viel Raum für Änderungen und Improvisationen auf der Seite erlaubt.

COMIC!: Wer ist eigentlich die Hauptfigur? Die, von der man meint, daß sie die Hauptfigur ist? Steffen Witsend, mit Arne als Sidekick? Oder kann sich das in künftigen Romanen nochmal ändern?

Spong: Das kann sich von Story zu Story ändern, je nachdem, welche Idee mich in einer Geschichte reizt, oder wieviel welche Person für ein Thema hergibt. Steffen hat mit anderen Dämonen und Widrigkeiten zu kämpfen als Arne oder Bruno, und ich könnte mir auch vorstellen, ein ganzes Buch über Reginas Windmühlenkampf auf den Schlachtfeldern des Datings zu machen. Ich mag viele HBO-Serien1 wie die «Sopranos», wo, je nach Thema, verschiedene Personen in den Vordergrund treten können. Mein Traum wäre, das Leben meiner Protagonisten über lange Zeit in Echtzeit zu verfolgen, wie Jaime Hernandez es in «Love and Rockets» macht.

COMIC!: Lebst du eigentlich mit deinen Charakter? Sprichst du mit denen?

Spong: Tatsächlich kam mal seinerzeit die Kritik auf, daß die Charaktere sich zu ähnlich seien, und ich bin auf einen Trick verfallen, den Daniel Clowes anwendet. Der macht es wirklich so, wenn er neue Charakter entwirft, daß er sich zwei Monate mit ihnen unterhält, auf der Straße, wo auch immer, bis er ihre Gefühls- und Gedankenwelt in- und auswendig kennt. Lehrbücher geben oft Listen mit Fragen vor, die man den Protagonisten stellen soll, aber ich finde Clowes‘ Methode natürlicher. Die Figuren entdecken sich gleichsam selber.

COMIC!: Wird noch jemand neues hinzu kommen?

Spong: Kleinere Rollen vielleicht, mal ein Chef, der Ärger macht, oder Arbeitskollegen. Ansonsten bin ich mit einem Cast von circa 10 Leuten mehr als bedient.

COMIC!: Negative Gestalten sind bisher gar nicht dabei, von Machos aus Reginas Flirts abgesehen ...

Spong: Ich glaube, die große «Entdeckung» in der Lite-ratur oder allgemein der Kultur der vergangen Jahrzehnte ist die, daß die Begriffe «Gut» und «Böse» sehr relativ sind, und daß man bei Menschen mit diesen Kategorien nicht sehr weit kommt. Auch hier sind die HBO-Serien ein hervorragendes Beispiel: Der Mörder Tony Soprano ist eben auch ein liebevoller, treusorgender Vater. Ich komme langsam zu der Erkenntnis, daß jeder Mensch einfach jeden Tag versucht, so gut zu sein wie er eben kann, und oft scheitert er dabei; Steffen wird aus Schwächen und Komplexen heraus viele Fehler machen und viele Menschen verletzen, ebenso Arne.

COMIC!: So wie in «Halbstark» die Gegensätze zwischen Arne und Steffen auf der einen und Elvira auf der anderen Seite bestehen, als sie das Puppentheaterstück ansehen ...

Spong: Ja! Das ist übrigens so ziemlich die einzige Geschichte, die autobiographisch und ziemlich genau so passiert ist. Ich versuchte, ernst zu bleiben, und Oliver Bujock flüsterte mit fortwährend Bukowski-Zitate ins Ohr.

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2009
240 Seiten S/W
EUR 15,25
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