Piraten, Vampire und jeden Tag ein neuer Gag!
Der Cartoonist und Comic-Zeichner Harm Bengen
Von Achim Schnurrer
Wenn ich mich als Ex-Verleger an meine Zusammenarbeit mit Harm Bengen zurückerinnere, dann drängelt sich ein Eindruck mit aller Macht vor alle anderen: Ich spüre noch heute die Erleichterung, die ich jedes Mal empfand, wenn eine neue Folge von Sandra Bodyshelly in Vorbereitung war. Und zwar aus mehreren Gründen. Zum einen konnte ich mich blind darauf verlassen, daß Harm einen einmal zugesagten Termin auch einhalten würde, bei Comic-Zeichnern wahrhaft keine häufig anzutreffende Tugend. Zum anderen wußte ich bereits nach dem ersten Abenteuer der hocherotischen Blutsaugerin, daß sich Harms Arbeiten qualitativ durch ein beruhigend-gleichbleibendes, hohes Niveau auszeichneten, zeichnerisch wie auch erzählerisch.
Der dritte und für einen Verleger sicher wichtigste Grund war jedoch das Wissen, daß die Leser bereits auf die neue Folge warteten.
Der bescheidene Star
Zwar hat «Sandra Bodyshelly» nicht jene Bestseller-Verkäufe eines Ralf König, André Franquin oder Paolo Eleuteri Serpieri erreicht, aber unter Absatz-Gesichtspunkten konnte er sich problemlos im oberen Mittelfeld behaupten, bewegte sich mithin in der gleichen Liga wie PtiLuc, Edika oder Paul Gillon. Und das ist, für einen deutschen Comic-Zeichner zumal, ein beachtliches Ergebnis.
Mit anderen Worten: Er war einer der Stars im wahrhaft nicht gerade kleinen Zeichnerpool des Alpha-Comic Verlages respektive der Edition Kunst der Comics. Vorveröffentlicht in SCHWERMETALL (Alpha) erschienen die Alben wenig später bei der Edition. Dabei war er ein bemerkenswert bescheidener, stiller Star und ist es noch heute; auch das ist unter Comic-Künstlern eine eher rare Eigenschaft.
Heutzutage arbeitet Harm Bengen fast nur noch als Cartoonist und hat sich in diesem Metier wie schon zuvor als Comic-Zeichner einen guten Namen gemacht. Mittlerweile überstrahlt diese Tätigkeit seine Comic-Vergangenheit, wofür allein schon seine Dauerpräsenz bei WEB.de, 1und1 und GMX sorgte. Auch wenn diese einträgliche Zusammenarbeit im September 2008 endet, so zeichnen sich für die Zukunft doch weitere Online-Aktivitäten ab, über die ich zum Zeitpunkt, da ich diese Zeilen tippe, noch nichts weiter verraten darf.
Hinzu kommen mit schöner Regelmäßigkeit Veröffentlichungen beim Lappan Verlag, die nebenbei bemerkt Auflagen erreichen, auf die der Comic-Zeichner Harm Bengen hätte neidisch sein können. Cartoonbücher finden nun mal als potentielle Geschenkbände viel leichter ihren Weg in den Buchhandel als Comics.
Söldner und Kommunist
Die Klarheit, die seinen Strich auszeichnet, spiegelt sich nicht nur in Harms Wesen wider, sie steht auch für seine künstlerische Entwicklung.
Geboren am 25. März 1955 in Arle, einem kleinen Ort in Ostfriesland, machte er nach Abitur und Bundeswehr «Söldner im Oldenburgischen» eine Lehre als Farblithograf, studierte Graphik-Design in Bremen und schulte sein soziales und politisches Bewußtsein beim KBW, einer kommunistischen Splittergruppe, von denen es Anfang der 70er Jahre als Folge der sich zunehmend zerfasernden 68er-Bewegung eine ganze Reihe miteinander konkurrierender Vereinigungen gab. Vor diesem Hintergrund wird Harm Bengens Haltung verständlicher, der nach einer kurzen Phase in einer Werbeagentur lieber wieder in den alten Lithographenberuf zurückwechselte, «weil ich», wie er sagt, «lieber ehrliche Arbeit tun als die Leute bescheißen wollte».
Noch heute pflegt er ein eher verhaltenes Verhältnis zur Werbung. Die Aufträge, die er in den letzten Jahren für Werbe-Agenturen abwickelte, kann er an zwei Händen abzählen. Obwohl natürlich von der Rigorosität und ideologischen Starrköpfigkeit, die so manche Position alter K-Gruppen auszeichnete, bei ihm nichts (mehr) zu spüren ist. Ob das jemals anders war, können nur alte Freunde und Weggefährten aus jenen Tagen beurteilen.
Nach dem frühen, tragischen Tod seiner Frau verlagerte Harm Bengen seinen Lebensmittelpunkt in den Süden der Republik und pflegt seitdem als Grenzgänger zwischen Bayern und Baden-Württemberg, genauer zwischen Ulm und Neu-Ulm, das Spiel, sich einer exakten Verortung zumindest potentiell immer wieder entziehen zu können. Diese Flexibilität ist für ihn überlebensnotwendig. Denn mit dem Semmel Verlach, in dem einige seiner frühen Cartoonbücher und der erste Ulfert-Band erschien, sowie dem Abgang von Alpha-Comic/Edition Kunst der Comics mußte er bereits zweimal miterleben, was es für einen Künstler bedeutet, wenn «sein» Verlag mit wehenden Fahnen in die Pleite segelt.