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COMIC!-JAHRBUCH 2009

Die Kunst der Mitte
«Erlangen 13» zwischen Büchermarkt und Bilderrausch

Von Clemens Heydenreich


Für die vielen Szenen und Subkulturen der Bildgeschichten-Welt war der Erlanger Comic-Salon schon immer so etwas wie das Großreich der Mitte. Um aber seine Geltung als wichtiges Kulturfest auch über jene Welt hinaus zu zementieren, sucht er verstärkt auch die Mitte zwischen Fan-Kultur und einem «Normalpublikum», dessen Berührungsängste schwinden. Beim 13. Salon, der mit seinem Schwerpunktmotto «China» für Neugier auch in comic-ferneren Kreisen sorgte, hat sich dieser Kurs ausgezahlt: in der klingenden Münze eines Publikumszuwachses von 20 Prozent. Wer in den nun wieder 25.000 Besuchern schlicht einen alten Normalpegel sieht, der nur zwischenzeitlich im Jahr 2006 durch Sommerhitze und Fußball-WM abgeflaut sei, der muß bedenken: Die neuen, guten Zahlen fuhren Manager Bodo Birk und sein Team ein, obwohl sie diesmal nicht mit dem Glanz anwesender Mega-Stars locken konnten – und obwohl raumtechnischer Ausnahmezustand herrschte.

Woran lag es, daß gleichwohl nach vier Tagen die Besucher, Berichterstatter und Messeaussteller so zufrieden waren wie selten zuvor? Gewiß daran, daß der 13. Comic-Salon mit fünf wichtigen Schwerpunkten eine Aufmerksamkeit zu erzeugen wußte, die sich eben nicht an Stars entzündete, sondern an Inhalten. Und die deshalb in den Medien ungewohnt weite Kreise auch jenseits der Fachpresse zog. Erstens sorgte das Thema «China» nicht nur für Neugier, sondern ließ sich auch trefflich mit dem Manga-Segment verbinden. Zweitens bildeten die übrigen der rund 20 Ausstellungen, weiterhin dem Universalitäts-Anspruch des Salons folgend, das Comic-Schaffen in vieler Herren Länder auch diesseits des fernen Ostens ab. Drittens griffen die Macher den neuen Buchmarkt-Trend zur «Graphic Novel» auf, um den Comic als Teilgattung der Literatur etablieren zu helfen. Hiermit schrieben sie ebenso einen bereits 2006 zu spürenden Trend fort wie mit – viertens – neuen Ansätzen, den Independent-Nachwuchs zu fördern. Mehr denn je durften – fünftens – auch nicht besonders comic-affine «Laufkunden» bei spaßigen Freiluft-Aktionen hineinschnuppern in das, was die (geschickt aufmerksam gemachten) Boulevardmedien gerne «die Welt der bunten Bilder» nennen. Und bei alledem blieb der Salon das, was er immer war: ein fröhliches Familientreffen der Comic-Welt.


Mond und Management: Ungewohnte Umstände

Was für alle Menschen gilt, gilt auch für Kulturmanager: Manche Dinge hat man in der Hand, manche nicht. Zwei Umstände etwa, die in den Händen höherer Mächte liegen, sind der Kirchenkalender oder ein kommunaler Gebäudesanierungsplan. Und eben die sorgten dafür, daß im Vorfeld des Salons 2008 vieles unwägbar schien. Auf dem Resümee-Podium aber waren Bodo Birk und die Verlagsvertreter dann so gelöster Laune wie selten zuvor.
«Laune» kommt von «Luna». Der Mondkalender war es, der dem Jahr 2008 einen extrem frühen Fronleichnams- und somit Salon-Termin bescherte. Daß mithin zwei Hauptgründe der Besucher-Delle von 2006 wegfallen würden, nämlich Tropenhitze und Fußball-Konkurrenz, das stand fest. In den Sternen stand jedoch, wie- viel Interesse ein Comic-Festival ohne alles überstrahlende Gast-Stars wecken würde: Lebenspreisträger Alan Moore jedenfalls, auch soviel war klar, würde nicht – wie 2006 Jacques Tardi – über den Schatten seiner «splendid isolation» springen.
Bevor wir dazu kommen, warum am Ende dennoch niemand in den Mond guckte, noch schnell zum Bausanierungsplan. Das barocke Palais Stutterheim am Marktplatz wird derzeit renoviert, weshalb die Städtische Galerie in den sogenannten «Museumswinkel» ausweichen mußte, einen rotgeklinkerten Industriebau aus den 1890er Jahren, den die Siemens AG der Stadt zur kulturellen Nutzung geschenkt hat. Und weil in jenem Museumswinkel ohnehin schon seit Jahren das Kulturamt sitzt, bot es sich an, ihn auch anderweitig zu bespielen. Bloß: Er liegt so dezentral, wie Industriebauten eben liegen – gut fünfzehn Gehminuten östlich vom Messetrubel. Würde es gelingen, Besucher dorthin zu lotsen?

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2008
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