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COMIC!-JAHRBUCH 2008

Sonderpreis der Jury für eine besondere Leistung oder Publikation:
Paul Derouet (Comicseminar Erlangen)

Von Klaus Schikowski


COMIC!: Seit 1986 gibt es das Deutsch-Französische Comic-Zeichner-Seminar in Erlangen. Damit hast du einen wichtigen Beitrag für ein Selbstverständnis des Comics in Deutschland geleistet und verdientermaßen den ICOM-Sonderpreis für eine besondere Leistung bekommen. Kannst du für die Leser des Jahrbuchs bitte noch einmal kurz die Geschichte des Seminars skizzieren?

Paul Derouet: Ich weiß nicht, ob der von dir erwähnte Beitrag so wichtig ist, aber gut, dieses Seminar hat zumindest niemandem geschadet. Die Idee entstand 1986 anläßlich des zweiten Erlanger Comic-Salons. Damals hatte Karl Manfred Fischer, der Leiter des Kulturamtes Erlangen, alle Aussteller und Beteiligten gebeten, etwas Besonderes zu leisten. So finanzierte ein Verlag eine Ausstellung, ein anderer lud ein paar ausländische Künstler ein.
Die junge Agentur Becker-Derouet, die Hartmut Becker und ich ein paar Jahre zuvor gegründet hatten, bekam damals jeden Tag Arbeiten (und oft Besuch) von unzähligen Zeichnern aus allen deutschsprachigen Regionen. Der Grund dafür war, daß es uns gelungen war, einige Autoren (insbesondere Matthias Schultheiss und Chris Scheuer) an französische Verlage zu vermitteln. Es war in der Regel mein Job, diese Post zu beantworten. Das Niveau war oft ziemlich schwach, die meisten waren zwangsläufig Autodidakten, denn es gab ja damals in Deutschland kaum eine Möglichkeit, das Metier zu erlernen, auch nicht in Kunsthochschulen.
So entstand die Idee, im Rahmen dieses zweiten Comic-Salons einen Workshop zu organisieren. Das Kulturamt und in erster Linie das Französische Kulturinstitut unterstützten das Projekt. Wir bekamen dafür eine Subvention aus Frankreich.
Die Dozenten dieses ersten Seminars waren Matthias Schultheiss und der Franzose Gérald Gorridge, der Dozent für Comic an der École des Beaux Arts in Angoulême war. Wie ich schon oft erzählt habe, hatte ich damals nicht unbedingt vor, ein zweites Seminar zu organisieren. Claude Crouail, der damalige Leiter des Französischen Instituts machte aber den Vorschlag, im Jahr darauf weiterzumachen (auch ohne Comic-Salon, den gibt es ja alle zwei Jahre).
Seitdem findet das Seminar jährlich statt: entweder unmittelbar vor dem Comic-Salon oder Anfang September, wenn es keinen Salon gibt. Im September 2007 ist es die 22. Veranstaltung (man wird ja nicht jünger und ich merke, daß die Teilnehmer immer mehr Schwierigkeiten haben, mich am ersten Tag schon zu duzen ...)

COMIC!: Würdest du bitte den typischen Ablauf eines Seminars von der Organisation bis zur Ausführung hin beschreiben?

Paul Derouet: Ungefähr vier oder fünf Monate vor dem Seminar gebe ich die Information bekannt. Früher ging es per Post an alle möglichen Adressen (Magazine, Buchhandlungen, Kunsthochschulen ...), inzwischen hauptsächlich per E-Mail und über die Homepage www.comic seminar.de. Die Bewerber schicken (mailen inzwischen) eine kurze Vita und Arbeitsbeispiele (Comics, wenn sie welche haben, aber nicht nur: Illustrationen, Studien, Skizzen sind auch interessant) und bekommen etwa sechs Wochen vor Anfang des Seminars eine Antwort.
Gleichzeitig bekommt jeder das vorgegebene Arbeitsthema, zu dem er ein kurzes Szenario bzw. einen Bilderablauf (4–8 Seiten) vorbereiten soll. Diese Kurzgeschichte gilt als Experimentierfeld, daran wird dann während des Seminars gearbeitet. Hier als Beispiel einige der letzten Themen: «Déjà-Vu» oder «Du gehst ins Museum und stehst vor Malewitschs Gemälde &Mac220;Schwarzes Quadrat auf weißem Hintergrund&Mac221; – Erzähl weiter». Beim kommenden Seminar im September 2007 lautet das Thema: «Oh pardon!! ... oder voll daneben ... oder fehl am Platz»; es geht hier um die eigene Konfrontation mit fremden Welten, Kulturen oder sozialen Schichten.

COMIC!: Was ist das Ziel des Kurses? Oder anders gefragt: Was lernt der Comicneuling im Comicseminar?

Paul Derouet: Zuerst erfährt der Neuling, daß er kein Einzelkämpfer ist, daß der Comic keine einfache Sache ist, daß alle anderen Seminar-Teilnehmer ähnliche Probleme haben. Das ist schon erstmal beruhigend.
Ihm sollte auch grundsätzlich klar werden (bei vielen ist es nicht unbedingt der Fall), daß ein Comic kein Bilder-Album ist, sondern eine Erzählung, deren Inhalt Vorrang hat. Ähnlich, wie in der Rhetorik oder der Literatur schöne Worte und Stil die Mittel, nicht das Ziel sind, machen schöne Bilder allein keinen Comic.
Es geht darum: Was will ich sagen und warum, was ist der Inhalt meiner Botschaft? Wen will ich ansprechen: Kinder, Erwachsene, einige Intellektuelle oder ein Millionenpublikum? Wenn ich das weiß, wird das Zeichnen und das Schreiben leichter.
Ich sehe manchmal Zeichner, die sooo gern ein bestimmtes Bild oder einen angeblich spannenden Zoom-Effekt zeigen möchten und dementsprechend ihr Szenario anpassen. Ich denke, das macht wenig Sinn, macht die Geschichte nur langweilig.

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2007
248 Seiten S/W
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