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COMIC!-JAHRBUCH 2008

Preisträger 2007
Bester Kurzcomic:
«Zuckerfisch» von Naomi Fearn

Interview von Nina Mahrt


Seit über sechs Jahren erscheint «Zuckerfisch», der wöchentliche Strip von Naomi Fearn nun in der STUTTGARTER ZEITUNG. Dort hat die Zeichnerin ihrem Alter Ego Nomi ein ganz eigenes Universum geschaffen. Auch wenn vieles dem echten Leben verdammt ähnlich sieht, ist bei Nomi und ihren menschlichen und tierischen Mitbewohnern und Freunden immer alles noch ein bißchen verrückter: sei es, weil ein paar Kakerlaken über Nomis Computer die Weltherrschaft an sich reißen wollen, weil sich ein Kaninchen und ein Hase für die Rechte der Homosexuellen einsetzen oder weil auch der Verlust eines Sacks Zucker schmerzen kann.
Naomi Fearn erweitert damit nicht nur inhaltlich den Horizont ihrer Leser, sondern gibt ihnen in ihren Bildern auch auf den zweiten Blick immer noch Neues zu entdecken. Da war es fast nur eine Frage der Zeit, daß die Stuttgarterin, die mittlerweile in Berlin lebt, nach zwei lobenden Erwähnungen in den Jahren 2003 und 2005 den ICOM-Preis erhält. Nun ist es soweit, denn der vierte Sammelband der Serie «Zuckerfisch» wurde 2007 in der Kategorie «Bester Kurzcomic» ausgezeichnet.

COMIC!: Kurz zur Geschichte von «Zuckerfisch», der in der STUTTGARTER ZEITUNG zum ersten Mal zum Jahresende 2000 erschien. Wann hast du die Figur Nomi erfunden und wo hatte sie ihren ersten Auftritt?

Naomi Fearn: Die ersten autobiographischen Comics ergaben sich aus einem langen Festival-Wochenende. Es war ein Elektronik-Musik-Festival und zur Unterhaltung der Mitreisenden (und damit sie sich nachher noch an was erinnern können) wurden die Ereignisse von mir in Comics festgehalten.

COMIC!: Wie kam die Figur dann zu regelmäßigen Auftritten in der STUTTGARTER ZEITUNG?

Naomi Fearn: Zur Jahreswende 2000/2001 suchte die STUTTGARTER ZEITUNG nach einem täglichen Strip für die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. Sie hatten eigentlich auf Stefan Dinter gehofft, der aber schon im Urlaub war, und so bekam ich mit «Zuckerfisch» dann die Chance. Auf einer Ausstellung verschiedener Stuttgarter Comic-Künstler war die STUTTGARTER ZEITUNG auf meine Comics aufmerksam geworden.
Danach habe ich der Zeitung in meinem jugendlichem Größenwahn einen täglichen Strip angeboten. Die Redaktion wollte den Comic aber nur wöchentlich, was mir, denke ich, über die letzten sieben Jahre den Kopf gerettet hat!

COMIC!: Aber die täglichen Strips zwischen Weihnachten und Neujahr, mit denen alles begann, gibt es seitdem
jedes Jahr.

Naomi Fearn: Genau! Für diese Zeit zeichne ich immer eine tägliche Reihe – meistens zu einem durchgehenden Thema. Wobei das Format und die Größe der Strips von Jahr zu Jahr variieren. Je nachdem, wieviel Platz mir eingeräumt werden kann.

COMIC!: Hast du es schon einmal bereut, daß du dich selbst in den Mittelpunkt des Strips gestellt hast? Oder meinst du, daß den Lesern präsent genug ist, daß du nicht identisch mit deiner Figur bist?

Naomi Fearn: Oh, ich weiß nicht, ich BIN ziemlich identisch mit meiner Figur, aber daraus ergibt sich eigentlich kein Problem. Wenn, dann schon eher damit, daß meine Freunde auch als sie selbst vorkommen. Dadurch ist es etwas schwieriger, wirkliches Konfliktpotential zwischen den Figuren zu erzeugen. Ich kann mich letztlich nur über mich und die Hasen wirklich lustig machen, da fehlt mir ein wenig der echte Antagonist, und gerade die werden ja vom Publikum oft ins Herz geschlossen.

COMIC!: Und einfach menschliche Figuren dazu erfinden, willst du nicht?

Naomi Fearn: Wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, aber die Figur muß sich von selbst ergeben. Sich hinzusetzen und zu sagen: «So, jetzt mal ein Antagonist, wer könnte das sein?», funktioniert nicht perfekt. Die Figur wirkt im schlimmsten Falle ausgedacht und flach, und nach drei Wochen fällt dir nichts mehr zu ihr ein. Im Idealfall hat man schon eine Figur, die in einer Folge auftaucht, wie zum Beispiel Jorge, der Bauarbeiter in den Strips von 2002, und schon während man die schreibt, flutet die Geschichte dieser Figur den Kopf, und man kann gar nicht schnell genug mitschreiben. Ich dachte bereits an unseren Hausmeister hier, der is echt ’ne Nummer ...

COMIC!: Woher nimmst du die Themen für deine Geschichten?

Naomi Fearn: Das Autobiografische ist eine gute Quelle, da es so meist einen Aufhänger in der jeweiligen Woche gibt, einen Geburtstag, Besuch, Einschulung oder Umzug. Was gerne funktioniert, ist, daß ich mich über irgendwas aufrege. Seeehr ergiebig. Ich könnte wahrscheinlich eine ganze «Zuckerfisch»-Filmkritik-Reihe zeichnen, aber das will ja keiner sehen.

COMIC! Wie entwickelst du daraus Geschichten, die du in den Strips erzählst? Ich stell mir das so vor: Dir passiert etwas oder du erfährst von einer Sache und malst dir aus: «Wenn das Nomi/dem Hasen/wem auch immer passieren würde, dann ...» Und am Ende hast du eine Pointe.

Naomi Fearn: Nein, so praktisch und direkt komme ich eigentlich nie an die Ideen. Wenn ich das Thema erst mal habe, gehe ich daran entlang und biege so lange scharf links davon ab, bis ich an einen lustigen Aussichtspunkt komme. Wenn ich Glück habe, findet den auch noch jemand außer mir selbst lustig.

COMIC!: Ist das dann Glück oder kannst du mittlerwei-le ganz gut abschätzen, was gut ankommt?

Naomi Fearn: Ich mache regen Gebrauch von meinen Testlesern, die ich auch gern mal Mittwoch morgen vor Drucklegung aus dem Bett hole – hier noch mal großen Dank an euch!

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2007
232 Seiten S/W
EUR 15,25
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