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COMIC!-JAHRBUCH 2008

Riccardo Rinaldi über Rolf Kauka
zusammengestellt von Achim Schnurrer

Zusammengestellt von Achim Schnurrer


Im vergangenen Jahr erschien im Comic!-Jahrbuch des ICOM ein Nachruf auf Riccardo Rinaldi (1945–2006). Der Beitrag schloß mit der Anmerkung, daß, nachdem der Artikel bereits fertiggestellt war, Material aus seinem Nachlaß aufgetaucht war, das interessante Einblicke in seine Zeit bei Rolf Kauka gewährt. Es handelt sich dabei um einen ausführlichen Bericht, in dem Riccardo nicht nur schildert, wie es zur Mitarbeit beim «deutschen Walt Disney» kam, sondern auch detailliert und einfühlsam die Arbeitsbedingungen, die Atmosphäre, sein Tätigkeitsfeld und seine Aufgaben bei Kauka beschreibt. Riccardos Notizen werfen zudem einen zwar subjektiven, aber aufschlußreichen Blick auf die Umstände und Auseinandersetzungen, die schließlich zum Bruch mit Kauka führten.

Ursprünglich hatte Riccardo diese Aufzeichnungen für die Kauka-Chronik1 verfaßt, und sie erschienen erstmals, von Peter Wiechmann überarbeitet und zusammengefaßt, im Jahr 2003 in der SPRECHBLASE Nr. 192.

Da der Nachruf auf Riccardo Rinaldi die Kauka-Zeit aus Gründen, die dort bereits dargelegt wurden, nur kursorisch gestreift hat, folgt an dieser Stelle eine leicht überarbeitete Fassung von Riccardos Schilderung. Neben der Tatsache, daß sich derzeit in der Comic-Forschung, bei Sammlern und Fans die Beschäftigung mit dem Einfluß Kaukas auf die Entwicklung der Comics hierzulande wieder einer steigenden Beliebtheit erfreut, ist dieser Bericht auch noch unter einem anderen Gesichtspunkt interessant: Nicht zuletzt die Debatten innerhalb des ICOM belegen, daß Fragen, die das Wesen des geistigen Eigentums berühren, immer aktuell waren, es ungebrochen sind und es höchstwahrscheinlich auch in Zukunft sein werden.
Um von vorneherein eventuellen Überlegungen der Art – «das lassen wir durch unsere Rechtsanwälte prüfen» – den Wind aus den Segeln zu nehmen, weise ich ausdrücklich darauf hin, daß sich die nachfolgende Darstellung inhaltlich ausschließlich an Riccardos Originalbericht orientiert. Es handelt sich bei diesem Text um ein wichtiges Zeitdokument, in dem ein Insider – wie man so schön sagt – aus dem Nähkästchen plaudert.


Die Anfänge bei Kauka

«Ich bin in Mailand aufgewachsen. Bis 1964 arbeitete ich dort als Grafiker in einer mittelgroßen Agentur und war hauptsächlich mit der Anfertigung von Cartoons beschäftigt. Eines Tages zeigte mir ein Kollege eine Zeitungsanzeige, in der der Kauka Verlag nach Zeichnern suchte. Illustriert war die Anzeige mit einer Lupo-Figur, die fragte: &Mac220;Kannst du mich zeichnen?&Mac221; Da ich davon überzeugt war, daß ich das konnte, schickte ich eine Comic-Probeseite an die angegebene Adresse.
Die Resonanz war vielversprechend, und so traf ich mich mit Herrn Kauka in Mailand im Büro einer Südtirolerin, die das Gespräch übersetzte. Wir einigten uns darauf, daß ich mich mindestens ein Jahr in München aufhalten müsse, um mich in den Fix-und-Foxi-Stil einzuarbeiten.
Ich war das Arbeiten in einer modernen und mit allen Schikanen ausgestatteten Werbeagentur gewöhnt, so daß mich die Bedingungen, die ich in München vorfand, erst einmal enttäuschten. Die vorsintflutlichen Arbeitsräume des Verlages wirkten nicht gerade motivierend. Hinzu kam, daß hier kaum etwas auf das hinwies, was hier entstand: Abgesehen von einer großen Lupo-Wandfigur und zwei Fix-und-Foxi-Porträts in der Halle gab es keine branchenbezogenen Dekorationen.
Die Leute, mit denen ich es zu tun bekam, fand ich recht sympathisch, die nüchterne Atmosphäre aber entsprach nicht dem, was ich mir unter einer die Fantasie und die Kreativität stimulierenden Umgebung vorgestellt hatte. Anfangs arbeitete ich zusammen mit Florian Julino im selben Zimmer.
Ich bewunderte seine Art, den Pinsel beim Zeichnen langsam und fast vertikal zu führen. Dadurch erzielte er dicke, gleichmäßige Konturen, die sehr grafisch wirkten. Aus diesem Grund stammten die meisten Titelbilder von ihm. Er war ein begeisterter Jazz-Fan, und wann immer sich die Gelegenheit bot, ließ er diese Vorliebe in seine Comics mit einfließen.
Walter Neugebauer und Gisela Künstner arbeiteten im Raum nebenan. Walter hatte die Aufgabe, mich in den Fix-und-Foxi-Stil einzuführen, erkannte aber gleich, daß es nicht ging. Er verzichtete darauf, mich unter Druck zu setzen. Da ich niemanden enttäuschen wollte, bemühte ich mich redlich, mit dem Resultat, daß ich nach wenigen Monaten, das, was ich im zeichnerischen Bereich konnte, vergessen hatte, allerdings ohne etwas Neues dazugelernt zu haben. Eine der Hauptschwierigkeiten, mit denen ich zu kämpfen hatte, war die eigenartige Produktionstechnik, die einem abverlangt wurde. Die Vorzeichnungen mußte man mit blauen Buntstiften anfertigen. Das hatte den Vorteil, daß man die Skizzen nach dem Tuschen nicht mehr wegzuradieren brauchte, weil die blaue Farbe von der Reprokamera nicht aufgenommen wurde. Andererseits erschwerte diese Methode in gravierender Weise die Gestaltung, da sich Buntstift, wenn man ihn doch entfernen will, nur schwer wegradieren läßt. Nach dem Tuschen der Vorzeichnung wird eine &Mac220;Fülle&Mac221; in der Kontur vorgetäuscht, die nach der Reproduktion gar nicht mehr vorhanden ist.
Nicht gerade erleichternd kam hinzu, daß die umzusetzenden Storys von unglaublich schlechter Qualität waren. Sie lagen mir – immerhin – in italienischer Übersetzung vor, doch das Fehlen brauchbarer Gags war noch der kleinste Mangel, unter dem sie litten. In den meisten Fällen waren die Geschichten falsch konstruiert, öde oder zeichnerisch kaum umzusetzen.

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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2007
232 Seiten S/W
EUR 15,25
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