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COMIC!-JAHRBUCH 2007

«Ich habe drei BRAVO-Chefredakteure überlebt»
Der «Sally & Fannie»-Zeichner Rasmus Radke
Porträt und Interview

von Martin Frenzel
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Seine Geschichte hört sich an wie der Traum des
Tellerwäschers vom Millionärwerden: Der deutsche Comic-Zeichner Rasmus Radke (38) schaffte mit seiner eigenen Comic-Serie, dem Girlie-Comic «Sally & Fannie», zwischen 2000 und 2004 den ersehnten Sprung in die Jugendzeitschrift BRAVO. Mehr noch: Seit dem Erfolg auf dem deutschen Markt, folgten seit 2002 zahlreiche Lizenzveröffentlichungen des Teen-Toons im europäischen Ausland – von Ungarn bis zuletzt Portugal. Was anfangs nicht danach aussah, avancierte rasch zum Kultcomic unter den (nicht nur) weiblichen Lesern der BRAVO. Radke, der nach eigenen Worten dem Genre des Popstyle-Comics frönt, traf textlich wie grafisch offenbar den Nerv der «Generation Praktikum»: Ob Liebeskummer, Starkult und Markenwahn, Anerkennung, Handy-Probleme oder das Thema Sex-Image – «Sally & Fannie» läßt nichts aus und entpuppt sich so als augenzwinkernd-humorvolles Psychogramm einer ganzen Teenager-Generation. COMIC!-Jahrbuch-Reporter Martin Frenzel hat den Designer, Illustrator und Comic-Zeichner Rasmus Radke in dessen Wohnort Dreieich, «mitten im grünen Gürtel unter Frankfurt» (Radke) besucht.

Erbarme, die Hessen kommen: Was in den 1920er und 1930er Jahren Laurel & Hardy («Dick & Doof») waren, sind am Beginn des 21. Jahrhunderts die beiden femininen Pendants Sally & Fannie («Durch dick und dünn»). Über vier Jahre lang erschienen die Abenteuer und Alltagserlebnisse beider Heldinnen in Europas größter Jugendzeitschrift: Die partygeile, stark auf äußere Schönheit und Shoppengehen fixierte superschlanke Blondine Sally und die mollige, ungleich intelligentere und schlagfertige Fannie – aus diesem eigentlich banalen Stoff eines ungleichen Duos machte der Zeichner Rasmus Radke einen gelungenen Semifunny made in Germany und lieferte zugleich den Beweis, daß es auch Wege jenseits des eingefahrenen Manga-Mainstreams gibt. «Ich wollte ganz bewußt das stereotype, marktübliche &Mac220;Magie-Barbie-Amazonen-Bild&Mac221; aufbrechen», erzählt Rasmus Radke im COMIC!-Jahrbuch-Interview. «Meine Figuren sollten eben den echten Alltag von Freundinnen zeigen, einfach näher am wahren Teenie-Leben sein», umreißt er die Ur-Idee der «Sally & Fannie»-Serie. «Traum-Bodys hätten mich da schnell gelangweilt.»
Schon im Februar 1998 hatte Radke, der am 14. Juli 1968 in Frankfurt am Main geboren wurde und seither im Rhein-Main-Gebiet hängen geblieben ist, die Idee, so etwas wie einen Girl-Comic zu lancieren: Am 8. August 2000 war es dann so weit, als seine erste kompakte Comic-Serie unter dem Titel «Sally & Fannie – durch dick und dünn» erstmals im Jugendmagazin BRAVO erschien. Auflage des Magazins, das in Glanzzeiten weit über die Millionengrenze kam: immerhin stolze 750.000 Exemplare. Schon zum Start attestierte der damalige, inzwischen längst ausgewechselte BRAVO-Chefredakteur Uli Weissbrod dem neuen Comic «hohes Kultpotential, poppig-freche Farbflächen sowie einen Hauch von Techno- und Retro-Feeling.» Weissbrod vergab damals – wie sich herausstellte, nicht zu Unrecht – Vorschußlorbeeren: «Rasmus Radke versteht es ausgezeichnet, die kleinen und großen Probleme aus der Lebenswelt der BRAVO-Kids mit extrem coolem Strich umzusetzen.» Die Serie lief mit zunehmenden Erfolg vier Jahre lang – mit über 200 Folgen bis zum 22. Dezember 2004. Radke über die Geburtsstunde von «Sally & Fannie»: «Ich war damals – 1998 – in der Disco &Mac220;Paramount Park&Mac221; in Rödermark – und da sah ich sie, die dünne und die dicke &Mac220;Patin&Mac221; für meine Comic-Heldinnen.» Es sollte nicht das letzte Mal sein, daß sich Radke Inspiration für seine Comic-Geschichte auf freier Wildbahn holte. «Ich bin eben von Natur aus mehr der Beobachter», so der Künstler, der schon von Kindesbeinen an Comic-Zeichner werden wollte und diese Idee seither konsequent weiterverfolgte.
Aber ein solch ambitioniertes Projekt wie einen BRAVO-Comic schafft man nicht ohne Helfer: «Allen voran arbeite ich mit meinem Manager Guido Herbel zusammen, der mir den Rücken freihält und sich ums ganze Marketing und die Verhandlungen kümmert, er hat auch die Kontakte zur BRAVO und zum heute dem Lappan-Verlag gehörenden Album-Verlag Achterbahn angebahnt.» Kennengelernt haben sich die beiden per Zufall mit Hilfe von Nikolas Kaiser, der in der Frankfurter Comic-Szene (Frankfurter Comic-Stammtisch) mitmischt. «Nico kenne ich vom Studium, Guido Herbel kannte ich aus einer Werbeagentur.» Dank Kaiser habe er Herbel, den er eine Weile aus der Augen verloren hatte, wiedergefunden. «Ich brauchte jemanden, der meine Welt versteht», sagt Radke voll des Lobes über den Partner. «Ich habe ihn an- gerufen und ihm das &Mac220;Sally
& Fannie&Mac221;-Projekt vorgestellt, und er war sofort Feuer und Flamme.» Es war Herbel, Jahrgang 1966 und selbständiger Creativ Direktor in der Frankfurter Werbebranche, der die kühne Idee hatte, den Comic den großen, auflagenstarken Jugendmagazinen und später dem Achterbahn Verlag anzubieten – im Rennen waren neben der BRAVO auch das Magazin Bravo Girl und die Konkurrenz-Postille Mädchen. Nach einem halben Jahr habe Bravo den Zuschlag erhalten, «weil hier die Konditionen stimmten». So hat Herbel auch viele Comic-Headlines der Serie geschaffen. Und Michael «Rautie» Rautenberg besorgte bei den meisten Sally & Fannie-Storys die Kolorierung der Figuren.



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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2006
232 Seiten S/W
EUR 15,25
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