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COMIC!-JAHRBUCH 2007

Eindrücke und Begegnungen
Riccardo Rinaldi (1945–2006)
Nachruf

von Achim Schnurrer


Statt einer mehr oder weniger dürren Aufzählung von Lebensdaten versuche ich, ein paar persönliche Erinnerungen zu notieren, die mein Bild von Riccardo Rinaldi geprägt haben.

Es war Ende der 70er Jahre, als ich das erste Mal mit ihm sprach. Eines Abends klingelte das Telefon. Er meldete sich und machte erst einmal eine Pause, um Luft zu holen. Dann legte er in dem für ihn charakteristischen Stakkatostil los, und ich begann zu begreifen, wen ich da in der Leitung hatte.
Es war schon eine Zeit her, daß ich in der COMIXENE einige wenig schmeichelhafte Bemerkungen zu der Serie «Siegfried» vom Stapel gelassen hatte, die im Kauka-Magazin PIP erschienen war. Ich erinnerte mich, daß ich mich vor allem über die meiner Ansicht nach schwachen Geschichten ausgelassen hatte. Als er seinen Redefluß kurz unterbrach, warf ich schnell ein, daß ich die Zeichnungen, im Gegensatz zu den dürren Plots, nicht nur gelungen, sondern ganz exzellent gefunden hätte.
Zu meiner Überraschung begann er auf einmal, seine eigenen Zeichnungen zu kritisieren, hob dann aber darauf ab, daß es in PIP noch sehr viel schlechtere Arbeiten gegeben habe. Und ehe wir uns versahen, steckten wir mitten in einer Diskussion über zeichnerische Qualität, Comics allgemein, Lieblingszeichner, überbewertete Zeichner, die Unterschiede zwischen der französischen und der italienischen Comic-Szene ...
Irgendwann, sehr viel später, merkten wir, daß wir uns heiser geredet hatten, die Ohren glühten und wir verabredeten, das Gespräch bald fortzusetzen.
Beim – je nach Sichtweise – ICOM-Vorläufer- oder -Gründungs-Treffen in Köln 1980 konnte Riccardo nicht dabeisein, aber ich bin mir sicher, daß er sich von seinen ehemaligen Kauka-Kollegen Branco Karabajic und Vlado Magdic ausführlich über alles berichten ließ, was in dieser kleinen, aber feinen Runde bei Ruth und Eddy Brons besprochen worden war.
Eine erste persönliche Begegnung fand schließlich in Erlangen statt, und damit begann eine Zusammenarbeit, die schon bald zur Freundschaft wurde. Zu jener Zeit, Anfang der 80er Jahre, hatte Riccardo längst seinen alten Brötchengeber Rolf Kauka verlassen und arbeitete an höchst lukrativen Aufträgen der Werbebranche. Als ich ihn einmal in Schwabing besuchte, hatte gerade eine Münchner Agentur einen Termin mit ihm vereinbart, zu dem er mich kurzerhand «als Berater» mitnahm.
Es ging darum, daß der Art Director seinem Kunden eine «lustige Comic-Figur» präsentieren sollte, die hauseigenen Entwürfe aber durch die Bank weg als Schrott empfand. Es fehlte ein Ideen-Input. (Nebenbei: derart vage, unpräzise und allgemeingehaltene Agentur-Briefings à la «Wir brauchen ein niedliches, witziges Männchen» veranlaßten Riccardo regelmäßig zu Häme und beißendem Spott. Ironie war sein Markenzeichen.)
Im Besprechungsraum der Agentur nahm sich Riccardo einen Zeichenblock und skizzierte mit wenigen Strichen genau das, was allen bisherigen Entwürfen fehlte: eine lebendig wirkende Figur, die man in nahezu jede beliebige Umgebung versetzen konnte, ohne daß sie dort fehl am Platz gewirkt hätte.


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Burkhard Ihme (Hrsg.)
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