Vorwort
Von Burkhard Ihme
Schwerpunktthema des COMIC!-Jahrbuchs 2007 sind Manga. Damit folgt der Herausgeber den zahlreichen «gutgemeinten Ratschlägen» in Rezensionen und Internetforen. Allerdings war Manga auch in den vorangegangenen Ausgaben immer wieder ein Thema, nämlich in den Interviews mit Verlagsvertretern wie Joachim Kaps, Georg F.W. Tempel oder Kai-Steffen Schwarz, in denen die wirtschaftliche Bedeutung dieser Comics betont wurde.
Noch lesen sich die Autorenverzeichnisse von Carlsen Manga oder EMA wie das Telefonbuch von Tokio, aber der Anteil deutscher ZeichnerInnen ist kaum kleiner als der während der Blütezeit der franko-belgischen Comics. Und vor allem: Es bleibt bei einigen nicht bei einem ein-samen Debütband. Ob ihre Fans ihnen bei allen inhaltlichen und künstlerischen Entwicklungen treu bleiben (Robert Labs hat sich z.B. mit seinem Farb-Comic «The Black Beach» vorsichtig vom Manga-Diktat gelöst), wird sich zeigen.
Ausschließlich auf Eigenproduktionen setzt z.B. der sich im Mangabereich völlig neupositionierende Verlag Schwarzer Turm (siehe Interview auf Seite 56). Und bei 100.000 Mitgliedern des Anime- und Mangaforums ANIMEXX (aus dessen Reihen PAPER THEATRE einige Zeichner rekrutierte) kann in Zukunft noch einiges auf uns zukommen.
Ein anderes Thema war so nicht geplant: Wir hatten Riccardo Rinaldi bereits für das Jahrbuch 2004 um ein Interview angefragt, doch er war leider nicht interessiert. Nun verstarb Riccardo am 11. März diesen Jahres, gerade erst 61 Jahre alt. Achim Schnurrer, der in den letzten 25 Jahren immer wieder mit dem durch seine Arbeit für Kauka bekanntgewordenen Zeichner zusammenarbeitete, schrieb einige seiner Erinnerungen an den langjährigen Freund auf.
Das COMIC!-Jahrbuch ist nicht, wie schlecht informierte Kreise (COMIXENE: «Vielmehr zeigt sich, daß die Zusammenstellung der Beiträge unabhängig von ihrer oftmals hohen Oualität häufig nicht einer inhaltlichen Konzeption entspricht, sondern im Grunde gedruckt wird, &Mac220;was rein kommt&Mac221;.) behaupten, eine Anhäufung von zufällig eingereichten Artikeln, sondern hat ein klares Konzept, das schlicht lautet «Was war in diesem Jahr los, was schätzt der Herausgeber als interessante Themen ein». Und interessant ist grundsätzlich nur, was Comics und vor allem Comiczeichner in Deutschland (Ausnahme: die internationalen Marktberichte) oder das Medium Comic als solches betrifft. Der Herausgeber erstellt daraufhin eine Artikelliste, läßt sich auch Vorschläge machen und sucht dann die passenden Autoren. Das einzige, das in der Beschreibung der COMIXENE zutrifft, ist der Umkehrschluß: «Was nicht reinkommt, wird nicht abgedruckt». Dies ist leider seit Jahren bei dem Thema «Comicmarkt Japan» der Fall, für das sich kein Autor finden läßt, und auch die Marktberichte über Spanien, Frankreich und Italien müssen aus unterschiedlichen Gründen entfallen. Bedauerlicherweise konnten in diesem Jahr fast die Hälfte der angedachten Themen nicht realisiert werden (sie hätten allerdings auch nicht alle auf 232 Seiten gepaßt). Deshalb an dieser Stelle ein großer Dank an die Mitarbeiter, die tatsächlich (und zu einem kleinen Teil auch pünktlich) ihre Beiträge abliefern konnten, und an Christina Plaka, die kurzfristig einsprang und aus Japan unsere Fragen beantwortete.
Ein großes Thema in diesem Jahr war der Karikaturenstreit, ausgelöst durch die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN, angeheizt durch muslimische Imame, die mit gefälschten Bildern den Zorn der Gläubigen entfachten. Andreas C. Knigge hat in der Nummer 93 der COMIXENE die Ereignisse ausführlich dargestellt. Martin Frenzel sieht den Großteil der Schuld bei der fremdenfeindlichen Politik unseres nördlichen Nachbarn (siehe «Die dänische Mohammed-Karikaturen-Krise oder: Wie Jyllands-Posten einen Flächenbrand auslöste. Eine Hintergrund-Analyse von Martin Frenzel» im Dänemarkreport auf Seite 134). Und Jamiri gab eine nicht minder deutliche Stellungnahme wie der dafür mit dem Max-und-Moritz-Preis bedachte Ralf König ab (siehe Interview auf Seite 112).
«Der große Marktrückblick 2005 für die Comic-Branche» von Martin Jurgeit findet sich in COMIXENE 92. Deshalb nur an dieser Stelle eine kurze Zusammenfassung «Was bisher geschah».
Einige der im Vorwort des Vorjahres aufgezählten Tendenzen lassen sich an dieser Stelle getrost fortschreiben: Carlsen und Egmont setzen immer weniger auf franko-belgisches Material, dafür entstehen neue Kleinverlage. Bereits letzten Herbst startete «Bunte Dimensionen» mit seinem dargaudorientierten Programm, in diesem Jahr kommen der Bonner Comicladen-Ableger Bo-cola (zunächst mit einer restaurierten Farbversion von Hal Fosters «Prinz Eisenherz») und der neue Splitter-Verlag dazu, der neben franko-belgischen Alben auch Eigenproduktionen präsentieren wird, stehen hinter der Neugründung, die mit Jürgen Janetzkis Kamikazeunternehmen nur den Namen gemeinsam hat, doch bekannte Comiczeichner und -autoren wie Dirk Schulz, Delia Wüllner und Horst Gotta.
Bekannte europäische Autoren findet man nunmehr bei engagierten Kleinverlagen wie Reprodukt (Lewis Trondheim, Manu Larcenet), Schreiber und Leser (Milo Manara, Lorenzo Mattotti), Edition 52 (Daniel Torres, Baru), Edition Moderne (Jacques Tardi, Marjane Satrapi) und Avant-Verlag (Joann Sfar, David B., Gipi). Auch Cross Cult, im vergangenen Jahr mit Frank Millers «Sin City» sehr erfolgreich, plant eine Erweiterung des Programms und eine Neuauflage von Jordi Bernets «Torpedo». Der französische Megaseller «Largo Winch», zehn Jahre lang wegen der Diskrepanz zwischen der Erwartung des Lizenzgebers und deutscher Wirklichkeit auf dem hiesigen Comicmarkt nicht mehr präsent, hat eine neue Heimat bei «Alles Gute» gefunden. Den umgekehrten Weg vom Kleinverkag zum Branchenriesen ging Uli Oesterle, dessen «Hector Umbra» (Edition 52, ICOM Independent Comic Preis 2005) künftig bei Carlsen erscheinen wird.
Das Angebot an hochwertigen europäischen und amerikanischen Comics (auch wenn ein Erscheinungsdatum bei Chris Wares «Jimmy Corrigan» bei Reprodukt erst dann bekanntgegeben wird, wenn wenigstens die Hälfte des ungeheuer aufwendigen Letterings fertig ist) ist also groß, allein es fehlt an ebenso engagierten Comichändlern (mittlerweile werden von Neuerscheinungen oft nur noch 15 Exemplare geordert, anschließend nur auf Bestellung) und infolge an Käufern. Daß das Interesse an Comics geweckt werden kann, zeigten die Comic-Editionen von BILD und F.A.Z. im vergangenen Herbst, allerdings konnten diese Käufer nicht als dauerhafte Kunden geworben werden.
Eine ausufernde Diskussion im Comicforum zur Rettung der franko-belgischen Alben erbrachte keine fruchtbaren Vorschläge außer «Integrales» (Sammelbände») zu drucken und niedrigere Preise. Mark O. Fischer (Epsilon) hat es ausprobiert und kann es nur bedingt weiterempfehlen. Durch das reservierte Bestellverhalten der Händler werden selbst bei Preisen unter den Herstellungskosten keine neue Kunden gewonnen.
Im COMIC!-Jahrbuch 2006 berichteten wir von der Wiederkehr der Kinder- und Jugendzeitschriften YPS, FRÖSI, FIX & FOXI und PERRY (Rhodan). FIX & FOXI hat sich mit einer Druckauflage von 200.000 Exemplaren an die zweite Stelle hinter die allerdings viermal häufiger erscheinende MICKY MAUS geschoben, «PERRY UNSER MANN IM ALL» bringt gerade die zweite Nummer heraus (da dahinter aber ein Nachwuchszeichnerprojekt steckt, ist ein monatliches Erscheinen auch nicht zu erwarten), YPS und FRÖSI haben bereits nach wenigen Nummern den Löffel wieder abgegeben (was der immer wieder geäußerten Spekulation Nahrung gibt, YPS würde alle 5 Jahre von Egmont wiederbelebt, um die Lizenz nicht zu verlieren).
Einige Jubiläen seien an dieser Stelle nicht unerwähnt. So feiert das Erlanger Comicseminar, das Paul Derouet mit Unterstützung des Französischen Kulturinstituts und des Kulturamtes Erlangen 1986 zum ersten durchführte und das er bis heute leitet, 20-jähriges Jubiläum. Auch heute namhafte Zeichner haben den jeweils fünftägigen Kurs absolviert (die Teilnehmer des ersten Kurses veröffentlichten die Ergebnisse des Projektes unter den Titel «Der neunte Traum» in der Edition Quasimodo, daher sind die Namen noch bekannt: Anton Mergl, Sascha Rinaldi, Hans-Dieter Zenteck, Erwin Scheuchl, Harm Bengen, Swen Papenbrock, Hondo [Otto Janssen], Andreas Dierßen).
Das Magazin für ambitionierte Comics, PANEL, erreichte Ende letzten Jahres die stolze Zahl von 25 Aus-gaben (in sechzehn Jahren). «Das tollste Comic-Magazin der Welt» (um den zungenbrechenden Namen «Epidermophytie» zu vermeiden), in dessen Nummer 1 Mawil im Herbst 1995 sein Debüt gab, feierte sein zehnjähriges Bestehen etwas verspätet mit der zum Comic-Salon in Erlangen erschienenen Nummer 12, deutlich übertroffen von «20 Millionen Jahre Commander Cork» (ZEBRA). Deutsche Comiczeichner sind nicht immer sehr erfolgreich, aber manchmal doch sehr hartnäckig.