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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2005
224 Seiten DIN A4, S/W
EUR 15,25
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«Meine Reisen sind bei manchen
Mitarbeitern gefürchtet»
Gespräch mit Joachim Kaps, Tokyopop GmbH

von Andreas Dierks


Für Carlsen Comics baute Joachim Kaps sehr erfolgreich den Mangabereich auf. Dennoch trennten sich Verlag und Lotse im Dezember 2003 voneinander. Wenige Monate später nahm Tokyopop Deutschland unter seiner Leitung die Arbeit auf und bringt nun Monat für Monat eine Vielzahl von Mangatiteln heraus. Diese Scheidungs- und Gründungsgeschichte macht neugierig.

COMIC!: Auf der Frankfurter Buchmesse 2004 hatte Tokyopop Deutschland seinen ersten großen Auftritt. Seid ihr bewußt zu diesem Termin mit euren Mangas in den Handel gegangen oder dauert der Aufbau eines neuen Mangaverlags eben einfach neun Monate, so lange wie jede normale Schwangerschaft? Was habt ihr von Januar bis September 2004 alles gemacht, um gesund auf diese Welt zu kommen?

Joachim Kaps: Die Buchmesse ist für den Start eines Verlags natürlich ein reizvoller Termin. Zum einen, weil Frankfurt ein gutes Forum bietet, um sich der breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren, zum anderen, weil man mit einem Start im Oktober noch das Weihnachtsgeschäft erreichen kann, was ja auch nicht zu verachten ist. Neun Monate Zeit hatten wir allerdings nicht, da Tokyopop Deutschland ja erst am 1. April gegründet wurde, d.h unsere «Schwangerschaft» dauerte nur knapp sieben Monate. Für ein «Frühchen» haben wir uns aber ganz gut geschlagen, meine ich.
In der Zeit von April bis Oktober haben wir uns mit all den Dingen beschäftigt, die man braucht, um sich solide für den Markt aufzustellen. Es gab ja anfangs durchaus den einen oder anderen – inzwischen leiser gewordenen – Unkenrufer, der uns prognostiziert hat, man könne neben Carlsen und EMA keinen weiteren Comic-Verlag erfolgreich im deutschen Buchhandel etablieren. Leuten mit dieser Meinung waren wir ja schließlich eine Antwort schuldig. Trotz allem war der Zeitplan eine echte Herausforderung, und ohne das beste Team der Welt ware er nicht umsetzbar gewesen. Ich schulde jedem einzelnen Mitarbeiter für diese Monate Dank. Die Kollegen haben Außerordentliches geleistet.
Aber im Ernst: Wir haben nahezu alles gemacht, was man eben machen muß, um an den Start zu gehen. Das reicht (im wahrsten Sinne des Wortes) von der Bürosuche, dem Möbelkauf und -aufbau oder der Technik über die Konzeption eines Programms mit einer dafür geeigneten Marketingstrategie bis hin zur Produktion der Bücher. Eine der größten Herausforderungen – dies war nach den Erfahrungen anderer Anbieter klar – war die Entwicklung einer auf unsere spezifischen Bedürfnisse zugeschnittenen Vertriebsstrategie. Das Modell der Zusammenarbeit, das Tokyopop und ANISAN hier gemeinsam entwickelt und etabliert haben, ist ganz und gar neu und hat sich bereits in der Einführungsphase bestens bewährt.

COMIC!: Welche «spezifischen Bedürfnisse» verlangen eigentlich den Aufbau eines eigenen Vertriebs? Nachdem jetzt auch Panini diesen Schritt gegangen ist, fragt man sich nach dem tieferen Sinn eines solchen kostenintensiven Vorgehens. Gilt die marktwirtschaftliche Regel zum Sparen hier nicht, die gemeinhin durch das zauberhafte Wort Synergieeffekt beschrieben wird?

Joachim Kaps: Synergieeffekte wären in diesem Bereich nur dann zu erzielen gewesen, wenn es in Deutschland einen Comic-Vertrieb außerhalb von Egmont und Carlsen gegeben hätte, der tatsächlich als Vertrieb im wahren Wortsinn fungieren würde. Dies ist aber nun einmal nicht der Fall. Von der Logistik her wäre für die reine Auslieferung Baldur Buschers Medienservice eine Alternative gewesen, aber der hat ja eben auch kein Verkaufsteam in einer entsprechenden Größe, das aktiv den Buchhandel in seiner ganzen Breite betreuen könnte – und bei den vom Medienservice vertretenen Programmen würde das auch gar keinen Sinn machen. Ich schätze die Arbeit des Medienservice wirklich außerordentlich und bin schon lange der Meinung, Baldur Buscher hätte mal einen «Max-und-Moritz-Preis» für seinen unermüdlichen Einsatz um das Überleben der Albenkultur in Deutschland verdient, doch sein Schwerpunkt liegt eben doch vor allem auf der Auslieferung im Fachhandel im weiteren Sinne. Erfolgreiche Manga werden aber zu 60–70 % außerhalb des Fachhandels in der Breite des Buchhandels verkauft. Dort setzen die Einkäufer eine intensive Beratung voraus, die der Medienservice so nicht hätte leisten können.
Daß Modern Graphics auch keine Alternative ist, belegt ja nicht zuletzt der Schritt, den Panini gegangen ist. Das Unternehmen ist ja nun nicht gerade dafür bekannt, daß es seine Kosten gerne künstlich hochtreibt. Wenn man sich also zum Aufbau einer eigenen Struktur entschließt, kann das ja nur den Grund haben, daß man diese Investition als sinnvoll erachtet, um im Wettbewerb mithalten zu können. Im breiteren Buchhandel haben die Manga von Panini mittlerweile eine wirklich sehr untergeordnete Rolle gespielt, wie die Marktforschungsdaten von media control belegen. Dies will man nun offensichtlich ändern. Wenn Kosten tatsächlich nur Kosten sind, macht es in der Tat Sinn, sie zu reduzieren, aber Kosten können eben auch eine Investition in die Zukunft sein; dann wird ein kluger Unternehmer sie auf sich nehmen.
Wir bewegen uns auf eine Zukunft zu, in der die Verlage für den Buchhandel immer mehr als Servicedienstleister tätig werden, d.h. aktiv bei der je geeigneten Bestückung beraten und nicht einfach nur möglichst viel Ware ins Regal prügeln, je nach lokalem Erfolg einer Serie die Vormerker für den Kunden nach oben oder unten anpassen, zum Teil sogar die Lageraufnahme für den Kunden mit erledigen. Natürlich ist das kostenintensiv, aber ohne diese intensiven Servicefunktionen wird man auf Dauer nicht überleben können. Andreas Wiedemann hat mit seinem Unternehmen ANISAN eine Vertriebsdienstleistung geschaffen, die diesen Anforderungen optimal gerecht wird, ohne daß wir an den Kosten ersticken. Mit einer Mischung aus Besuchen vor Ort und einer sehr intensiven telefonischen Betreuung, für die ANISAN mittlerweile weithin bekannt ist, können wir jeder Verkaufsstelle unabhängig von ihrer Größe die ideale Beratung garantieren. Ein völlig neuartiges Partnerprogramm, das auch die kleineren Läden für ihren Einsatz um Tokyopop belohnt und sich nicht allein an Umsatzgrößen orientiert, rundet dieses Paket ab. Die Reaktionen zeigen uns, daß die breite Mehrheit der Händler all diese Bemühungen auch begeistert goutiert.


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