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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2005
224 Seiten DIN A4, S/W
EUR 15,25
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COMIC!-JAHRBUCH 2006

«Ich bin immer noch MOSAIK-Fan»
Ein Interview mit Ulf S. Graupner

Von Burkhard Ihme

COMIC!: Auf der Webseite von EEE (Extrem Erfolgreich Enterprises – nomen est omen) findet man dich zwischen Kelley Jones und Mike Mignola als «angestammten Zeichner der (ost)deutschen Funny-Comic-Legende MOSAIK», dessen «Stil die Hauptfiguren &Mac220;Abrafaxe&Mac221; entscheidend» prägten. Wann bist du zu MOSAIK gestoßen und was hast du vorher gemacht?

Ulf S. Graupner: Ah ja! Während und nach meiner Zeit bei MOSAIK habe ich ein paarmal für EEE Sachen gezeichnet, und es war immer ein Riesenspaß! Da denk ich gern dran zurück. Bei MOSAIK bin ich im Januar 1993 gelandet. Damals war der Redaktion bewußt geworden, daß fast die Hälfte der Mitarbeiter in naher Zukunft in Rente gehen würde. Also meldete ich mich auf die Suchanzeige, die im MOSAIK erschienen war. Die Sachen aus meiner Mappe kamen ganz gut an, und ich wurde eine Woche später eingestellt. Die ersten Monate waren hart. Als ich wie ein Depp meine ersten Pinselzeichnungen hinkrampfte, wurde mir klar, daß ich eigentlich nichts konnte. Bis dahin hatte ich immer nur mit Bleistift oder Zeichenfeder gearbeitet. Mit diesen Werkzeugen spürt man genau den Kontakt zum Papier und weiß, wann man wie stark aufdrückt. Beim Inken mit Pinsel kann man die Linienstärke nur optisch kontrollieren – das muß man lange üben. Ich fühlte mich an meine Lehrzeit 1981/82 erinnert, als ich begann, mit Flach-, Rund- und Spitzpinsel Schriften zu malen.
Ich hatte eine Lehre als Gebrauchswerber bei der HO (staatliche Handelsorganisation der DDR) in meiner Heimatstadt Greiz begonnen, und an Fotosatz, Kopiergeräte oder gar Computer war überhaupt nicht zu denken. Die komplette Schaufensterdekoration samt Werbemitteln und Beschriftungen aller Art wurde von Hand gemacht und selbst entworfen. Da wurde geschnitten, gebohrt, gesägt, gekleistert und gemalt, daß es nur so eine Art hatte. Man lernte, mit den verschiedensten altertümlichen Maschinen umzugehen – noch heute träume ich manchmal von der riesigen alten Dekupiersäge, einem Modell aus den Zwanzigern, und säge mir damit sämtliche Finger ab. Zu Hause schnitt ich Headlines aus von meiner Oma in die DDR geschmuggelten West-Illustrierten, um die einzelnen Buchstaben via Episkop zu vergrößern und damit Pappschablonen für meine Arbeit herzustellen. Besonders beliebt im tristen «Helvetica»- und «Grotesk»-Alltag der DDR-Schaufensterwerbung war meine «Cable Heavy», die ich der Freizeit-Revue abtrotzte. Damals konnte man sich noch über das besondere kleine «e» und «g» einfach scheckig freuen.
Doch die Werbung war nur eine Art Sprungbrett – wie übrigens für viele Grafiker in der DDR. Von Kind an wollte ich Comiczeichner werden – ein Beruf, den es in meinem Heimatland offiziell gar nicht gab. Ich hatte schon mit vier Jahren begonnen, MOSAIKs zu sammeln und Atze, Frösi, Trommel und Neue Berliner Illu-strierte nahm ich auch bei jeder Gelegenheit mit. Wenn später meine Schule «Altpapiersammlung» hatte, war ich nicht gern gesehen, denn ich popelte alle Zeitungsbündel auf und durchsuchte sie fachgerecht nach alten Comics. Der Wunsch, selbst welche zu machen, ließ sich leicht erfüllen, und so schuf ich in meiner Schulzeit einige Kuriositäten. Schon damals war mir klar, daß in einem Science-Fiction-Comic sowjetische Kosmonauten die Protagonisten zu sein haben, damit eine Chance auf Veröffentlichung besteht. Nach erfolgreicher Lehrzeit machte ich mir Gedanken über meine Zukunft und ich entschied mich für ein Studium als Gebrauchsgrafiker. Denn um im Arbeiter- und Bauernstaat «Bildgeschichten» zu veröffentlichen, was schon selten genug war, mußte man ein abgeschlossenes Grafik-Studium vorweisen können. Doch die Fachschule für Werbung und Gestaltung wollte mich nicht gleich haben, ich sollte mich öfter als nur ein Mal bewerben, um meinen festen Willen zu signalisieren!
Da las ich eine Zeitungsnotiz über die Immatrikulation von Animations-Studenten an der Hochschule für Film und Fernsehen «Konrad Wolf» in Potsdam-Babelsberg.. Ich dachte mir, so ein Zeichentrick-Studium kann auch nicht schaden, da muß recht viel gezeichnet werden und das hilft mir sicher, z. B. ordentliche Hände hinzukriegen – so wie sie dieser Uderzo draufhat, dessen feine Bildchen ich in den Asterix-Bänden meiner Cousine gesehen hatte.Von über 200 Bewerbern wurden nach zwei Eignungsprüfungen nur neun in eine Klasse aufgenommen – ich war dabei und wahnsinnig glücklich!
Aber wie sich bald herausstellte, bestand der Stundenplan 1988 leider zu 80% aus Russisch, Marxismus/Leninismus, Politischer Ökonomie, Philosophie und einigen filmtechnischen Fächern. Das beste war immer Filmkunde, da wurden uns Trickfilme aus allen Zeiten und Ländern gezeigt, vor allem künstlerische Sachen, z.B. von den Quay Brothers, die man nirgendwo anders zu sehen bekam. Das eigentliche Fach, Animation, wurde am Freitagnachmittag gegeben, wo die Nicht-Potsdamer so langsam ans Nachhausefahren denken mußten. Das meiste habe ich noch in den Fächern Anatomie und Aktzeichnen gelernt. Die Kamera, mit der wir unsere Trickfilm-Übungen aufnahmen, war eine Leihgabe vom Filmmuseum Potsdam, weil die das Gerät, ein russisches Wunderwerk aus den 30er Jahren, doppelt am Lager hatten.
Tja, noch während des Studiums ging die DDR kaputt, und mit ihr auch das DEFA-Trickfilmstudio Dresden, mit dem die meisten von uns Studenten schon einen Vertrag in der Tasche hatten. In den «Trümmern» des Studios arbeitete ich noch bei meinem lieben Freund Lutz Stützner an einem letzten Trickfilm mit, später im Studio Berlin-Mahlsdorf durfte ich sogar einen eigenen beginnen, doch schlossen sich mitten in der Arbeit auch hier die Tore. Da kam das Stellengesuch von MOSAIK gerade recht, um schnurstracks weiterzuzeichnen!

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