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Burkhard Ihme (Hrsg.)
Oktober 2005
224 Seiten DIN A4, S/W
EUR 15,25
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COMIC!-JAHRBUCH 2006

30 Jahre Abrafaxe

Von Michael Klamp

Vor über 30 Jahren waren die «Digedags» aus dem MOSAIK von Hannes Hegen (Künstlername des Zeichners Johannes Hegenbarth) unumstritten die Comic-Stars in der DDR, vom Volk geliebt, von oben aber immer argwöhnisch betrachtet. Als die Spannungen zwischen Verlag und «Digedag»-Schöpfer und -Rechteinhaber Hegenbarth eskalierten1, kam es seitens des Künstlers zur Kündigung. So stand der Verlag vor der Alternative, Hegenbarths Bedingungen zu akzeptieren oder das MOSAIK einzustellen. Doch es gab eine dritte Möglichkeit: MOSAIK war von Anfang eine Gemeinschaftsarbeit des künstlerischen Leiters Johannes Hegenbarth und eines Stabes von Mitarbeitern gewesen. So bot sich nun diesen langjährigen Mitarbeitern – dem Autor Lothar Dräger, den Zeichnern Lona Rietschel, Horst Boche, Egon Reitzl, Gisela Zimmermann, Irmtraut Winkler-Wittig, Heidi Sott und den Farbgestaltern Jochen Arfert, Ingrid Behm und Ulrich Stephans – die Gelegenheit, etwas Eigenes zu erschaffen.
Während Drägers Vorstellungen in eine radikal neue Richtung gingen, hing die Redaktion sehr am Konzept der drei kindsgroßen Weltreisenden mit Erwachseneneigenschaften, wie sie schon Hegens Schöpfungen Dig, Dag und Digedag (kurz: die «Digedags») verkörperten. Und so setzten sich nach mehreren Entwürfen2 die von Lona Rietschel durch, die aus diesem Grund heute manchmal «Mutter der Abrafaxe» genannt wird. Dräger, der «Vater der Abrafaxe», entwarf dagegen die Charaktere der drei Helden und ein inhaltliches Konzept für die ersten Jahre (und grob bis 1990), das die Entscheidungsträger im Verlag überzeugen konnte. Die Leser, die nach dem Verschwinden der «Digedags» in einer Fata Morgana zum Ende des letzten Abenteuers3 und dem darauf folgenden Nachdruck4 einiger Hefte aus den 60er Jahren (der sogenannten «Ritter-Runkel»-Serie5) das ganze zweite Halbjahr 1975 im Unklaren über den Verbleib ihrer Helden und das künftige Aussehen des Magazins gelassen worden waren, lernten die Abrafaxe erstmals auf der Rückseite des MOSAIK 228 kennen. Die «Abrafaxe» Abrax, Brabax und Califax stellten sich lachend und auf buntgeschmückten Wildschweinen reitend vor.
Und im folgenden Heft, dem letzten der fortlaufenden Zählung, wurde das neue Konzept des MOSAIK vorgestellt: «Spaßmacher erzählen die Geschichte der Spaßmacher». Gemeinsam mit einer bunten Schar von Komödianten aller Länder und Zeiten sollten Begebenheiten aus der Geschichte vermittelt werden, und zwar aus der Perspektive der Schauspieler, Komiker und anderen Unterhaltungstreibenden. Spannung, Spaß und Wissen bildeten die Mischung, die den Abrafaxen den Weg zu ihren Lesern zu erleichtern sollte.
In ihrem ersten Heft wurden die Abrafaxe ausführlich eingeführt. Die drei Kobolde waren ehemalige Söldner, die desillusioniert ihren Dienst quittiert hatten. Einzig bei Abrax hielt sich noch eine gewisse Affinität zum Waffenhandwerk. Zumindest schleppte er seine Muskete, «ein Andenken an seine letzte Dienstzeit», die ersten zwei Jahre permanent mit sich herum und er nervte Brabax und Califax (und viele Leser) häufig mit seinen Schützenregeln.
Zweiter im Bunde ist Brabax. Anders als Abrax, der erst nachdenkt, nachdem er etwas getan hat, steht bei Brabax das Denken an erster Stelle. Seine einführende Beschreibung sagt zwar, daß sich die Realität nicht immer nach seinen Vorstellungen richtet, in Wahrheit kommt er diesem Ideal aber ziemlich nahe.
Califax ist von Anfang an der Liebling der Leser. Mit seiner fürsorglichen Art, aber auch aufgrund seines manchmal unbeschwert-kindlichen Gemüts erspielte er sich schnell die Rolle des Sympathieträgers. Außerdem ist Califax im Besitz eines Wundermittels, des Rosmarinextrakts. Dieses Elixier hat nicht nur heilende, sondern auch belebende Wirkung. Ein wenig ähnelt es dem Zaubertrank des Druiden Miraculix ... Ohnehin drängen sich besonders in den ersten Jahren der Abrafaxe Vergleiche zu den Asterix-Comics auf. Der Kampf eines dalmatinischen Dorfes gegen Venezianer und Türken steht in seiner Intensität dem Konflikt «Gallier gegen römische Eroberer» keinesfalls nach.


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