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Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2004
224 Seiten DIN A4, S/W
EUR 15,25
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COMIC!-JAHRBUCH 2005

Hanna und Chloé
Ein deutsch-französisches Comicprojekt

Von Stefan Neuhaus


Carnon bei Montpellier im Februar 2003. Der im Sommer überlaufene Ferienort am Mittelmeer dämmert verschlafen in der Winterkälte vor sich hin, einzelne Dauergäste, Rentner, die das ganze Jahr hier leben, spazieren am Strand auf und ab. Nur in einem kleinen Ferienheim herrscht eifrige Betriebsamkeit: Eine deutsch-französische Gruppe von 20 Schülern, Animatoren, Teamern und Lehrern aus beiden Ländern haben sich vorgenommen gemeinsam mit 4 Zeichnern einen Comic zu gestalten.

Am Beispiel von zwei Jugendlichen wollen sie die unterschiedlichen aber auch gemeinsamen Aspekte der Erziehungs-, Sozial- und Ausbildungssysteme darstellen, um so das Verständnis für das jeweilige andere Land zu vertiefen. Der zweisprachige Comic soll als pädagogisches Hilfsmittel in deutsch-französischen Projekten eingesetzt werden.
Die Idee dazu entstand - wie konnte es anders sein- im Comicland Frankreich: Mitarbeiter der CEMÉA (Centres d’Entraînement aux Méthodes d’Éducation Active, eine Organisation, die soziale, pädagogische und kulturelle Initiativen organisiert) kooperierten mit ihrer deutschen Partnerorganisation bkj (Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung) und der Jugendkunstschule ATRIUM - Berlin. Anlaß für das Projekt war das 40-jährige Jubiläum des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW), das die Initiative großzügig unterstützte.

Ein ehrgeiziges Vorhaben: In zwei einwöchigen Arbeitsphasen sollte die Gruppe eine Geschichte entwickeln und Figuren, Anekdoten und Details soweit festlegen, daß die vier professionellen Zeichner im Anschluß selbständig die künstlerische Gestaltung übernehmen konnten. Pädagogisierende und klischeehafte Darstellungen sollten ebenso vermieden werden wie ein chaotisches Sammelsurium unterschiedlicher Episoden und Zeichenstile.
Für die Arbeit wurden zwei französische und zwei deutsche Künstler gewonnen: Farid Boudjellal ( u.a. «Le Petit Polio», 3 Bände, «Jude-Araber» - auch auf deutsch beim Semmelverlag erschienen), Fraco (ein im Comicstil arbeitender Illustrator, der gerade sein erstes Comicbuch fertig stellt), Mawil (ICOM-Independent-Comic-Preisträger 1998, 2003 und 2004 - «Wir können ja Freunde bleiben») und Tobias Deicke (Student an der UdK Berlin).
Von einer kleinen Arbeitsgrupppe war bereits in Vorbereitung des Treffens festgelegt worden, daß die 48seitige Geschichte den Lebenslauf zweier Jugendlichen darstellen sollte, aufgeteilt in vier Kapitel a 12 Seiten, bezogen auf die Altersstufen 0-12 und 12-25 Jahre. Jeder Zeichner sollte jeweils ein Kapitel übernehmen. Alles weitere blieb der Entscheidung der Gruppe überlassen.
Von Anfang an wurde, wie bei allen Projekten des DFJW, die gemeinsame Arbeit betont. Also nicht nur das Plenum sondern auch die Kleingruppen waren deutsch-französich besetzt und es wurde immer darauf geachtet, daß ein «Dolmetscher», d.h. ein Teilnehmer mit guten Sprachkenntnissen, dabei war.
Schnell stellte sich heraus, daß die heterogene Zusammensetzung der Gruppe ein Gewinn für die Arbeit war: Deutsche aus Ost und West, Maghrebiner (arabisch-muslimische Einwanderer aus Nord-West-Afrika) und «alteingesessene» Franzosen, Schüler, Studenten, Animateure, Französisch-, Kunstlehrer und Vertreter der beteiligten Organisationen trugen mit ihren ganz spezifischen Lebenserfahrungen wichtige Puzzlestücke zum Ganzen bei: erste Kindergartenerlebnisse, das Wohnen in der WG (in Frankreich kaum üblich), die deutsche «Gemütlichkeit» (für die es kein französisches Äquivalent gibt), die Kinderferienlager (in Frankreich eine feste Institution) usw... Angeregt wurde die Gruppe auch durch organisierte Besuche in französischen Bildungseinrichtungen, wie z.B. einer École Maternelle, in der fast alle Kinder schon ab drei Jahren ganztägig betreut werden.


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