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COMIC!-Jahrbuch 2005
Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2004
224 Seiten DIN A4, S/W
EUR 15,25
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COMIC!-JAHRBUCH 2005

Bewegung im Comic
Möglichkeiten der bildlichen Darstellung

Von Burkhard Ihme


Comic und Film

Neben allen Gemeinsamkeiten gibt es wesentliche Unterschiede zwischen Film und Comic. Zum einen läuft der Film in einer festen Reihenfolge der Handlung, der Szenen und Schnitte in einer begrenzten Zeit ab. Der Zuschauer kann das Kino verlassen, aber er kann nicht aus dieser Festlegung ausbrechen. Der Comic dagegen kann den Ablauf der Zeit nicht gestalten, da er nur begrenzten Einfluß auf die Lesegeschwindigkeit des Betrachters und die Reihenfolge, in der die dargebotenen Bilder angeschaut werden, hat. Der Zeichner kann durch bestimmte Kniffe den Leser zu schnellem oder langsamem Lesen verleiten, dazu zwingen kann er ihn nicht.
Dafür bietet der Comic Raum für Details und kleine Gags, die sich im Hintergrund des Bildes abspielen und oft interessanter sind, als die eigentliche Geschichte. Dies ist möglich durch einen weiteren Unterschied zwischen den beiden Medien: Der (Real-)Film hat, schon technisch bedingt, nur einen begrenzten Schärfebereich, dessen Einschränkungen er nur durch komplizierte Tricks entfliehen kann. Die natürliche Unschärfe im Bildhintergrund erleichtert es dem Regisseur aber auch, die Aufmerksamkeit des Betrachters auf wesentliche Bildinhalte zu lenken und jenem, Motive und Personen schnell zu erfassen. Die meisten Comics dagegen besitzen in allen Teilen eines Bildes absolute Tiefenschärfe.
Neben der Tiefenschärfe lenkt aber auch jede Bewegung im Film das Auge, ja, macht es oft sogar unmöglich, weniger stark bewegte Bildmotive zu fixieren bzw. deren Bewegung wahrzunehmen. Der Comic erfordert (und erlaubt aber auch) ein längeres Verweilen des Auges auf dem einzelnen Panel, um Vorder- und Hintergrund zu trennen. Eine der großen Stärken der Comics ist also ganz «unfilmisch»: das liebevolle Detail im Hintergrund, das Film- oder Helmut Kohl-Plakat*, das, ohne in die Handlung direkt einzugreifen, dennoch permanent agierende Eichhörnchen, das sogar, im Film völlig undenkbar, seine Kommentare abgeben oder Gespräche mit anderen Hintergrundfiguren führen kann. Und die Akteure eines Comics können sogar denken, ohne daß das alte Bühnenmittel des «Beiseitesprechens» bemüht werden muß. Im Gegensatz dazu müssen Filmfiguren entweder laut denken (wobei der Unterschied zwischen Denken und Sprechen meist durch Nahaufnahmen - die Lippen bewegen sich nicht - oder unterschiedlichen Raumklang verdeutlicht wird) oder sie benötigen einen Erzähler, der in den meisten Fällen aber nur für eine Person sprechen kann.
Und es gibt ein drittes gravierendes Unterscheidungsmerkmal der hier besprochenen Medien: Während der Film seine Geschichte auf einer ständig gleichbleibenden (und natürlich erheblich größeren) Fläche abbildet, steht dem Comiczeichner eine variable Anzahl unterschiedlich großer Einzelbilder zur Verfügung, die sich zu einer Seite, einer Doppelseite und schließlich einem Heft oder Album zusammenfügen. Im Gegensatz zum Film kennt der Comic allerdings nicht die Länge einer Einstellung, die ja im hohem Maß ihre Bedeutung kennzeichnet. Die Größe eines Panels, die häufig schon durch das Motiv bestimmt wird (eine Totale braucht eben Platz und läßt sich nur auf einem großen Bild darstellen), erfüllt nicht automatisch die entsprechende Funktion, da kommt es auch auf Plazierung und eventuell auch auf die (auffallende und damit Aufmerksamkeit erregende) Form an. Die Form der einzelnen Panels ist nicht nur ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zum Film, sie ist auch eine effektive Gestaltungsmöglichkeit. Sehr lange oder hohe Bilder haben zweifellos eine andere Wirkung als quadratische oder runde. Und die Symbolik eines Bildes in Herzform ist für jeden Leser leicht zu entschlüsseln. Zudem stehen die Bilder, anders als im Film, nebeneinander, beziehen sich aufeinander und lassen den direkten Vergleich zu.



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