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COMIC!-Jahrbuch 2005
Burkhard Ihme (Hrsg.)
November 2004
224 Seiten DIN A4, S/W
EUR 15,25
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COMIC!-JAHRBUCH 2005

DAS COMIC!-Jahrbuch 2005
Vorwort

Von Burkhard Ihme

Das vergangene Jahr erscheint im Rückblick wie ein Aufenthalt im «Wartesaal zum großen Glück» (um ein Chanson von Walter Andreas Schwarz zu zitieren). Während die einen auf das Erscheinen der ersehnten Fortsetzung ihrer Lieblingsserie (z. B. «Michel Vaillant» bei Seven Island Edition) und auf neueste Gerüchte aus dem Büro Biestig (der einzigen Informationsquelle über längerfristige Planungen im Hause der Kult Editionen) warten, warten andere auf das Platzen der Manga-Seifenblase, die die beiden Marktführer Carlsen und Egmont/EMA, der – zumindest, was die Zahl der veröffentlichten Titel betrifft – zur dritten Kraft aufgestiegene Panini/Verlag Planet Manga und kleinere Anbieter wie Eidalon auf ihre Haltbarkeit testen. Der Rest wartet erst mal ab, was die Konkurrenz durch den neuen Mitbewerber Tokoypop unter der Leitung von Joachim Kaps so bringen wird. Und einige Unverdrossene warten weiter und wohl ewig vergeblich (siehe auch Seite 54) auf die im letzten Jahrbuch groß angekündigte «ComicTime» in Hildesheim. «Ach, die armen, armen Leute» (Schwarz).
Im zurückliegenden Jahr gelangten aber auch einige deutsche Zeichner ins Licht der Öffentlichkeit, insbesondere die Vertreter der jungen Generation Flix und Mawil, die mit ihren als Diplomarbeiten entstandenen Comics «Held» und «Wir können ja Freunde bleiben» Aufsehen erregten und auch Preise außerhalb der kleinen Comicszene gewannen. Dagegen wurde Volker Reiches «Alterswerk» «Strizz», der fünfmal in der Woche in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG erscheinende «Daily Strip», zuerst in der literarischen Welt wahrgenommen, bevor die Szene mit der Verleihung des Max-und-Moritz-Preises reagierte (Interviews mit Mawil und Reiche in diesem Jahrbuch, Flix wurde bereits in der Ausgabe des Vorjahres vorgestellt).
Allerdings darf das nicht darüber hinwegtäuschen, daß in der deutschen Presse der Begriff «Comic» fast ausschließlich im Zusammenhang mit Hollywoodverfilmungen («Spider-Man 2», «Hellboy») oder gar Zeichentrickfilmen auftauchte (mit «Bärenbrüder» und «Die Kühe sind los» waren zuletzt zwei klassische 2-D-Filme im Kino zu sehen, die als letzte aus dem Hause Disney angekündigt waren, das sich – trotz Differenzen mit Hauptlieferant Pixar – ganz auf computeranimierte Filme konzentrieren will und dazu seine Studios konsequent umstrukturierte).
Und die meistverkauften Comics heißen gar nicht so, sondern Manga. Der Boom des Vorjahres scheint allerdings abgeschwächt, immer klarer kristallisiert sich zudem heraus, daß die japanische Spielart der Comics ihre Leser fast ausschließlich unter den Heranwachsenden findet. Erwachsenere Themen fristen ein Nischendasein, ähnlich wie die franko-belgischen Comics, bei denen sich der Trend weg von den «Großverlagen» Carlsen und Egmont hin zu den Küchentisch-Verlegern stabilisiert hat (jüngstes Beispiel «Yakari»). Während allerdings Carlsen nach dem Weggang von Verlagsleiter Joachim Kaps, der das Hamburger Haus der Comics im Dezember letzten Jahres nach Differenzen über Marktstrategien und Kompetenzen überraschend verlassen hatte, in seinem vormaligen Kernsektor ein Sparprogramm fuhr, hat Egmont dies nach dem erneuten Umzug hinter sich und baute seinen franko-belgischen Katalog wieder aus.
Dagegen ist der angekündigte massenhafte Albenausstoß bei Epsilon (siehe Anmerkungen an gleicher Stelle im COMIC!-Jahrbuch 2004) bisher ausgeblieben. Zwar wurden keine Titel gestrichen, der erforderliche Arbeitsaufwand verhinderte aber bisher ihr Erscheinen. Salleck Publications fährt einen Konsolidierungskurs und verzichtet vorerst auf schwer verkäufliche Titel, was zu einer Konzentrierung auf bereis eingeführte Serien führt. Dies ist auch seit Jahren die Strategie des größten Anbieters im franko-belgischen Albenmarkt deutscher Zunge, der zum Medienservice Wuppertal gehörenden Kult Editionen, die fast ausschließlich abgebrochene Serien von Carlsen und Splitter fortführen. Wenig neues auch von comicplus+, das sein Programm allerdings wesentlich konsequenter gestaltet. Speed Comics hat sich von seinen wenigen franko-belgischen Serien getrennt (sie werden bei Egmont und Epsilon weitergeführt) und beschränkt sich auf Lizenzen aus dem nordamerikanischen Sprachraum.
Der Großteil der Veröffentlichungen deutscher Zeichner dagegen erscheint in Kleinverlagen, die ihre Wurzeln im trotzigen «Dann verleg ich meine Comics eben selber» haben und in der Tradition von Christoph Roos’ Shayawaya (1978), Michael Goetzes Voltfeder (1979), HINZ & KUNZ (1978), ZOMIX (1979), Klaus Wilinskis Pressluft (1982) und des Buch Musik & Film Verlags (1980 bis heute) stehen. Die Programme von Zwerchfell Verlag (Stefan Dinter, Eckart Breitschuh), Schwarzer Turm (Michael Möller, Rochus Hahn), Gringo Comics (Holger Bommer, Andreas Mergenthaler), Elmsfire Books (Diana Sassé) und Weissblech (Levin Kurio) werden von Zeichnern und Autoren bestimmt und zum Teil auch bestritten («Grimm», «Wanda Caramba», «Dipperz», »Horst», «Arsinoë», «Fack, die Henne», «Doudou und die Pferdedeutschen», «Horrorschocker»). Selbst die Edition Moderne («Operation Läckerli») hat mit STRAPAZIN (Pierre Thomé) einen Hauch von Selbstverlegerei im Familienbuch.
Leider sind mit deutschen Comics kaum große Auflagen und hohe Umsätze zu erzielen (Fälle wie ©TOM, der mit seinen «Touchés» fast alleine seinen Verlag nährte, sind selten). Auch Reprodukt (internationale und deutsche Independent Comics, z. B. Mawil, Andreas Michalke) und Edition 52 (außer Torres und Seth überwiegend deutsche Autoren wie Ulf. K, Uli Oesterle und Reinhard Kleist) haben nicht den Rahmen der überschaubaren Comicleserschaft sprengen können. Am besten ist dies dem Selbstverlag AK-Verlag der Autoren Michael Apitz und Patrick Kunkel mit ihrem Spätlesereiter «Karl» gelungen, dessen Kerngruppe der Leser aus der Ecke der Winzer und Weintrinker stammt.
Von diesen Nischencomics, die also eine bestimmte Klientel mit einigem Erfolg bedienen, ohne in der Breite sonderlich aufzufallen, entdeckt man folglich nur gelegentlich etwas, etwa wenn «Benni» von Bernd Natke (gezeichnet für die Stotterer-Selbsthilfe) für den Max-und- Moritz-Preis nominiert wird. Tikwa zeichnet für die Gothic-Szene «Die kleine Gruftschlampe», Tooncafe für Mädchen «Cora und Nessie», Pasda & Co. für die neuen Bundesländer die «Abrafaxe» (in Mosaik ). Wer seine Nische zu bedienen weiß, seinen Leserkreis hat und kennt, der kann sich etwas beruhigter hineinsetzen, in den «Wartesaal zum großen Glück».


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