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ICOM Independent Comic Preis
Die Gewinner des ICOM Independent Comic Preises 2017
Bester Independent Comic

“Survivor Girl”
von Christopher Tauber, Ingo Römling und Kim Liersch
(Zwerchfell)


“Das Survivor Girl, auch bekannt als das Final Girl, ist die – meist weibliche – letzte überlebende Person eines Horrorfilms, die, die dem Killer von der Schippe spring oder ihm mit selbiger eins überbrät. In den späten 70ern noch jungfräulich, in den 90ern emanzipiert und schnippisch, ist das Survivor Girl mittlerweile aus dem Horrorgenre nicht mehr wegzudenken und eine der wenigen weiblichen Ikonen des Grusels.” (survivor-girl.de)

"Als einzige Überlebende eines Sommercamp-Massakers kämpft sich das 'Survivor Girl' Phoebe durch ein abstruses Grusel-Abenteuer nach dem anderen. Mit dabei der dünnhäutige Serienkiller Helmut, der langsamste Zombie der Welt und der Schöngeist Robert Georginio. Ob technophobe Dämonen aus Japan, Zombies im Kaufhaus oder langweilige Found-Footage-Video-Abende mit den Nachbarn, Ingo Römling und Christopher Tauber nehmen den Horrorfilm in seiner ganzen Breite liebevoll auf den Arm, um ihn dann auf dem Altar der Persiflage in Stücke zu hacken.” (Klappentext)

Die Letzte wird die Erste sein. Oder wie sind eigentlich die Überlebenschancen eines Survivor Girls im täglichen Leben?

“Survivor Girl” ist ein Projekt mit viel Engagement und Herzblut. Christopher Tauber hat mit Ingo Römling nicht einfach mal eben einen Webcomic online gestellt und geschaut, wo es hinführt. Die jahrzehntelange Erfahrung als Verleger, Filmemacher, Illustrator und nicht zuletzt Autor in all diesen Medien haben Tauber die ruhige Hand gegeben, in einem seiner Lieblingsgenres aufzugehen. Einen perfekten “Partner in Crime” fand er in seinem Frankfurter Kollegen Ingo Römling, der als Zeichner von “Malcom Max” gerade mit seinem besonderen Zeichenstil in der Comicszene auf sich aufmerksam machte. Zusammen sind die beiden bereits als Kunstschaffende die Verkörperung der Independentszene. Später fand sich mit Kim Liersch eine passende Ergänzung des Dream-Teams, das seine Titelheldin durch einen Alptraum nach dem anderen schickte.

In dem Projekt wird sichtbar, welcher Glücksfall es sein kann, wenn sich Gleichgesinnte für ihre Leidenschaft verbünden und mit planerischem Geschick ein Konzept entwickeln, das sich als klassischer Strip aber auch als serieller Webcomic trägt. Klassisch Trash erzählen, das will gekonnt sein. Es will aber auch erstmal grundsätzlich gekonnt sein, ein Survivor Girl so interessant zu machen, daß es ein Eigenleben bekommt.

Dem Band gelingt es – wie zuvor dem Webcomic – Leser auch ohne Kenntnis der vielfach referenzierten Horrorfilme und Subkultur-Ikonen zu fesseln und ungeahnte Sympathien zu wecken. Die Reihe funktioniert als Strip, als Webcomic und als Sammelband.

Damit jedoch nicht genug. Der Band schafft es, uns davon zu überzeugen, ihn vom Grabbeltisch einer in den 90ern in ein Zeitloch gefallenen Videothek geklaut zu haben. Die Aufmachung mit Bonusmaterial und Hologrammstickerimitat rundet dieses Überlebenskunstwerk ab.

Das Leben nach dem Überleben lohnt sich also, zumindest für Phoebe. Herzlichen Glückwunsch zum Independent Comic des Jahres 2016! Wir hoffen auf ein Comeback.

Eve Jay

Charly-Eiselt-Preis für die beste Publikation eines Newcomers

“Circus Irritans”
von Katharina Netolitzky
(Schwarzer Turm)


“Um Rosis Flohzirkus steht es schlecht. Kein Mensch interessiert sich noch für dressierte Flöhe. Rosis Assistent Alexej spürt, dass sich im Zirkus etwas ändern muss. Eine schicksalshafte Begegnung stellt Alexejs Leben auf den Kopf. Und bald merkt er, dass Geld alleine nicht glücklich macht. Vor allem dann nicht, wenn man dafür seine Menschlichkeit aufs Spiel setzen muss.” (Circus Irritans, 2016, Schwarzer Turm)
“Circus Irritans”, zunächst als “Circus Pulex Irritans” online veröffentlicht, hat sich über die Zeit von drei Jahren aus dem Larvenstadium geschält und ist als charmante Gruselgeschichte dabei so individuell und originell geworden wie seine Augsburger Schöpferin.
Katharina Netolitzky ist studierte Kommunikationsdesignerin, arbeitet als Illustratorin und Buchtitelgestalterin, schreibt und zeichnet Comics und ist mit ihrem Engagement aus der Comic-Gemeinschaft nicht mehr wegzudenken.

Katharina Netolitzkys Entwicklung ist kein plötzlicher Senkrechtstart, wie man es von einer “Newcomerin” vielleicht erwarten würde. Sie zeichnet sich durch Beständigkeit, Adaptivität und Positivität aus, die sich nicht nur in ihrer Linie und ihren Farben, sondern auch in ihrer Motiv- und Projektwahl ausdrückt. Stetig hat sie sich ihr alleiniges Erstlingswerk erarbeitet und parallel dazu in Ausgaben der Anthologien PAPER THEATRE, STRICHNIN und JAZAM! und der Kollaboration “Guppys im Bauch” auf sich aufmerksam gemacht.

“Circus Irritans” ist die Belohnung dafür, sich auf dem Weg nicht irritieren zu lassen, dem eigenen Stil zu folgen und somit der eigenen Stimme Kraft und Ausdruck zu verleihen. Katharinas Stimme ist in “Circus Irritans” unverkennbar. Sie ist angekommen, nicht neu, aber zum ersten Mal mit dem eigenen Zirkuszelt, in dem ihr kindlich anmutender Illustrationsstil im Kontrast zu einer düsteren, tiefgreifenden Geschichte steht, die in Vereinbarkeit mit Katharinas Erzählstil nur ein tröstliches Ende nehmen kann. Dieser Kontrast wird durch die Koloration und nicht zuletzt durch die hochwertige Aufmachung und Formatwahl des Buches unterstrichen.

Wir möchten Katharina zur besten Publikation einer Newcomerin des Jahres 2016 gratulieren, somit den Charly-Eiselt-Preis an sie vergeben und wünschen ihr auf Ihrem weiteren Weg viel Schaffenskraft und Gelegenheit, diese für sich einzusetzen.

Eve Jay

Bester Kurzcomic

“Lisa”
von Lenny Großkopf
In: JAZAM Vol. 11


Obschon sie zunächst tückisch ansprechend gestaltet ist, mit klaren Linien und satten Farben, ist “Lisa” alles andere als eine “glatte” Geschichte. Der Leser sieht ein fröhliches Mädchen, das an einem Sommertag in den Park geht und mit Puppen spielt. Dabei fällt die ungebrochene Fröhlichkeit des Mädchens auf, auch als sie später nach Hause kommt. Diese Fröhlichkeit bekommt ab einem gewissen Punkt schon fast etwas Manisches. Fast wie im Rausch klebt sie die Bilder des imaginären Familienausflugs zuhause in ein Album, bis schließlich eine erwachsene Frau kommt, um sie zum Essen zu holen. An diesem Punkt wechselt die Perspektive, und wir erfahren, dass es sich bei der Frau um die Tante handelt. Die Geschichte wird nun zu Tante Rosas Geschichte. Wir sehen wie das Mädchen die Puppen wieder an die Gräber von Eltern und Bruder bringt, die offensichtlich bei einem Unfall gestorben sind. Es sind wenige Bilder, die das Gesicht der Tante zeigen, aber aus denen ist zu lesen wie groß die Last und die Traurigkeit sein müssen. Der erwachsene Leser weiß, dass die Trauerarbeit noch nicht weit gediehen ist. Die liebevolle Geste der Tante, die Lisa an die Hand nimmt, um mit ihr zum Friedhof zu gehen, gibt jedoch Hoffnung. Aber auch für Kinder oder Jugendliche gibt diese Geschichte Sinn, weil sie anrührend eine „slice of life“-Geschichte erzählt. Es ist sehr schwer, eine emotional bewegende Geschichte so zu erzählen, dass sie nicht kitschig wird. Nie drückt Lenny Grosskopf auf die Tränendrüse oder reflektiert das Geschehen in Gedanken oder mit Kommentaren. Das ist für mich ganz große Erzählkunst.

Thorsten Krings

Herausragendes Szenario

“Dorle”
von Calle Claus und Olli Ferreira
(Zwerchfell)


Nein, besonders sympathisch ist diese Hauptfigur wirklich nicht: Studentin Dorle mag vielleicht jung und hübsch sein, aber vor allem ist sie egozentrisch, launisch, faul und neurotisch. Vom Alltag zwischen Studium, Shopping und Facebook ohnehin schon total gestresst, gerät sie vollends in die Krise, als ihre Eltern ihr den Geldhahn zudrehen und sie ihr eigenes Geld verdienen muss. Dass einem diese Protagonistin trotzdem irgendwie ans Herz wächst, ist eine der großen Stärken dieser Coproduktion von Calle Claus und Olli Ferreira, die sich sowohl bei den Zeichnungen als auch bei der Geschichte die Arbeit geteilt haben. Den Plot haben sie gemeinsam entwickelt, die teilweise brillanten Dialoge stammen von Ferreira. Er schaut Hamburger Szene-Hipstern genauso treffend aufs Maul wie deren Eltern-Generation, die in schicken Villen am Stadtrand ihrer Jugend hinterhertrauert.

Wir begleiten Dorle bei zwecklosen Therapiestunden, fatalen Gehversuchen im Arbeitsleben und wilden Ausflügen ins Nachtleben, ehe die zusehends wahnwitziger werdende Handlung in einem gemeinsamen Paris-Trip mit ihrer Mutter gipfelt, die noch unausstehlicher ist als sie. Zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse: Blitzkarriere der besten Freundin, Liebe auf den ersten Blick und ein Todesfall.

Claus und Ferreira steigern die Absurditäten des modernen Großstadt-Lifestyle ins Bizarre und schaffen damit eine sehr gegenwärtige Zeitgeist-Satire, die nicht viel früher und nicht viel später als im Jahr ihres Erscheinens spielen kann. Mit ihren überdrehten Figuren schaffen sie ein Panoptikum von lächerlichen, oberflächlichen Stadtneurotikern und jagen sie durch eine temporeiche, gut aufgebaute Story, die man mit großem Vergnügen liest.

Thomas Kögel

Herausragendes Artwork

“München 1945” 1 & 2
von Sabrina Schmatz
(Schwarzer Turm)


Die Welt ist aus den Fugen geraten und zwei Menschen entdecken in diesem Chaos ihre Liebe füreinander, obwohl sie gerade erst in einem Krieg auf gegnerischen Seiten waren. Es geht in Sabrina Schmatz’ Comic weniger um den Krieg und dessen moralische Aufarbeitung, sondern vielmehr um den Kontrast zwischen Gewalt und Zerstörung einerseits und der Liebe andererseits. Genau diesen Widerspruch bringt sie zum Ausdruck, in dem sie Bilder kleiner Gesten der Zärtlichkeit und der Nähe in das Szenario von Tod und Zerstörung einbringt. Hierbei zeichnet die Künstlerin konsequent mit Bleistift und verzichtet auf Tuschen. Der Effekt ist weniger, dass man kräftige Konturen oder Details vermisst, sondern vielmehr der einer Zartheit, die an die Pastelltöne in Gibrats Erzählungen erinnern. Über dieser unsentimental erzählten Liebesgeschichte liegt gleichzeitig immer ein Hauch von Melancholie. Neben der fast schon poetischen grafischen Umsetzung kann “München 1945” durch viele kleine Vignetten innerhalb der Erzählung, durchgängig dreidimensionalen Charaktere und spannende Momentaufnahmen überzeugen. Es ist sicherlich eine der größten Herausforderungen in jedem Genre, eine unsentimentale Liebesgeschichte zu erzählen. Genau das gelingt Sabrina Schmatz jedoch in “München 1945”.

Thorsten Krings
"Liebe schaut weg" von Line Hoven

"Liebe schaut weg" von Line Hoven

Sonderpreis der Jury für eine bemerkenswerte Comicpublikation

“ASH – Austrian Superheroes” 1–4
von Harald Havas et al.
(Contentkaufmann)


Die Idee, das uramerikanische Genre des Superheldencomics in hiesige Gefilde zu verpflanzen, ist nicht neu – aber es lässt sich eben nicht so einfach zu uns übertragen, weshalb die meisten bisherigen Versuche von vornherein als Parodie angelegt waren. Nicht so bei den “Austrian Superheroes” – hier gibt es zwar durchaus Humor und Augenzwinkern, aber als reine Veralberung versteht sich die Heftserie nicht. Das Team um Autor Harald Havas und Creative Director Thomas Aigelsreiter ist angetreten, den US-Vorbildern einerseits nachzueifern, gleichzeitig aber auch möglichst viel genuin österreichische Zutaten in die Suppe zu rühren. Der Jury imponierte bei diesem Projekt vor allem zweierlei: Zum einen der clevere, professionelle Marktauftritt, der aktuelle Trends wie Crowdfunding und die Welle der Comic Cons nutzt, kombiniert mit Gimmicks wie Variantcover und bezahlten “Gastauftritten” von Leserinnen und Lesern. Zum anderen die gelungene Teamarbeit, in der die Serie entsteht: Hier hat sich eine große Mannschaft zusammengefunden, in der erfahrene Profis ebenso ihren Platz haben wie Nachwuchstalente und sich gegenseitig ergänzen und befruchten. Zur langen Hauptstory, die sich durch die ersten vier Hefte zieht, kommen in jeder Ausgabe kleine Kurzgeschichten, die nicht nur die Hauptfiguren und deren Background vertiefen, sondern das ASH-Universum auch stilistisch erweitern. So dient die Reihe auch als spannende, viel-seitige Visitenkarte der österreichischen Comicszene. 

Captain Austria Jr., Lady Heumarkt, das Donauweibchen und der Bürokrat haben sich nicht in ihrer ersten Miniserie erschöpft, sondern laufen weiter; demnächst wird ihr Universum gar über die Alpen expandieren und durch eine Serie mit deutschen Helden erweitert. Wir sind gespannt!
 
Thomas Kögel

Sonderpreis der Jury für eine besondere Leistung oder Publikation

“Fuck Yeah!” und “Comic-Collab”
von Johanna Baumann


Die hiesige Webcomicszene wächst weiter und verteilt sich dabei auf diverse Comicplattformen sowie unzählige individuelle Internetpräsenzen. Entschlossene, regelmäßige und dauerhafte Projekte, die neue und etablierte Akteure zusammenbringen und die Produktivität fördern, sind daher weiterhin besonders wichtig. Nicht erst im vergangenen Jahr, sondern erneut hat dabei vor allem Johanna “Schlogger” Baumann wichtige Akzente gesetzt – sowohl mit der monatlichen “Comic Collab”-Challenge als auch mit dem “Fuck Yeah!”-Kalender. Bei der “Comic-Collab” sind Comicschaffende seit 2011 allmonatlich eingeladen, ein Werk zu einem vorgegebenen Thema zu erstellen, auf der jeweils eigenen Wahlwebseite hochzuladen und alle Mitwirkenden der Challenge zu verlinken. Die Aufgaben mobilisierten dabei zuletzt jeweils über 20 Zeichnerinnen und Zeichner, deren Umsetzungen stilistisch und erzählerisch wunderbar vielfältig sind. Der “Fuck Yeah!”-Kalender holt indes die vor allem im Web agierenden Künstler in die haptische Welt: 2016 wirkten 70 Künstlerinnen und Künstler an dem Kalender mit, die aktuelle 2017er-Version bietet 65 eine Präsentationsfläche. Auch hier zeigt sich anschaulich die stilistische Bandbreite der Szene. Mit beiden Projekten hat Johanna Baumann im vergangenen Jahr ein wichtiges Angebot geschaffen, dass sowohl neuen als auch etablierten Künstlerinnen und Künstlern on- und offline ermöglichte, ein Publikum jenseits ihrer Stammseiten anzusprechen und Anschluss an die Künstlergemeinschaft finden. Die ICOM-Jury zeichnet diese enorme organisatorische und kreative Leistung mit dem Sonderpreis aus.

Anne M. Delseit

Lobende Erwähnungen

“Herrn Heidenreichs fabulöser Heimat- und Sachkundeunterricht”
von Bastian Baier und Robert Mühlich
(Eigenverlag)


Bereits beim ICOM-Preis 2009 und 2015 machte das Duo Bastian Baier und Robert Mühlich mit “Der Schicksalsgnom” (Herausragendes Artwork) und der Geschichte “Mister Origami” auf sich aufmerksam. 2017 sind sie der Jury mit ihrer prägnanten Mischung aus kurios-skurrilen Alltagsgeschichten und nostalgischen Anspielungen erneut aufgefallen: “Herrn Heidenreichs fabulöser Heimat- und Sachkundeunterricht” mischt Schulalltag und Science Fiction und empfiehlt sich mit klarer Strichführung, flächiger, freundlicher Kolorierung und viel klugem Humor. Der titelgebende Lehrer führt seine pubertierenden Schüler durch einen exemplarischen Schultag – oder eher: lässt führen, denn die Klasse schaut ein Lehrvideo. Dessen Erklärbär-Maskottchen übernimmt dann auch die Exposition, ohne sich dem Leser dabei unangenehm aufzudrängen, während die Klassendynamik für viel Kurzweil sorgt. Zu guter Letzt machen die Autoren mit dem Comic auch ein bisschen Mut, wenn sie von einer kruden, postapokalyptischen Welt erzählen, in der die Menschheit aus diversen Gründen vom Aussterben bedroht ist, aber gleichzeitig doch alles anheimelnd bekannt scheint und seinen fast normalen Gang geht. Bitte mehr davon!

Anne M. Delseit

"Liebe schaut weg" von Line Hoven

“Get your Man”
von Kami
(getyourmancomic.tumblr.com)


Get your man – Wie ein Mountie seinen Mann kriegt, oder manchmal auch nicht. Die Liebesgeschichte von Charles und Francis ist keine alltägliche und doch findet sie im Alltag statt, nur in alternativen Universen.

Über den Tumblr finden Leser ab 18 (NSFW!) mehr als nur eine Welt vor. Die multiplen Welten von “Get your man” drehen sich um die Menschen, die darin untrennbar miteinander verbunden sind.

Veröffentlicht im Verlag Schwarzer Turm in bisher drei Bänden.

Manche zeichnen verschiedene Projekte in verschiedenen Stilen, manche jedes im gleichen und manche üben ein Leben lang für den einen Stil, der zu ihrem besonderen Projekt passt.
Kami zeigt in “GYM”, dass künstlerische Passion über lineare Grenzen hinaus gehen kann. Über vier starke und in Sprache und Ausdruck weit entwickelte, dabei jedoch immer leicht und lebendig geführte Zeichen- und Erzählstile tragen durch verschiedene Installationen eines kanadischen Multiverse, in dem zwei Männer zueinanderfinden und dies ganz explizit.

Besonders stechen die kombinierten Stile von “Coffee Shop” und “Grunge” heraus, dennoch finden sich Kamis Stärken in allen Erzählwelten wieder. Die Inszenierungen bringen warmherzig und freundlich nackte Körper ohne falsche Scham in den Dialog. Die virtuose Linie flirtet mit der üppigen Farbpalette, die in gekonnter Technik Räume erschafft. Räume, die emotionale Safe Spaces sind, in denen mit viel Talent Lebendigkeit und Leichtigkeit erschaffen wird. Abgerundet durch sehr ansprechendes Lettering, überzeugt das Artwork in allen Punkten.

Weiter so, Kami.

Eve Jay

“Abschied” und “Der Duft von Ramen”
von Jo Lott (mit Aljoscha Jelinek)
(mycomics.de)

Johannes Lott versteht sich sehr gut auf kurze, prägnante Erzählungen, das zeigten 2016 seine Comics “Abschied” und “Der Duft von Ramen”; Letzterer entstand in Zusammenarbeit mit Aljoscha Jelinek. Neben der pointierten Story stechen insbesondere die jeweilige grafische Gestaltung sowie das Zusammenspiel beider ins Auge: “Abschied” dokumentiert in Grautönen die Reise des Protagonisten zu einer Beerdigung, bei der bestes Wetter herrscht. “Der Duft von Ramen”, der inzwischen auch in “WHOA! COMICS 10” (Plem Plem Productions!) abgedruckt ist, widmet sich indes in kräftigem Rot und Orange einem Augenzeugen des Christchurch-Erdbebens von 2011, wobei unter anderem die freie Panelgestaltung sowie die Visualisierung des Erdbebens und der Wahrnehmung des Protagonisten die Geschichte besonders reizvoll machen. Beide Geschichten können auf der Plattform mycomics.de gelesen werden.

Anne Delseit

“Isopoda”
von Franz Suess
(Glaskrähe)

Eine Beziehung ist zu Ende gegangen; das bedeutet für beide Ex-Partner einen mühsamen Neustart. Sie zieht in eine winzige Wohnung in einem miesen Großstadtviertel, er flieht mit einem Kumpel in die Berge zum Wandern. Beide sind von Alpträumen geplagt und kämpfen mit den Schatten der Vergangenheit.

Auf ihrer Suche nach dem Glück sind die Protagonisten von “Isopoda” nicht sonderlich erfolgreich, vielmehr stolpern sie durch düstere und trostlose Szenen, die von Franz Suess’ Kohlestift sehr markant zu Papier gebracht werden. Viel Schwarz, wenig Licht, traurige Gesichter – das sind die prägenden visuellen Eindrücke dieses Comics. Mit seinem charakteristischen Stil erzeugt Suess sehr effektiv eine Stimmung der Tristesse und Melancholie, in die man sich versenken kann und wie in ein Album mit trauriger Musik in Moll. 

Kein Buch für den Frühling, eher etwas für den Herbst oder den beginnenden Winter, wenn es – wie in “Isopoda” – dunkler, kälter und unbehaglicher wird, man aber die kleinen Momente des Hoffnungsschimmers, die es hier durchaus auch gibt, besonders zu schätzen weiß. 

Thomas Kögel

"Lebensfenster 2017"
Kurt-Schalker
-Preis für graphisches Blogen

geht in diesem Jahr an

Blattonisch von Katja Klengel

Hier das "Kurt-Schalker-Komitee", das den Preis gestiftet hat und über die Gewinner entscheidet.

Die Jury

Anne M. Delseit (Hachenburg)
Eve Jay (Frankfurt)
Thomas Kögel (Haar)
Thorsten Krings (Wiesloch)
20 Jahre ICOM Independent Comic Preis
Aus Anlaß des 20jährigen Jubiläums des Independent-Preises druckte der ICOM 2014 dieses Poster mit allen Preisträgern. Ein höherauflösendes PDF findet man, wenn man auf die obige Abbildung klickt.